Feb
12
2012
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Lesetipp: Total vergnügt. Die Eventisierung der Städte

Langjährige Leser meines Blogs – und/oder diejenigen, die das Buch „Culture Jamming“ von Kalle Lasn gelesen haben – wissen, dass das Thema Verödung/Veränderung der Stadt durch Reklame und Kommerz einem unumgänglich begegnet, wenn man sich mit Konsumkritik und der kritischen Hinterfragung der Entwicklung des öffentlichen Raumes beschäftigt. So habe ich auch schon früher beklagt, dass die pestilenzartige Ausbreitung der großen Handelsketten, bei gleichzeitiger Verdrängung gewachsener Strukturen und individueller Angebote, zu einer Monoformisierung der (Innen-)Städte führt die langweilig ist und zu einer weiteren Marktmachtkonzentration führt. Zum anderen, und das ist vielleicht noch gefährlicher, wird immer mehr öffentlicher Raum privatisiert und damit einer demokratischen Gestaltung entzogen. In Einkaufszentren herrschen die Regeln der Betreiber, so dass Proteste oder kritische Äußerungen unerwünscht oder sogar verboten sind und aus solchen Malls verdrängt werden. Siehe dazu auch meinen Beitrag „Die Stadt in der Stadt – Wie Einkaufszentren Innenstädte zerstören“.

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Jan
30
2012
6

Werbung am Rande der Apokalypse (5. und letzter Teil)

So, und heute kommt dann endlich der letzte Teil meiner Übersetzung des Artikels „Advertising at the Edge of the Apocalypse“ von Prof. Sut Jhally über die fatalen Folgen der Reklame (und unseres auf Wachstum basierenden Wirtschaftssystems) auf unsere Gesellschaft. Teil 1 findet Ihr HIER, Teil 2 HIER, Teil 3 HIER und Teil 4 HIER.

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Die Vorstellung von einer anderen Zukunft

Vor über 100 Jahren beobachtete Marx, dass es zwei Richtungen gab, die der Kapitalismus nehmen konnte: in Richtung eines demokratischen „Sozialismus“ oder einer brutalen „Barbarei“. Sowohl langfristige wie auch aktuelle Erkenntnisse scheinen darauf zu deuten, dass wir die zweite Richtung eingeschlagen haben – außer es gelingt uns, schnell alternative Werte zum Tragen zu bringen.

Viele Leute dachten, dass die Umweltkrise der Dreh- und Angelpunkt für das Nachlassen internationaler Spannungen sein könnte, weil wir unsere Abhängigkeit und unsere kollektive Sicherheit und Zukunft auf dem Spiel sahen. Aber wie die Irak-Kriege deutlic machten, wird die Neue Weltordnung auf der Basis des Kampfs nach knappen Ressourcen gebildet. Bevor die Propaganda die Gründe zum „Kampf für Freiheit und Demokratie“ verschob erinnerte George Bush die Amerikaner daran, dass die Truppen in den Golf geschickt werden, um die Ressourcen zu schützen, die „unsere Lebensweise“ zu beschützen. Eine Automobilkultur, die so wie die unsrige auf Produkten basiert, hängt unweigerlich von billigen Ölquellen ab. Und wenn die Kosten dafür 100.000 tote Iraker sind, dann muss das halt so sein. In solch einem Szenario werden die Menschen der Dritten Welt als Feinde angesehen, die unsinnige Ansprüche auf „unsere“ Ressourcen erheben. Die Zukunft und die Dritte Welt kann warten. Unsere kommerziell dominierter Kulturdiskurs erinnert uns jeden Tag mit Macht daran, dass wir alles sofort brauchen. In diesem Sinne ist der Golfkrieg eine Vorschau auf das, was kommen wird. Wenn der Welt die Ressourcen ausgehen, werden die stärksten militärischen Kräfte aktiviert, um den Zugang sicherzustellen.

