Mrz
01
2009
5

„Warum es zivilen Ungehorsam braucht, um unsere Allgemeingüter zu verteidigen“

vandana-shiva

Quelle: medico international

Die indische Trägerin des Alternativen Nobelpreises und bekannte Globalisierungskritikerin Vandana Shiva setzt sich in ihrer Heimat schon seit längerem für die Rechte der indischen Urbevölkerung und ein und kämpft gegen die sich immer weiter ausbreitenden, übermächtig wirkenden Großkonzerne, die dabei sind, den Globus unter sich aufzuteilen. Auf der Konferenz „Medico international“ hielt sie eine bemerkenswerte Rede über die Zustände in Indien und dem Rest der Welt vor dem Hintergrund dieser Konzernmacht und ihrer negativen Folgen für die meisten Menschen. Ihre Rede erschien vor einigen Tagen in der Neuen Rheinischen Zeitung (einem unabhängigen Nachrichtenportal für Köln & Umgebung) unter dem Titel „Wider die Angst: Satygraha. Warum es zivilen Ungehorsam braucht, um unsere Allgemeingüter zu verteidigen.“, hier ein paar Auszüge:

Die Herrschaft der internationalen Konzerne hat für die Menschen in Indien bereits Züge der totalen Kontrolle über Handel und Wirtschaft angenommen, so wie sie einst die East Indian Company ausübte. Damals hatten wir die East Indian Company, jetzt haben wir Saatguthersteller, Pharmamultis, chemische und biogenetische Bigplayer, die unser Land regieren.

Diktatur von fünf Konzernen
Immer deutlicher wird, dass das Gesundheitswesen und die Lebensmittelversorgung weltweit von fünf Konzernen bestimmt werden. Aus meiner Sicht ist das Diktatur und keine Wirtschaftsdemokratie. Ein Wandlungsprozess hat stattgefunden. Die Demokratie ist nicht mehr vom und für das Volk, sondern von und für die Konzerne. Wenn wir uns heute hier mit einer Neubestimmung von Solidarität beschäftigen, dann müssen wir mit dieser Herrschaft der Konzerne umgehen. Wenn wir darüber nicht reden, werden wir nicht die nächsten Schritte auf dem Weg zur Verteidigung unserer Freiheiten und zu unserer Befreiung bestimmen können.

(…) Meine Tätigkeit ist darauf ausgerichtet, dass Lebensgrundlagen nicht privatisiert werden, dass Bauern das Recht auf Reproduktion von Saatgut haben, dass wir pharmazeutische Produkte selbst herstellen können. Denn unsere eigenen Medikamente kosten hundertmal weniger als die der großen internationalen Unternehmen.

Wir befinden uns mitten in einer Lebensmittelkrise. Die Financial Times und das Wall Street Journal berichten von einem neuen Plan der Weltbank. Aber der neue Plan der Weltbank ist der alte Plan, der diese Ernährungskrise verursacht hat. Nun sollen unsere Steuergelder dafür eingesetzt werden, um genetisch verändertes Saatgut und Düngemittel noch höher zu subventionieren und um sie noch schneller im Süden einzusetzen. Subventioniert werden auch Suez, Vivendi und RWE, die ganz scharf darauf sind, jeden Tropfen Wasser zu privatisieren.

(…) Die Privatisierung von Wasser bringt Milliardenprofite. Ein ungeheures Geschäft mit einem existentiellen Bedürfnis der Menschen, das nun zu Marktpreisen befriedigt werden soll. Was Marktpreise bedeuten, wissen wir. Coca Cola stiehlt jeden Tag zwischen 1,5 und 2 Millionen Liter Wasser, jede einzelne Coca-Cola-Niederlassung nimmt sich ihr Wasser. Es brauchte den Mut einer Frau aus Kerala, die sich dagegen wehrte, dass sie jeden Tag noch mehr Meilen laufen musste, um an Trinkwasser zu kommen, während Coca Cola es einfach nahm und verschmutzt zurückließ. Sie hat zusammen mit weiteren zehn Frauen vor sechs Jahren eine Aktion zivilen Ungehorsams vor den Werkstoren von Coca Cola begonnen. Daraus entstand eine zivilgesellschaftliche Bewegung, der es am Ende gelang, die Schließung des Werkes zu erreichen.

