Jul
10
2013
4

Prism, Tempora & Co. – das Ende der Privatsphärenillusion

Ja, okay, geahnt hat man so etwas vielleicht schon ein wenig. Also dass unsere sog. „Privatsphäre“ nicht ganz so privat ist. Und dass wir uns im Internet nicht unbeobachtet wähnen können. Dass Facebook oder Google (z.B. über Gmail) unser Surfverhalten protokollieren und speichern, ist ja auch schon länger bekannt. Das Ausmaß, in dem nun aber die Überwachungsprojekte Prism und Temproa von Amerikanern und Briten den gesamten Datenverkehr belauschen, ist schon beachtlich. Zu dem Thema ist von vielen Leuten schon so einiges geschrieben worden – in dem Zusammenhang muss man Spiegel Online tatsächlich mal lobend erwähnen; es werden sogar Anleitungen, wie man seine E-Mails fortan verschlüsselt (HIER, gegeben) –, deshalb möchte ich nur ein paar kurze Schlaglichter auf die Angelegenheit werfen.

Zu den gelungenen SpOn-Artikel zählt zum Beispiel „Überwachungsskandale: Alles, was man über Prism, Tempora und Co. wissen muss“ von Christian Stöcker und Judith Horchert:

(…) Die USA betreiben in etwa das, was in Europa Vorratsdatenspeicherung heißt. Nur nicht bei den Providern, sondern direkt bei der NSA. Und nicht befristet, sondern unbegrenzt. Diese Daten sind enorm aussagekräftig: Beziehungsgeflechte und Bewegungsprofile von Menschen lassen sich damit darstellen. Metadaten geben auch Antworten auf Fragen wie die, wer wann mit einem Journalisten gesprochen hat, welche Firmen miteinander im Gespräch sind – oder welche Politiker. (…)

(…) Der britische Geheimdienst GCHQ und die NSA kooperieren den geleakten Dokumenten zufolge im Rahmen eines Programms namens Tempora. In dessen Rahmen werden demnach derzeit 200 Glasfaserkabel angezapft, die von Großbritannien aus ins Meer führen, darunter vermutlich auch das aus Deutschland kommende TAT-14-Kabel. Dabei werden Inhalte bis zu drei Tage zwischengespeichert, Meta-, also Verbindungsdaten bis zu 30 Tage.

Außerdem speichert die NSA nach SPIEGEL-Informationen auch Telefon- und Internetverbindungsdaten aus Ländern rund um den Globus. Das Programm zur Auswertung dieser Verbindungsdaten heißt Boundless Informant (grenzenloser Informant). Im Fokus stehen dabei Regionen wie der Nahe Osten, Pakistan und Afghanistan. In Europa aber ist Deutschland das Land, in dem die NSA besonders viele Datensätze über Telefonate und Internetnutzung erfasst – bis zu 500 Millionen pro Monat. Wo und wie diese gewaltigen Datenmengen abgezweigt und wo sie gespeichert werden, ist bislang unklar. Für diese Daten gilt das Gleiche wie oben beschrieben: Sie sind sehr viel aussagekräftiger, als das auf den ersten Blick scheinen mag. (…)

Oder „Überwachungsskandal: Wer lesen kann, kann auch schreiben“, wiederum von Sascha Lobo:

Die Phalanx der Abwiegler, Herunterspieler und Ungerührten formiert sich. Ist doch nicht schlimm, wenn die Geheimdienste uns überwachen, sagen Sie. Dabei verkennen Sie die Dimension dessen, was uns droht: Wer Daten abzweigt, kann sie auch manipulieren.

(…) Für Prism- und Tempora-Verteidiger gibt es offenbar kein Zuviel an Überwachung, solange sie von der “richtigen” Seite ausgeht. Wirtschaftsspionage wird dabei bizarrerweise ausgeblendet, und zwar von exakt den Leuten, die sonst keine Gelegenheit auslassen, dem Standort Deutschland ein Tempelchen aus pathetischen Worten zu errichten.