Die destruktiven Aspekte des Kapitalismus (seine kurzfristige Ausrichtung, das Leugnen kollektiver Werte, die einseitige Betonung des Materiellen) werden inzwischen auch von einigen Menschen erkannt, die ihr Vermögen mit Hilfe des Marktes gemacht haben. Der zum Philantropen mutierte Milliardär George Soros sprach 1997 über die „kapitalistische Bedrohung“ und in bezug auf die Kultur ist die Werbung die Hauptstimme dieser Bedrohung. In dem Maße, wie sie uns in Richtung materieller Dinge zur Befriedigung und weg vom Aufbau sozialer Beziehungen lenkt, schiebt sie uns den Weg zu steigender wirtschaftlicher Produktion entlang, die die kommende Umweltkatastrophe befeuert. In dem Maße, wie Reklame über unsere individuellen und privaten Bedürfnisse spricht, drängt sie Diskussionen über kollektive Themen an die Ränder. In dem Maße, wie sie nur von der Gegenwart erzählt, erschwert sie das Denken über die Zukunft. In dem Maße, wie sie all diese Dinge tut, wird Werbung zu einem Haupthindernis für das Überleben unserer Spezies.

Um aus dieser Situation herauszukommen und neue Sichtweisen auf die Welt zu entwickeln, wird viel Arbeit erfordern, und eine Antwort könnte einfach sein, das Ende der Welt mit einem letzten großen Knall zu genießen, die Party, um alle Partys zu beenden. Die alternative Lösung, die Situation zu ändern, für humane, kollektive Langzeitwerte zu arbeiten, wird einen erheblich größeren Aufwand bedeuten.

Und es gibt Anzeichen dafür, hoffnungsvoll auf die Ergebnisse eines solchen Versuchs zu sein. Es ist wichtig, hervorzuheben, dass der Aufbau und Erhalt der momentanen Struktur der Konsumentenkultur erheblichen Aufwand und viel Mühe erfordert. Der Grund, dass die Konsumentenweltsicht die Welt dominiert, liegt darin, dass tagtäglich Millarden von Dollar dafür ausgegeben werden. Die Konsumentenkultur wird nicht einfach errichtet und läuft dann von alleine. Sie muss durch die Aktivitäten der Reklameindustrie und in zunehmenden Maße der PR-Industrie aufrechterhalten werden. Der Kapitalismus muss sich sehr anstrengen, um uns vom Wert der kommerziellen Vision zu überzeugen. In gewissem Sinne ist der Konsum-Kapitalismus ein Kartenhaus, das auf zerbrechliche Weise durch immense Anstrengungen zusammengehalten wird, und er kann genauso leicht dahin schmezen wie er zusammengehalten wird. Es wird davon abhängen, ob es überlebensfähige/gangbare Alternativen gibt, die die Menschen motivieren, an eine andere Zukunft zu glauben; davon ob es andere Ideen gibt, die genauso angenehm, kraftvoll, spaßig und leidenschaftlich sind, mit denen sich die Menschen identifizieren können.

Ich denke an dieser Stelle an die Arbeiten von Antonio Gramsci, der den berühmten Satz „Pessimismus des Intellekts, Optimismus des Willens“ geprägt hat. „Pessismismus des Intellekts“ heißt, dass man die Realität unserer gegenwärtigen Umstände erkennt, die gewaltigen Machtfelder, die gegen uns sind, analysiert – aber auf die Möglichkeiten und die moralische Erwünschtheit eines sozialen Wandels zu bestehen, ist der „Optimismus des Willens“; in menschliche Werte zu glauben, die eine Inspiration für uns sein werden, sich für unser Überleben einzusetzen.

Ich will nicht zu naiv in Bezug auf die Möglichkeiten eines sozialen Wandels sein. Es muss nicht nur für gemeinsame Werte gekämpft werden, sondern gemeinsame Werte, die individuelle Rechte und individuelle Kreativität berücksichtigen. Es gibt bereits viele repressive Bewegungen, von unseren eigenen christlichen Fundamentalisten bis hin zu den islamschen Eiferern der Taliban in Afghanistan. Die Aufgabe ist nicht einfach. Sie beinhaltet, viele verschiedene Weltanschauungen auszubalancieren und zu integrieren. Wie Ehrenreich schreibt:

