Mrz
29
2009
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Buchbesprechung: Robert W. McChesney, John Nichols „Unsere Medien? Demokratie und Medienkonzerne in den USA“

mcchesney-nichols-unsere-medienNicht immer muss ein Buch dick und schwer sein (wie z.B. Naomi Kleins Bestseller „No Logo!“ oder „Das neue Schwarzbuch Markenfirmen“) um zu beeindrucken. Schlank und elegant kommt beispielsweise „Unsere Medien? Demokratie und Medienkonzerne in den USA“ von Robert McChesney, John Nichols u.a. daher, veröffentlicht in der Open Media-Reihe des Verlags Schwarzerfreitag aus Berlin. Die Open Media-Reihe wurde ursprünglich Anfang der 90er Jahre in Amerika ins Leben gerufen, als Opposition zum ersten Golfkrieg, und konnte bislang auch Autoren wie Noam Chomsky (der auch zu diesem Buch einen Kommentar beisteuert) gewinnen.

Der Titel macht bereits klar, worum es den beiden Autoren in ihrem Buch geht – sie wollen eine Bestandsaufnahme der derzeitigen Entwicklung des Mediensektors in den USA bieten, die so oder in ähnlicher Form mittlerweile auch weltweit zu beobachten ist. Innerhalb weniger Jahrzehnte hat die Zahl der den Markt bestimmenden Konzerne von über 50 auf inzwischen nur noch 10 Big Player abgenommen. Solch eine Konzentration wäre auch auf anderen, „normalen“ Gütermärkten bereits bedrohlich und eine potentielle Gefahr für die freie Gesellschaft, aber gerade im Medienbereich, wo schließlich auch Meinungen gemacht und beeinflusst werden, ist dies mehr als nur eine latente Bedrohung der Demokratie.

McChesney (Professor an der University of Illinois) und Nichols (Korrespondent von The Nation) legen in ihrem dreigeteilten Werk (Teil 1: Analyse, Teil 2: Problembeschreibung/Unzufriedenheit und Teil 3: Aufbau einer Medienreform-Bewegung) den Finger sehr eindringlich auf mehrere Wunden, die sich diesbezüglich auftun. Die ursprüngliche Aufgabe der sog. „freien Presse“, die auch die Gründerväter der USA so in der Verfassung vorgesehen haben, war die Kontrolle derjenigen, die die politische Macht innehaben – sie sollte dazu dienen, „die Freiheit zu beschützen“, wie James Madison im 18. Jahrhundert schrieb.

Weit entfernt davon, die Zivilisation insgesamt zu stärken, liefert das Mediensystem, wie es zur Zeit in den Vereinigten Staaten opereriert, noch nicht einmal die Grundlagen für die Staatsbürgerschaft: Es beschützt nicht und dient nicht dem Allgemeinwohl. Es ist kein Mediensystem nach unserem Bedarf, aus unseren Händen oder in unserem Interesse – weil wir es heute nicht mit unseren Medien zu tun haben. Es sind deren Medien.

Doch wer sind sie? Eine Handvoll enormer Konglomerate, die sich die monopolistische Kontrolle über weite Teile der Medienlandschaft gesichert haben. Die Oligopole spotten der traditionellen Vorstellung einer freien Presse, in der jeder am freien Markt der Ideen teilhaben kann. Dabei werden die Monopole von Jahr zu Jahr erdrückender.

Wem dienen diese Medien? Zu allererst den Aktionären – große Medienunternehmen in den USA können hochprofitabel sein. Um diese Profitabilität aufrechtzuerhalten, dienen sie den Interessen der großen Konzerne, die weite Teie der Medien mit ihren Werbegeldern finanzieren. Um einer Regulierung im öffentlichen Interesse zu entgehen, dienen sie einer politischen Klasse, die sich revanchiert, indem sie den Medienkonzernen kostenlosen Zugang zu den öffentlichen Rundfunkfrequenzen gewährt und regelmäßig Grenzen der kommerziellen Kontrolle unserer Kommunikation einreißt. (…) Profit geht dabei immer vor Gesellschaft.