Es geht bei diesem Grundrechteskandal nicht um konservative oder progressive Einstellungen und auch nicht mehr um die Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit. Die ausufernde Spionagemaschinerie ist keine Krise des Internets, sondern eine Krise der Demokratie, die sich am Internet entzündet hat. (…)

Und dieser Kommentar von Gregor Peter Schmitz ist ebenfalls lesenswert – „Obama und der NSA-Spähskandal: Der unheimliche Zuhörer“:

(…) Das wäre fatal. Gewiss, wir Europäer werden nicht schlagartig aufhören, bei Amazon zu shoppen, uns auf Facebook zu verbinden, mit Google zu suchen. Und doch drohen tiefe Risse im transatlantischen Verhältnis: Bürger, denen bereits vor amerikanischem Genmais graust, könnten noch lauter gegen ein geplantes Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA rebellieren, wenn sie auch noch um ihre Privatsphäre fürchten müssen. Frankreichs Präsident François Hollande, ohnehin kein Freund des Abkommens, schürte mit seiner scharfen Amerika-Kritik bereits gezielt solche Bedenken. (…)

Persönlicher und direkter geht Blogger Peter A. Rehbein im Schallgrenzen-Blog mit „Willkommen in der Realität – Datenschutz im Blümchenland“ zu Werke (der aber auch Verständnis für die Vorratsdatenspeicherung aufbringt):

(…) Geheimdienste machen so was, seit einigen jahren aber fast ohne Sinn und Verstand. Geheime Dokumente belegen, dass die NSA seit Jahren gewaltige Mengen an E-Mail-Daten sammelt und analysiert. In Zukunft sollen es noch viel mehr werden. Und so einiger Sache werden wieder klar wie Kraftbrühe. Für die USA ist die ganze Welt Feindesland und Angriffsziel. Abgesehen von ein paar befreundete englischsprachigen Staaten erster Güte (siehe auch Echolon via Wikipedis) ist niemand allein. Und es wird immer deutlicher, die angebliche Terrorbekämpfung als Grund der gigantischen Abhöraktion ist erstunken und erlogen. Die nun belegte Überwachung der Europäischen Union oder eines Gipfeltreffens der wichtigsten Nationen der Welt hat mit Terrorbekämpfung null zu tun. Nichts gegen Terrorismusbekämpfung, aber diesemArgumentation von NSA und amerikanischen Regierung stimmt vorne und hinten nicht. Industriespionage! Hoheit über alle Informationen dieser Welt! Das sind die wahren Gründe. Wütend macht auch, das unsere Regierung, insbesondere Mutti und der ansonsten so scharfe Innenminster Friedrich (demnächst wird er sich in den USA neue Order (Neudeutsch Briefing) abholen) den Ball flach halten anstatt gegen diesen Angriff in schärfster Form zu protestieren und noch wichtiger, technische Gegenmaßnahmen in die Wege zu leiten. Warum auch? Mit Sicherheit weiß der BND (oder die Leute dort sind struntzdoof) genau Bescheid.Europaparlament belegte schon 2001: Politisch Verantwortliche müssen von Überwachung gewusst haben. (…)

Ausgerechnet vom Stern stammt einer der flammendsten Aufrufe, sich gegen diese ganzen Zumutungen zur Wehr zu setzen – „Jetzt empört Euch endlich!“:

(…) Hallo? Deutschland? Ist jemand zu Hause? Das hier ist gerade eine historische Zeit. Nicht so schillernd und toll wie die Widervereinigung. Eher ein dunkler, modriger Moment Zeitgeschichte. Und wir machen nichts. Ein bisschen Empörung auf Twitter, Protest light via Facebook. Verbrüderung mit Snowden und ansonsten andächtiges Schweigen. Geht’s noch?

Nie gab es in Deutschland einen breiteren Angriff auf die Grundrechte. Freiheit? Die haben sich die Geheimdienste genommen, nämlich pauschal alle unter Generalverdacht zu stellen und alles zu scannen, was sie erwischen können. Vorratsdatenspeicherung im XXL-Volumenpaket. Höchste Zeit also sich zu empören. Aufzustehen. Stopp zu rufen. Allen voran die Politiker, die diesen Rechtsstaat auch schützen sollen. Doch die Reaktionen aus dem Kanzleramt und dem Innenministerium tröpfeln wie ein defekter Wasserhahn. Man müsse Fakten prüfen, es gehe um Verhältnismäßigkeit. Bitte? Hier wäre der Platz gewesen, um zu intervenieren, klar Stellung zu beziehen. Von mir aus auch mal mit der flachen Hand auf den Tisch zu hauen. Das ist kein Wahlkampfsscharmützel, das ist ein überdeutlicher Angriff auf die Freiheit der Bürger. Eurer Bürger, liebe Regierung. Aber vielleicht kommt der Termin so kurz vor den Sommerferien auch echt ungelegen.