Können wir uns eine Gesellschaft vorstellen, die „Kollektivität“ nicht mit den drögen Konsequenzen von Konformität verbindet, sondern mit etwas, das ich nur „Konvivalität“ („convivality“) nennen kann, welche möglicherweise direkt in die soziale Infrastruktur eingebaut werden kann, mit der Möglichkeit, demokratische Beteiligung auf allen Ebenen zu belohnen? Können wir uns eine Gesellhaft vorstellen, die Individualismus nicht verachtet, sondern individuelle kreative Ausdrucksformen, wie auch Regimekritik, Debatten, Nonkonformität, künstlerische Experimente und im weitesten Sinne Abenteuer, wirklich wertschätzt? Das Projekt bleibt das gleiche wie seit jeher: die Konsumentenkultur durch eine wirklich humanen Kultur zu ersetzen. (Ehrenreich 1990, S. 47)

Die Einsätze sind wirklich zu hoch für uns, um uns nicht mit den realen und dräuenden Problemen zu befassen, denen wir uns als Spezies gegenüber sehen – eine progressive und menschenwürdige gemeinsame Lösung für die globale Krise zu finden und unseren Kindern und zukünftigen Generationen eine Welt zu sichern, auf der eine wirklich humanes Leben möglich ist.

Literatur:

  • Commoner, Barry (1971) The Closing Circle; nature, man and technology Knopf, New York
  • Ehrenreich, Barbara (1990) “Laden with Lard” ZETA, July/Aug.
  • Durning, Alan (1991) “Asking How Much is Enough” in Lester Brown et. al. State of the World 1991 Norton, New York.
  • Heilbroner Robert (1980) An Inquiry into the Human Prospect: Updated and Reconsidered for the 1980s Norton, New York.
  • Leiss, William (1976) The Limits to Satisfaction Marion Boyars, London.
  • Leiss, William, Stephen Kline and Sut Jhally (1990) Social Communication in Advertising (second edition) Routledge, New York.
  • Marx, Karl (1976) Capital (Vol 1), tr. B. Brewster, Penguin, London.
  • Nelson, Joyce (1983) “As the Brain Tunes Out, the TV Admen Tune In” Globe and Mail
  • McKibben, Bill (1989) The End of Nature Randon House, New York.
  • Scitovsky, Tibor (1976) The Joyless Economy Oxford University Press, New York
  • Soros, George (1997) “The Capitalist Threat” in The Atlantic Monthly February.

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Jan
06
2012
5

Konformität – wem gehört mein Leben?

Es tut mir leid, dass ich heute wieder nur mit einem kurzen Lesehinweis abspeisen muss, aber mein Blogschreibe-Elan ist gerade etwas erlahmt. Vielleicht bringt das neue Jahr wieder etwas mehr Schwung! Auf jeden Fall bringt es den Artikel „Konformität – wem gehört mein Leben?“, der auf weeyoo.de erschienen ist und eine interessante Betrachtung des Phänomens Anpassung etc. bringt. Dies passt auch sehr gut zum Grundthema meines Blogs, weil Konformität und Konsum in der heutigen Zeit eng miteinander zusammen hängen bzw. das eine Ausdruck des anderen ist. Ich empfehle auf jeden Fall, wie üblich, die Lektüre des gesamten Artikels!

(…) Haben wir nicht gerade durch den Kapitalismus scheinbar unbegrenzte Wahlmöglichkeiten, können uns alle ein ganz individuelles Lebenskonzept zusammenschustern, jenseits von überkommenen Traditionen und Verhaltensregeln? Einerseits schon. Andererseits, so argumentiert der Sozialpsychologe Erich Fromm in seinem “Die Kunst des Liebes” von 1956, mache der Kapitalismus die Menschen austauschbar. Maßgeblich beteiligt sei die Arbeitsteilung. Sie führe zum Verlust der Individualität und der Ganzheit des Menschen. Man vergleiche: Einen Menschen, der einen Stuhl in liebevoller Handarbeit und mit Detailfreude herstellt, ihn vielleicht sogar hübsch bemalt – und einen Menschen, der in der Fabrik eines großen Möbelhauses 373 Stuhlbeine pro Tag an einen vorgefertigten Sitz schraubt. Welcher von ihnen lebt mehr Individualität? Wer kann sich mehr ausdrücken und wer empfindet mehr Befriedigung beim Anblick seines fertigen Produktes?