(…) Eine der Illusionen, die sie uns verkaufen, ist, dass es mehr ökonomische Freiheit bringen würde, wenn wir wirtschaftliche Unabhängigkeit aufgeben. Sie ersetzen unsere Freiheiten als Arbeiter, als Angestellte, als Bauern, als Krankenschwestern, als Ärzte durch das Recht der Supermärkte, das Recht und die Freiheit zu kaufen. Wir werden zu Konsumenten reduziert. Der Konsumismus soll unsere Erfahrung der Freiheit sein und damit partizipieren wir am Katastrophenkapitalismus.

Unsere Allgemeingüter solidarisch verteidigen!
Der Konsumismus ist für unseren Planeten ein Krebsgeschwür im Endstadium. Er hat einen unstillbaren Appetit auf unsere Ressourcen und unsere Allgemeingüter, unsere Commons. Solidarität heißt deshalb heute, unsere Allgemeingüter auf lokaler und globaler Ebene zu verteidigen.

(…) Der letzte Widerstand ist der Widerstand gegen die Angst. Wir müssen klarmachen, dass wir nur die Gesetze anerkennen, die auf Gerechtigkeit und Ökologie basieren und nicht die der Konzerne. Solche Gesetze werden tagtäglich geschaffen, um unser Leben zu kontrollieren und uns davon abzuhalten, aktiv zu werden. Sie reduzieren uns auf die Angst.

Das ist Faschismus, das ist das endgültige Ende der Freiheit, die wir so sehr brauchen. Wir können uns nicht leisten, dass das Prinzip der Angst die Welt beherrscht, als letzter Weg, um eine Menschheit, die sich nach Freiheit, Gemeinsamkeit und Solidarität sehnt, zum Schweigen zu bringen.

[via Duckhome]

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Dez
18
2008
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Werbung gegen Realität, Teil 8: RWE

verschmutzung-_chimney_2Wer auf der Suche nach dreisten und schamlosen Reklamelügen ist, wird beim Klima-Lügendetektor regelmäßig fündig. Vor allem die besonders klimaschädlichen Industrien wie Energieversorger und Autobauer versuchen sich via Werbung nachträglich reinzuwaschen bzw. übles Geschäftsgebaren zu verschleiern.

Neuestes Beispiel: RWE. Am Werbeetat wird bei diesem Konzern traditionell nicht gespart, und so machte RWE unlängst mit einer Anzeige im Special der ZEIT zum 90. Geburtstag von Helmut Schmidt von sich reden, in der sie peinlich und platt von „Emissiönchen” schwadronierten – zu dumm, dass der International Herald Tribune just zuvor ein vernichtendes Urteil über den EU-Emissionshandel zog: „Polluter’s Windfall: Carbon into gold”. Ursprünglich sollten Luftverschmutzer wie die RWE Emissionsrechte ersteigern und so dazu angehalten werden, möglichst wenig CO2 auszustoßen. In der Praxis sieht diese hübsche Idee (die in Wirtschaftsbüchern auch als „Internalisierung externer Kosten” bezeichnet wird) leider nicht mehr so positiv aus, denn ein Großteil der Rechte werden den Konzernen geschenkt, wobei diese ihre Strompreise dennoch so berechnen, als müssten sie dafür zahlen. Dies darf man getrost als vom Bürger bezahlte Subvention an die Großindustrie bezeichnen.

Four years later, the carbon trading system has created a multibillion-euro windfall for some of the Continent’s biggest polluters, with little or no noticeable benefit to the environment so far.

After heavy lobbying by giant utilities and smokestack industries, which argued that their competitiveness could be impaired, the EU all but scrapped the idea of selling permits. It gave them out for free, in such quantities that the market came close to collapsing because of a glut.

But in line with the original strategy, utilities in countries from Spain to Britain to Poland still put a “market value” on their books for the permits and added some of that putative cost to the prices they charged industrial customers for electricity. And they did not stop there. In one particularly contentious case, regulators in Germany accused utilities of charging customers for far more permits than they were entitled to.

Nowhere was this behavior more evident than at RWE, a major German power company, which has acknowledged that it is the biggest carbon dioxide emitter in Europe. Bank analysts and environmental advocates estimate RWE had received a windfall of roughly €5 billion, or $6.5 billion at current exchange rates, in the first three years of the system, ending in 2007 – more than any other company in Europe.

Vor diesem Hintergrund sind Anzeigenkampagnen, wie RWE sie regelmäßig schaltet, sicherlich zynisch und erbärmlich zu nennen. Der Klima-Lügendetektor titelt dann auch süffisant „Millionen Tönnchen Emissiönchen”.

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