Trauriger Fakt: Wir tun ja auch nichts. Dieser Text hier steht, natürlich, im Internet. Ich telefoniere, verschicke SMS, surfe und gurke durch die sozialen Netzwerke – alles wie immer. Warum sind wir nicht längst auf der Straße? Weil die Regierung auch wartet – auf den Bus, eine Lösung, den Sommerurlaub? Haben wir uns anstecken lassen von der merkelschen Lethargie? (…)

Klar ist – ob nun schwarz-gelb durch schwarz-rot oder schwarz-grün ersetzt wird im September, wird nichts an den ganzen Geschichten ändern. Zumal insbesondere CDU, SPD und auch die FDP (und in gewissem Ausmaß die Grünen) in den letzten Jahrzehnten wenig Probleme damit hatten, die Überwachung der Bürger durch entsprechende Gesetze weiter voranzutreiben, wie diese Grafik der Piratenpartei anschaulich zeigt:

Hier hilft also auch nur das Motto „Selbst ist der Mann/die Frau“ – auf der Website prism-break.org findet Ihr eine umfassende Auflistung von Alternativen zu Internetsoftware großer Konzerne und auch für Programme zur Verschlüsselung u.ä..

Andererseits, wenn die Meldung des Postillon wahr werden sollte, hat das ganze Abhören auch sein Gutes – denn die Gema will Gebühren auf mitgeschnittene Telefongespräche erheben, was gerade die Vieltelefonierer unter uns reich werden lassen könnte ;-):

(…) Karlsruhe begründete die Entscheidung kurz und knapp. “Wo ein Mitschnitt ist, ist auch ein Urheber”, lautet der Urteilsspruch. “Dessen Rechte macht – wie auch bei anderen Tonträgern – die GEMA geltend.”
Die GEMA begrüßte das Urteil und will sich nun umgehend an die Arbeit machen. “In einem Ferngespräch per Telefon oder Skype steckt eine Menge Mühe. Diese Mühe soll nicht umsonst gewesen sein”, heißt es auf der Webseite der Gesellschaft. (…)

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Lesetipps: Die Facebook-Krake | Privatisierung ist oft teuer | Windows 7-Sünden

via elfpunkt.net

Es wird Zeit für ein Geständnis – ja, ich bin seit einer ganzen Weile bei Facebook. Aber ich weiß gar nicht mehr, warum. Lange Zeit habe ich dieses „soziale Netzwerk“ komplett abgelehnt und ignoriert, irgendwann habe ich mich dann (aus Neugier? Weil ich durch andere überredet wurde? Keene Ahnung) doch mal dazu herab gelassen, mich dort anzumelden, allen negativen Schlagzeilen bezüglich mangelnder Privatsphäre bzw. Facebooks laxem Umgang mit dem Datenschutz zum Trotz. Es verging wieder eine ganze Weile, bis ich dort auch mal was „machte“, also vor allem Links postete oder die von anderen kommentierte. Es kann halt schon ganz lustig sein, sich da herumzutreiben und zu sehen/lesen, was andere (Freunde, Bekannte) so posten und machen.

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Google – Big Brother im Internet?

Die WDR-Sendung markt brachte am Montag einen interessanten Beitrag über unser aller angegriffene Privatsphäre im Internet, die vor allem Datenkraken wie Google bedrohen, aber auch viele Benutzer selbst, indem sie auf sozialen Netzwerken bereitwillig private Informationen freigeben. „Google – Big Brother im Internet?“ fragt der Bericht und zeigt Erschreckendes, das mir in dem Umfang auch noch nicht komplett bekannt war.