Zu keiner Zeit des Jahres wird der erzwungene Konformismus durch den Kapitalismus spürbarer als zu Weihnachten. Verzweifelt, gestresst und missmutig schlittern wir durch die Straßen, um Geld auszugeben, das wir eigentlich nicht haben – Strom-, Gas- und sonstige Betriebskostenabrechnung sei Dank. “Ich muss noch was für Papa finden” – dieser Satz kann uns wochenlang beschäftigen und in Atem halten. Obwohl Papa doch schon alles hat, was man sich wünschen kann und wenn etwas Neues auf den Markt käme, könnte er es sich im Handumdrehen selbst kaufen. “Aber ich MUSS…”

Konsumfreudig und stromlinienförmig soll er sein, der Mensch im Kapitalismus. Den Lieben selbstgemalte Bilder zu Weihnachten schenken? Geht nur, wenn man höchstens acht Jahre alt ist oder ein direkter Nachkomme Picassos. (…)

(…) So viele unserer großen und kleinen Entscheidungen legen wir in die Hände anderer Menschen und das meiste davon fällt uns noch nicht einmal auf. Weil wir bestimmte Denkmuster von der Masse übernommen haben, die unser Verhalten begründen oder zumindest rechtfertigen. Die superbilligen T-Shirts, gefertigt vermutlich von Kinderhänden irgendwo in Indien – man muss ja mit der Mode gehen. Der Job, den wir eigentlich hassen und der uns innerlich zu Grunde richtet. Irgendwie muss man ja schließlich Geld verdienen. (…)

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Dez
22
2011
22

Moral an der Ladentheke

Also dieses Radiofeuilleton von Deutschlandradio Kultur passt ja nun wirklich perfekt sowohl zu meinem Blog wie auch zum aktuellen KonsumWeihnachtsfest – „Wie steht es um unsere Moral an der Ladenkasse?Teil 1 als mp3, Teil 2 als mp3

Weihnachten naht und damit die Konsumschlacht schlechthin. Die Geschäfte fahren in dieser Zeit ihre höchsten Gewinne ein. Aber Weihnachten ist nur ein Beispiel für unsere auf Konsum ausgerichtete Welt: Wir shoppen in jeder Lebenslage, Einkaufscenter und Discounter boomen. Gleichzeitig wächst die Zahl derer, die sich den Billigprodukten verweigern und auf Nachhaltigkeit setzen.

“Grundsätzlich ist jeder Einkaufsakt politisch. Jeder Konsument stimmt an der Kasse ab, ob moralisch oder nicht”, sagt der Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Ludger Heidbrink. Auch, wenn man nicht darüber nachdenke, wo und was man kaufe – die Folgen seien letztlich politisch – denn sie gipfelten in der Frage, welche Geschäfte überleben, bis hin zu den Herstellungsbedingungen der Waren.

Dem Direktor des Center for Responsibility Research am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen geht es nicht darum, den totalen Konsumverzicht zu predigen, sondern “von einem quantitativen zu einem qualitativen Konsum zu kommen. Wenn man sich diese Malls anschaut, was die Leute dort anstellen: Sie konsumieren nicht, sie kaufen. Wir leben in einer Kaufgesellschaft!”  (…)

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Dez
05
2011
10

Angefüttert – Fernsehwerbung und ihr schädlicher Einfluss auf die Gesundheit von Kindern

