Jun
04
2012
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Lesetipps: Red-Bull-Kapitalismus | Kreuzfahrten | Soziale Netzwerke | Gärtnern in der Stadt

Da ist er also, der Juni. Kein Sommer in Sicht, also ideale Voraussetzungen, um ein bisschen was zu lesen. Beispielsweise das Feature des Freitag über den Red Bull-Konzern und seine epidermische Ausbreitung im Sportbereich. Mal unabhängig davon, was man nun von der Blubberbrause halten mag, ist das Vorgehen von RB „beispielhaft“ – in dem Sinne, dass man sieht, in welche Richtung sich der Sport bewegen wird, da er den gleichen Gesetzen der kompletten Durchkommerzialisierung unterworfen ist, wie andere Lebensbereiche auch. Schön ist das nicht. „Red-Bull-Kapitalismus“:

Red Bull ist mehr als ein Getränk, ein Energiespender, ein Lebensgefühl. Ja, es ist mehr als nur ein Produkt. Es verkörpert die aktuellste Form des Kapitalismus

Getränke eignen sich als Prophezeiungen des jeweils neuesten Stadiums des Kapitalismus besonders gut. In ihnen sind die Aspekte von Lebens- und Genussmittel, Differenz und Mainstreaming, Image und Illusion besonders ausgeprägt – und das umso mehr, als sich die Welt gerade das Rauchen abgewöhnt. Die meisten von ihnen kokettieren damit, mehr als ein Getränk zu sein, Lifestyle und Lebensfreude auszudrücken oder auch einen besonderen Status zu haben: die legale Droge. Wenn im Folgenden also vom verflüssigten Kapitalismus im weiteren Sinne und den Red-Bull-Kapitalismus im engeren Sinne die Rede ist, dann um zu beschreiben, wie die Macht vom Produzenten auf den Distribuenten übergegangen ist. (…)

Der entscheidende Impuls für eine Distributionsdominanz in Postdemokratie und Neoliberalismus ist die Verknüpfung eines (mehr oder weniger virtuellen) Produkts mit den Sphären der Freizeit und der Medien, aber auch mit anderen kontrollierbaren und übernehmbaren „Events“ und Institutionen wie Kunst, Pop und sogar Medizin, Politik und Bildung – kurz gesagt: die Blödmaschinen. Die Dominanz kann sich auf dem Freizeit- und Kulturmarkt realisieren, weil sie zu Blödmaschinen geworden sind, und umgekehrt werden Medien, Spektakel und „kulturelle“ Institutionen zu Blödmaschinen, weil sie sich für die Herstellung und Festigung der Distributionsdominanz oligarchischer Interessen zu Beihelfern machen lassen. Die Medien sind nicht einfach „Opfer“ von Ökonomisierung und Privatisierung, sondern sie sind Teil der Wandlung des Produktions- in den Distributionskapitalismus. Daher geht es eben nicht allein um die „Kultivierung“ einer Marke wie „Red Bull“, sondern vielmehr um die Red-Bullisierung kultureller Institutionen. (…)

Ebenfalls sich ausbreitend wie die Pest sind Kreuzfahrten – früher ein exklusiver Luxus für wenige, heute längst Massentourismus. Mit den in unserem Wirtschaftssystem nahezu zwangsläufigen Folgen: Umweltverschmutzung, Ausbeutung und Profitmaximierung auf dem Rücken der Kunden. Darüber berichtete vor einer Weile pressetext.at: „Kreuzfahrten: Kundenabzocke auf Dreckschleudern. Schifffahrtsbranche anlässlich des Titanic-Jahrestages unter Druck“:

Kreuzfahrten sind weniger sicher als Anbieter propagieren, nehmen Kunden wie auch Beschäftigte aus und schaden der Umwelt. Mit scharfer Kritik durchkreuzt Ross A. Klein von der Memorial University in St. John’s http://ucs.mun.ca anlässlich des 100. Jahrestages der Titanic-Katastrophe die gängigen Vorstellungen über die “weißen Riesen der Weltmeere”. Mit sozial- und umweltverantwortlichem Urlaub hat die Branche gar nichts zu tun, so das Resümee des Kreuzfahrt-Kritikers. (…)