(…) Das Internet bietet einen fast unbegrenzten Zugriff auf Informationen. Wer sie nutzt, verrät aber zunehmend auch Informationen über sich selbst. Vor allem der Suchmaschinenanbieter Google, der mittlerweile neben der reinen Suchfunktion verschiedenste Dienste anbietet, hat das Sammeln von Informationen über seine Nutzer zur Perfektion entwickelt. Wer seine Privatsphäre schützen und sich vor digitalen Nachstellungen schützen will, muss das Internet mit Bedacht nutzen. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Auch andere Onlinedienste und Suchmaschinenbetreiber speichern Daten. Google betreibt zwar die – soweit bekannt – größte Datensammlung, aber ganz sicher nicht die einzige. (…)

(…) Die Bilderkennung Googles – derzeit noch in der Pilotphase – funktioniert bislang nur mit Handys, in denen Googles Betriebssystem Android steckt. Der Nutzer fotografiert ein beliebiges Produkt und lädt es auf den Google-Server. Der erkennt es und liefert die entsprechenden Suchergebnisse. Wer etwa die Weinflasche fotografiert, die ein Gastgeber gerade serviert hat, kann so von Google erfahren, was diese Weinflasche kostet und wo sie gerade im Sonderangebot zu haben ist. Das klingt vergleichsweise harmlos. Doch diese Technik ist auch für die Gesichtserkennung fertig entwickelt. Wer die neueste Version von Googles Fotoverwaltungssoftware Picasa herunterlädt, kann die Gesichtserkennung schon testen. Sobald der Nutzer zu einem Gesicht einen Namen eingegeben hat, findet die Software jedes Foto, auf dem dieses Gesicht zu sehen ist. Diese Technologie lässt sich problemlos auch auf alle im Internet vorhandenen Fotos anwenden: Zu einer Person, deren Foto bei Google hochgeladen wurde, findet Google dann jedes andere im Internet vorhandene Foto, auf dem diese Person zu sehen ist – oder auch jede andere Information, die zu dieser Person im Internet zu finden ist. Dass dadurch Persönlichkeitsrechte verletzt werden können, ist auch Google aufgefallen. Deshalb wird dieser Dienst für Onlinebilder noch nicht angeboten. Doch auch wenn der führende Suchmaschinenbetreiber diese Technik dauerhaft in der Schublade hält, wird sie früher oder später sicher von einem anderen Anbieter genutzt werden. (…)

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Widerstand gegen Google Streetview

Während das neue BKA-Gesetz ja nun im Bundesrat zu scheitern droht (ein Glück!), die elektronische Gesundheitskarte mit all ihren unabschätzbaren Folgen für den Datenschutz herannaht und man in vielen kritischen Blogs den Stasi 2.0-Button mit Schäuble-Silhouette findet. rücken die Daten der Bürger auch von ganz anderer Seite her ins Licht der Öffentlichkeit. Zum einen stellen viele Menschen ganz freiwillig und offenbar ohne weitere Bedenken ihre kompletten Lebensentwürfe ins Internet, auf Blogs z.B. oder in die „social networks” wie Facebook, Myspace und Flickr, auf dass die ganze Welt über die letzten Partyerlebnisse informiert werde.

Und zum anderen ist Google dabei, die komplette Welt zu digitalisieren. Der neueste Clou – Google Streetview. Hier werden in den Metropolen der Welt die Straßen aus Autos heraus fotografiert und anschließend im Netz veröffentlicht, so dass man einen gemütlichen virtuellen Straßenbummel in fernen Städten unternehmen kann. Das ist zwar zunächst ein schöner Gag, allerdings sind auf Googles Bildern viele Details zu erkennen, die auch Unbefugten (z.B. Einbrechern) fortan zugänglich sind. Dagegen hat sich unlängst das norddeutsche Molfsee zur Wehr gesetzt (allerdings wäre das Dorf eh nie digitalisiert worden, da es für Google zu unbedeutend ist), und jetzt hat das schleswig-holsteinische Datenschutzzentrum ein Plakat entworfen, das man in den Garten stellen kann und das Google signalisiert, dass die Digitalisierung des eigenen Grund & Bodens nicht erwünscht ist.

Mehr dazu auch HIER.

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