Dass ich eine sehr skeptische bis kritische Haltung dem Treiben der Reklameindustrie gegenüber habe, dürfte ja mittlerweile bekannt sein. Ich frage mich immer wieder, wie diejenigen, die in dieser Branche arbeiten, es mit ihrem Gewissen vereinbaren können, Kampagnen für schlimmste Firmen und übelste Produkte zu konzipieren, in denen der Verbraucher bewusst getäuscht wird. Hauptsache Geld verdienen düfte da das Motto sein… Besonders schämen sollten sich auch all die Marketingfuzzis, die ihre Kreativität und Energie in Werbung für Kinder stecken und somit mit dafür sorgen, dass nicht nur eine frühe (und in meinen Augen abartige und schädliche) Marken- und Konsumprägung stattfindet, sondern auch die Gesundheit der Kinder angegriffen wird. Und man komem mir nicht mit der fadenscheinigen Ausrede, dass doch die Eltern für die Entwicklung ihrer Sprösslinge verantwortlich seien und man deshalb seine Hände in Unschuld wasche und nur unverbindlich „Verbraucherinformationen“ biete – schließlich versucht die Reklamebranche alles, um die Autorität der Eltern zu untergraben und damit ihre Produkte an den Erziehungsberechtigten vorbei ins Bewusstsein der zukünftigen Kundschaft zu hieven. Das ist zwar der perversen Logik des Marktes nach sinnvoll, gesamtgesellschaftlich jedoch fatal.

Just um dieses Thema ging es auch neulich in der 3sat-Sendung Nano, die in „Zielgenau platziert“ aufzeigte, welche Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder die skrupellose Bewerbung von Ungesundem im Fernsehen hat – zwar sagt einem das auch bereits der sogenannte gesunde Menschenverstand, aber es ist doch auch immer wieder schön, das von anderer Seite bestätigt zu bekommen. Leider wird hierzulande vom Gesetzgeber kaum zu erwarten sein, dass, wie es in einigen skandinavischen Ländern inzwischen üblich ist, strengere Regeln für Reklame oder sogar ein Verbot für solche Kampagnen eingeführt werden, und die Konsumenten selbst sind oft genug zu unkritisch oder zu passiv, um den Firmen für ihr Treiben Feuer unterm Hintern zu machen. Auch wenn der Fernsehbeitrag nur auf die direkten gesundheitlichen Folgen (und nicht die psychischen durch die Dauerbestrahlung mit Konsumbotschaften) hinweist, so freue ich mich doch, dass die Schädlichkeit von Reklame auch in den Medien mal thematisiert wird.

Zielgenau platziert
Werbung für Süßigkeiten im Kinderprogramm

“Alles spricht für eine bewusste Platzierung der Werbung im Umfeld von Kindersendungen”, sagt Tobias Effertz vom Institut für Recht der Wirtschaft in Hamburg.
Die meisten Werbespots würden gerade im Kinderprogramm geschaltet, zudem sei der Inhalt auf diese Zielgruppe abgestimmt. Kinder in Deutschland sehen so mehr als 12.000 Werbespots, deren jeder fünfte für Lebensmittel wirbt. Dabei, zeigt seine Auswertung von 16.000 Spots in 613,5 Stunden Sendezeit, gehe es bei 73 Prozent der Werbung um Nahrungsmittel mit “geringem Gehalt an Nährstoffen” und hohem Antiel von Fett und Zucker. Damit schneide Deutschland im Vergleich unter neun westlichen Industrieländern sowie China und Brasilien am schlechtesten ab.

In einer EU-weiten Selbstverpflichtung hatten sich elf Firmen verpflichtet, auf Werbung zu verzichten, die Kinder unter zwölf Jahren anspricht. Aber: “Die Situation hinsichtlich der auf Kinder gerichteten Werbung für ungesunde Lebensmittel ist trotz der freiwilligen Selbstverpflichtung der Industrie schlechter geworden”, sagt Effertz. Der Anteil an Werbung für ungesunde Lebensmittel habe in einzelnen Sendern sogar noch zugenommen. 2010 hat Effertz, seinerzeit noch an der schwedischen Uni Göteborg, gezeigt, dass Kinder auf Werbung ansprechen.

Bereits 2007 ist ein Team der Universität Liverpool im Experiment zu gleichem Ergebnis gekommen: Es hatte 60 Kindern im Alter von neun bis elf Jahren Werbeblöcke für Lebensmittel oder für Spielzeug gezeigt. Nach der Essenswerbung verzehrten die Kinder rund zwei Mal so viel an Snacks und Süßem wie nach der Spielzeugwerbung. Übergewichtige und fettleibige Kinder erwiesen sich dabei als noch anfälliger für die Verführungen des Bildschirms. Während die Kinder mit Normalgewicht ihre Nahrungsaufnahme um 84 Prozent steigerten, aßen die übergewichtigen Kinder um 101 Prozent, die Fettleibigen um 134 Prozent mehr.