(…) Ein weiterer Kritikpunkt der Meeres-Kolosse sind deren verheerende Ökobilanz. “Pro Passagierkilometer produziert ein typisches Kreuzfahrtschiff mehr als drei Mal so viele Treibhausgase pro Kilometer als eine Boeing 747. Grund dafür ist das Schweröl, mit dem die Schiffe unterwegs sind”, erklärt Greenpeace-Meeresbiologin Antje Helms http://greenpeace.at auf Anfrage von pressetext. (…)

Kommen wir mal lieber zu erfreulicheren Trends – wie dem, dass auch in Städtenimmer mehr Selbstversorgung via eigenen oder Gemeinschaftsgärten betrieben wird. Karmakonsum brachte vor kurzem eine Rezension des Buches „Gärtnern in der Stadt“ von Martin Rasper, das sich mit dieser Entwicklung befasst:

Nachdem das Buch deutlich gemacht hat, warum das Gärtnern gerade in Zeiten einer vernetzten Welt über die private Ebene hinaus auch eine sehr politische Angelegenheit ist, gibt es zu guter Letzt noch wunderbar nützliche Tipps für die eigene Umsetzung, die nachdem man dieses Buch gelesen hat, nicht lange auf sich warten lassen dürfte. Um mit den etwas schrägen Worte aus dem Buch zu schließen: „Vielleicht haben die Gärten sich vorgenommen, die Welt zu retten. Wir sollten sie dabei unterstützen.“

Übrigens, die Webseite gutenahrung.de hat eine interessante Infografik über die Essgewohnheiten der Deutschen veröffentlicht:

Nahrung und Ernährung Deutschland
Via: Gute Nahrung

Was täten wir nur ohne die „sozialen Netzwerke“ im Internet? Kaum etwas (vielleicht noch neben Ebay und Pornoseiten) hat dem Netz so zum Durchbruch bei der breiten Masse verholfen wie die Möglichkeit, sich mit seinen Freunden und virtuellen Bekannten zu vernetzen und auszutauschen. Claudia Klinger macht sich in „Von der Personalisierung des großen Gesprächs“ so ihre Gedanken über die möglichen (negativen) Folgen und Nebenwirkungen einer Facebook-„Gefällt mir“-Kultur:

(…) Ok, das kann und darf jeder machen, wie er mag. Erwähnenswert erscheint es mir, weil ich ja selber merke, dass das Kommentieren auf Blogs abgenommen hat, und dass sich immer mehr Menschen den andersartigen Strukturen der “Sozialen Netze” unterwerfen, um sich auszutauschen. Anders als Blogartikel und Foren sind Gespräche in diesen Netzen nicht nach Themen strukturiert, sondern entlang an Personen – eine grundstürzend ANDERE Situation mit Folgen für das “große Gespräch der vielen mit den vielen”, die kaum mal diskutiert werden.

Wenn Personen wichtiger werden als Themen

Eine Diskussion unter dem Original-Artikel im Blog des Verfassers ist ein duch Thema und Autor/in definier- und erinnerbarer “öffentlicher Ort”. Ein virtueller, jedoch beständiger Platz, der als Agora dienen kann, wo man sich den gemeinsamen Belangen widmet.

Wogegen in den sozialen Netzen nur chaotische Vernetzungen verschiedenster Individuen existieren, die vielfach “Things” (Artikel, Videos…) verlinken, wobei gelegentlich unter solchen Verlinkungen Gespräche entstehen. Gespräche, die aber niemals “alle” zu gleichen Bedingungen lesen können, denn A ist ja mit B, C und D vernetzt, wogegen ein User E es nicht mitbekommt, wenn er nicht auch A abonniert/eingekreist hat.

So ergeben sich geschichtslose Kurzzeit-Stimmfühlung-Partys, die binnen Stunden, spätestens Tagen aus der “Sicht” geraten. Letzteres gilt auch für die seltenen hochkarätigen Diskussionen – z.B. die kürzliche Diskussion über Urheberrecht, die ich jetzt nur wieder finden kann, indem ich in den Postings von Stefan Münz zurück blättere, durch dessen Hinweis ich sie fand. Wobei ich mich nur deshalb an die Herkunft der Info erinnern kann, weil ich Stefan seit den Anfängen des Webs kenne. Für die meisten meiner “Vernetzten” gibt es solche Erinnerungsstützen nicht. (…)

Dass Facebook auch ein Tummelplatz für Leute mit „aggressivem Narzissmus“ ist, vermeldet der Guardian: „Facebook’s ‘dark side’: study finds link to socially aggressive narcissism“ (mal ehrlich – geahnt haben wir das doch schon immer! :-) :

Researchers have established a direct link between the number of friends you have on Facebook and the degree to which you are a “socially disruptive” narcissist, confirming the conclusions of many social media sceptics.