Bereits diese wenigen Absätze im vorderen Teil des Buches umreißen sehr gut, worin die Autoren die Probleme mit dem heutigen Mediensystem sehen – es dient primär kommerziellen Interessen und ist somit, auf Grund dieser Verquickung mit anderen Konzernen, weit davon entfernt, wirklich kritisch zu berichten. Diese mangelnde Kritik bewirkt aber nicht nur, Zuschauer und Leser primär als Zielgruppe für Konsum zu sehen, sondern lässt auch viele politische Geschehnisse, die eigentlich hinterfragt werden müssten, nahezu propagandistisch verbrämen.

Die Konzentration führt zu zwei zentralen Problemen: extreme Kommerzialisierung und Vernachlässigung des Dienstes am Bürger. Je besser die großen Medienkonzerne die Gesellschaften kommerziell durchdringen, desto weniger sind sie gewillt oder in der Lage, kreative oder redaktionell integre Inhalte zu erzeugen.

Ausführlich wird geschildert, wie diese Marktmachtkonzentration im Zeitungsbereich dazu führt, dass lokale Redaktionen nach und nach abgebaut und ausgedünnt werden, bis sie schließlich kaum noch in der Lage sind, kritisch zu recherchieren, sondern statt dessen PR-Meldungen etc. übernehmen, um ihr Blatt termingerecht füllen zu können. So etwas kann man ja auch hierzulande erkennen, wenn selbst honorige Zeitungen wie die FAZ Advertorials abdrucken; von Magazinen wie der Vogue, die eh nur aus Reklame und Produktlobhudeleien bestehen, ganz zu schweigen.

Die politische Kultur, die mit dem weltweiten Aufstieg des kommerziellen Mediensystems einhergeht, ähnelt immer mehr der der USA: An die Stelle informierter Debatten und eines kompletten Spektrums politischer Parteien treten ein leerer Journalismus und Wahlkämpfe, die von PR-Agenturen, Geld, schwachsinniger Werbung und eng begrenzten Debatten bestimmt werden. So entsteht eine Welt, in der der Markt und kommerzielle Werte die Demokratie und die Zivilkultur ersticken – eine Welt sich rasend ausbreitender Entpolitisierung, in der die wenigen Reichen immer weniger politische Hürden zu überwinden haben.

Glücklicherweise belassen es McChesney und Nichols nicht bei dieser bloßen Medienschelte, sondern stellen in dem Kapitel über den sich formierenden Widerstand gegen diese Form der Medienorientierung auch hoffnungsvolle Ansätze für wirklich freie Medien dar (denn wie „frei“ die Medienlandschaft z.B. in Deutschland ist, kann man sehen, wenn man sich die lange Liste der Produkte anschaut, die alleine Bertelsmann unter seinem Dach vereint). So gibt es in Schweden eine Partei, die auch das Verbot von Fernseh- und Radiowerbung in ihrem Programm hat (und immerhin bei Wahlen 10% der Stimmen erhält). In Neuseeland haben fortschrittliche Politiker eine Neuordnung des Rundfunks beschlossen, nach der Rundfunkfrequenzen öffentliches Eigentum sind, das die Bürger kontrollieren sollen – die Übernahme lokaler Stationen durch Großkonzerne wurde erschwert, der öffentliche Rundfunk ausgebaut etc. In Amerika selbst wird die Förderung des sog. „Mikroradios“ (nichtkommerzielle Gemeinderadiostationen) vorangetrieben und man versucht die Torpedierung dieser Projekte durch einige, den Medienkonglomeraten nahestehenden Teilen der Politik aufzuhalten.

Alles in allem ist „Unsere Medien?“ ein gleichermaßen erschreckendes, wie auch aufrüttelndes und Mut machendes Buch, das zudem leicht und locker zu lesen ist.

Robert W. McChesney, John Nichols „Unsere Medien? Demokratie und Medienkonzerne in den USA“, Schwarzerfreitag 2004, 151 S., 11,– €

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