Demgegenüber sagt Andrea Moritz vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), dass Werbung bei der Entstehung von Übergewicht überhaupt “keine wissenschaftlich belegte Rolle spielt”. 600 Millionen Euro lässt die Industrie sich die Werbung für Süßigkeiten kosten.


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Nov
09
2011
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Das Umundu Festival für nachhaltigen Konsum in Dresden

Kaum zu glauben, aber tatsächlich ist schon wieder ein Jahr rum! Und so gibt es auch 2011 das Umundu Festival in Dresden, bei dem sich vom 10.–20. November alles rund um nachhaltigen Konsum und artverwandte Themen dreht. Mehr Infos, z.B. das genaue Programm, findet Ihr auf der Website des Festivals.

Das Umundu-Festival möchte auch in diesem Jahr mit einem vielfältigen Programm die lokalen und globalen Auswirkungen unseres alltäglichen Konsumverhaltens beleuchten. In Vorträgen, Filmen und Diskussionsrunden, bei Stadtführungen sowie mit Kunst- und Kulturveranstaltungen sollen BesucherInnen und VeranstalterInnen gemeinsam Ideen und Konzepte der Nachhaltigkeit kennenlernen, erleben und gemeinsam weiterentwickeln. Den Höhepunkt des zehntägigen Programms bildet natürlich wieder unser bunter Umundu-Abschlussmarkt.

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IM FOKUS: TRANSITION TOWN – STADT IM WANDEL

Klimawandel und Peak Oil: vom Ende des „billigen“ Erdöls

Der Klimawandel dominiert die öffentliche Agenda spätestens seit dem dritten Bericht des Weltklimarats der Vereinten Nationen (IPCC 2001). Ein nicht minder wichtiges Problem aber rückt dabei oftmals in den Hintergrund öffentlicher Aufmerksamkeit: die zunehmende Verknappung fossiler Energieträger, allen voran die des billigen Erdöls. Deren Verfügbarkeit ist jedoch Voraussetzung für das Funktionieren unserer (Konsum-)Gesellschaft.
Mit dem Themenschwerpunkt TRANSITION TOWN Stadt im Wandel widmet sich das diesjährige Umundu-Festival der drängenden Frage, wie sich lokale Gemeinschaften auf die Verknappung fossiler Rohstoffe vorbereiten können und wie alternative Versorgungs- und Konsumstrategien aussehen. Vorbild hierfür ist eine junge dynamische Bewegung, die nun auch in Dresden angekommen ist: Weltweit entstehen Transition Towns, in denen sich die Bewohner auf eine lokale und nachhaltige Lebensweise nach dem Erdöl einstellen und dabei immer wieder auch Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe entdecken und verwirklichen.

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Okt
23
2011
4

Verführer Papier

Vor einer ganzen Weile berichtete ich hier im Blog schon einmal über die Folgen des übermäßigen Papierkonsums (am Beispiel von Tempo-Taschentüchern), der, wie so ziemlich all unsere liebgewonnenen Konsumformen, großen Schaden anrichtet und leider nur selten hinterfragt wird. Die NDR-Sendung 45 Min hat sich nun in „Verführer Papier“ des Themas angenommen. Leider gibt es die Doku (noch) nicht bei YouTube, so dass wir darauf angewiesen sind, dass der NDR sie in seiner Mediathek noch möglichst lange bereit hält. HIER gibt es das Video zu sehen und HIER noch weitere Hintergrundinfos.

Jeder Deutsche verbraucht fast 250 Kilogramm Papier im Jahr – vom Klopapier über die Küchenrolle bis zum Pappbecher.