People who score highly on the Narcissistic Personality Inventory questionnaire had more friends on Facebook, tagged themselves more often and updated their newsfeeds more regularly.

The research comes amid increasing evidence that young people are becoming increasingly narcissistic, and obsessed with self-image and shallow friendships. (…)

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Lesetipps: No Logo | Fußball als Täuschung | Prosumer | Produzieren ohne Geld

© colsart, stock.xchng

No Logo!“ – so lautet der Titel des globalisierungskritischen (modernen) Klassikers der amerikanischen kanadischen Schriftstellerin Naomi Klein. Und dieses Motto hat sich auch die taz zu eigen gemacht, unter dem die taz-Sportredaktion für zwei Wochen unterwegs ist – angesichts der immensen Zupflasterung von Sportlern, Arenen und Sportstätten mit Reklame und Sponsoren-Logos haben sie beschlossen, in der Zeit alle Werbehinweise auf Sportfotos auszupixeln, um den Blick wieder unverkleisterter auf das Wesentliche zu lenken: den Sport. (Okay, es ist sowieso klar, dass heutiger Profisport im Prinzip ein Wirtschaftsfaktor ist und es auch dort unter dem Strich nur noch um Profite geht – Fußballvereine werden wie Unternehmen geführt, Großkonzerne wie Red Bull kaufen sich gleich ihre eigenen Clubs, die primär als Ergänzung der sonstigen Werbestrategie dienen.)

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Fußball-WM: Sponsoren in der Kritik

© JR3, stock.xchng

Versprochen: heute wird das einzige Mal sein, dass ich in einem meiner Blogs die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika erwähne. Natürlich geht es mir nicht um das Sportliche, nicht mal um den Spektakel-Eventcharakter so eines Großereignisses (dazu ließe sich schon die eine oder andere Überlegung anstellen, beispielsweise wie süchtig unsere heutige Gesellschaft offenbar nach medial hochgeputschten Massenemotionen ist), sondern um die Durchkommerzialisierung durch die ewig gleichen Sponsoren. Denn wie schon vor 4 Jahren gehört z.B. Coca Cola zu den Hauptsponsoren, und wieviel, besser gesagt wenig Cola-Konsum mit Gesundheit und Sport zu tun hat, ist klar.

(EDIT: In der ZEIT findet sich der lesenswerte Artikel „Fußball-Weltmeisterschaft: Am Ende gewinnt immer die Fifa“, der isch ebenfalls kritisch mit dem ganzen Zirkus auseinandersetzt:

Alle sollen von der WM profitieren, versprach die Fifa den Südafrikanern. Das große Geschäft aber machen westliche Konzerne, asiatische Firmen und der Fußballverband selbst. […]

[…] Der Weltverband aus Zürich schützt seine milliardenschweren Sponsoren, deshalb darf außer ihnen niemand die Symbole, Slogans und Logos des Weltcups verwenden. “Wir haben sogar unsere Nationalflagge an die Fifa verkauft”, schimpft eine Kolumnistin. Eine Art “Markenpolizei” kontrolliert im geheimdienstlichen Stil, ob jemand das Vermarktungsmonopol verletzt. Die Handelskette Metcash musste sogar einen Lollipop aus den Regalen nehmen.

Es war ein kleiner Ball, auf dem 2010 stand. Ausländische Firmen verdienen dafür umso besser. Ein Großteil der Fähnlein, T-Shirts, Kappen, Bälle und all der anderen WM-Artikel wird billig in asiatischen sweatshops produziert und in Südafrika zu horrenden Preisen verkauft. Selbst Zakumi, der kleine grünhaarige Leopard, ist “Made in China”. Die Gewerkschaften drohten, das WM-Maskottchen zu boykottieren, weil es dem Gastland keinen einzigen Arbeitsplatz gebracht hat. […])

Johannes Pernsteiner von Pressetext Austria gab denn gestern auch eine interessante und passende Pressemeldung zu diesem Thema heraus: „Fußball-WM: Sponsoren im Kreuzfeuer der Kritik“, die ich hier ebenfalls veröffentlichen möchte:

Fußball-WM: Sponsoren im Kreuzfeuer der Kritik
Experten: “FIFA verpasst Chance, für gesundes Leben zu werben”

London/Georgia/Wien (pte/07.06.2010/13:45) – Der internationale Fußballverband FIFA hat sich mit der Auswahl seiner Sponsoren für die Fußball-WM in Südafrika ein Eigentor geschossen. So lautet die Kritik des World Cancer Research Fund WCRF http://www.wcrf.org, in deren Mittelpunkt besonders die Sponsoren Coca Cola, McDonalds und Budweiser stehen. “Würde die FIFA mit gutem Beispiel vorangehen und verkünden, dass sie künftig keine Sponsoren akzeptiert, die für ungesunde Produkte stehen, könnte das der Gesundheit der Menschheit starken Auftrieb geben”, so Teresa Nightingale, Geschäftsführerin der Organisation, gegenüber der BBC.

Verpasste Chance für Kampf gegen Übergewicht

Dass dem Fußball Sponsoren gut täten, die für Gesundheit und aktiven Lebensstil stehen, betont auch Andrea Hofbauer, Vorsitzende des Diätologenverbandes http://www.diaetologen.at gegenüber pressetext. “Fußball erreicht genau die breite Zielgruppe, die sonst nur schwer für Gesundheitsbotschaften angesprochen werden können. Es wäre gelebte Corporate Social Responsibility, wenn auch einzelne Verbände und Sportvereine, die teils bis zu Millionen Fans hinter sich haben, in ihren Grundregeln niederschreiben, dass sie für gesunde Werte stehen.”
Die Kritik sollte zum Nachdenken anregen, welchen Einfluss Werbung für Fastfood und gezuckerte Getränke auf Kinder hat, informiert der WCRF per Blogeintrag. Umgehend antwortete der Internationale Werbeverband IAA http://www.iaaglobal.org , dass Werbung meist nur marginalen Einfluss auf die Ernährung von Kindern habe. Doch selbst in diesem Fall sei, so die WCRF-Retourkutsche, schon ein kleiner richtiger Schritt wichtig, um etwa Übergewicht zu bekämpfen. Für die WM 2014 in Brasilien wird sich freilich noch wenig ändern, denn die Verträge der drei kritisierten Sponsoren reichen noch bis dorthin.

Fernsehwerbung zeigt zuviel Zucker und Fett
TV-Werbung allgemein ist jedoch eher ungesund. Forscher der Atlantic State University http://www.armstrong.edu haben aus 100 Stunden Fernsehprogramm die Werbungen für Nahrung herausgenommen, die Nährwerte der Produkte analysiert und berechnet, wie die tägliche Zufuhr von 2.000 Kalorien auf dieser Basis aussehen würde. Im Vergleich mit offiziellen Empfehlungen enthielt diese Kost 25mal zuviel Zucker und 20mal zuviel Fett, was fatal für Diabetes, Fettsucht und Herzkrankheiten wäre. Zudem erreichte sie nicht einmal die Hälfte der empfohlenen Menge an Gemüse, Obst und Milchprodukten.
Die Ernährungsexpertin Hofbauer gibt zu bedenken, dass das Fernsehen nicht nur über die Werbung auf das Essverhalten einwirkt. “Sehr viele Sendeformate enthalten Botschaften zur Ernährung, auch etwa Spielfilme oder Zeichentrickserien. Das ist ein Problem, kann aber auch eine Chance sein. Ruft etwa Sponge Bob ‘Lecker, es gibt Spinat!’, so hat das nachweisbar Einfluss auf Kinder”, so Hofbauer. Vorteilhaft sei es, wenn Massenmedien die Mündigkeit der Bürger für Nahrungsentscheidungen förderten. Diesbezüglich hofft die Expertin auch auf eine baldige Umsetzung der Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel.

Aussender: pressetext.austria
Redakteur: Johannes Pernsteiner
email: pernsteiner@pressetext.com
Tel. +43-1-81140-316

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