Damit liegen wir weltweit im Spitzenfeld und verbrauchen etwa so viel wie die Bewohner Südamerikas und Afrikas zusammen. Der Film „45Min: Verführer Papier“ des NDR geht der Frage nach, warum wir so viel Papier benutzen und wie wir dazu verführt werden. Am Beispiel eines durchschnittlichen norddeutschen Haushalts zeigt Autor Sven Jaax, welche Folgen der ausufernde Konsum hat. Und welche Alternativen es dazu gibt.

Sven Jaax nimmt den Papierverbrauch seiner eigenen Familie als Ausgangspunkt der Recherche. Der Film führt zu großen deutschen Papierfabriken, in gesunde Wälder und kahl geschlagene Landstriche. Marketingexperten verraten, mit welchen Strategien wir zum Kauf von Papier verführt werden, Naturschützer zeigen die katastrophalen Folgen maßlosen Holzeinschlags. Das Papier in seinem norddeutschen Haushalt lässt Autor Sven Jaax von Fachlaboren untersuchen. Mit erschreckenden Ergebnissen. Die Umwelt-Labels auf den Verpackungen, die Nachhaltigkeit versprechen, sind nur selten verlässlich.

Doch was ist mit Recycling? Löst dies das Problem? Noch immer gibt es Vorbehalte gegen die scheinbar “graue Ware”. Vor allem beim Toilettenpapier greifen die Verbraucher gerne zur schneeweißen Frischfaser. Mit schwerwiegenden Folgen: Klopapier aus frisch gerodeten Bäumen geht dem Rohstoffkreislauf verloren. Statt im Altpapier landet es in der Kläranlage.

Übrigens sind die 45 Min-Dokus oft wirklich interessant, so auch über „Die Rüpel-Republik“, die zeigt, wohin die Jahrzehnte der neoliberalen egomanen Ellenbogen-Konkurrenzgesellschaft so geführt haben.

EDIT: Jetzt gibt’s die Doku auch bei YouTube zu sehen:

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Sep
29
2011
7

Widerstand gegen den Wegwerfwahn

Geplante Obsoleszenz – diesen sperrige Begriff behandelte ich vor einigen Wochen bereits, als die Arte-Doku „Kaufen für die Müllhalde“ ausgestrahlt wurde und ein Schlaglicht auf das Verhalten vieler Industriekonzerne warf, die ihre Produkte so herstellen, dass sie absichtlich schneller kaputt gehen als das technisch nötig wäre. Denn der Absatz muss ja angekurbelt werden! Da müssen Umweltgesichtspunkte schon mal hinten an stehen. Matthias Dachtler hat in der Jugend-Sendung On3 des Bayerischen Rundfunks dieses Thema nun erneut aufgegriffen und einen schönen Beitrag dazu verfasst: „Widerstand gegen Wegwerfwahn – Schrauber aller Länder, vereinigt euch!

Kaufen für die Tonne. MP3-Payer, Handys und Computer landen früher auf dem Müll, als sie müssten. Der frühe Tod ist von den Herstellern oft gewollt. Jetzt rollt die Gegenbewegung an: die “Repair Revolution”.

Die meisten von uns kennen das: Kaum ist die Garantie abgelaufen, gehen unsere Gadgets kaputt. Der Handy-Akku lädt nicht mehr, das Display beim MP3-Player spinnt, das Notebook überhitzt und schaltet sich einfach aus. Reparieren lohnt sich nicht, sagt die Werkstatt, zu teuer. Also ab damit in den Müll. Neue Sachen kaufen. Marketing-Profis nennen diesen Zyklus “Geplante Obsoleszenz”. Der frühe Tod unserer Gadgets ist kein Zufall, sondern geplant. Aber das ist schwer zu beweisen. (…)

(…) Aber nicht nur die Hersteller sind schuld am frühen Tod der Gadgets. Wir Konsumenten machen fröhlich mit. Wir lassen uns von Marketing-Profis einreden, dass Altes schlecht und Neues gut ist. Die Folgen der sogenannten “psychischen Obsoleszenz” sieht man in Deutschland auf jedem Wertstoffhof. Immer mehr funktionierende Geräte landen auf dem Müll. Rund 80 Prozent der weggeworfenen Elektro-Geräte funktionieren noch, schätzt Platzwart Tobias Quoll, den wir auf dem Münchner Wertstoffhof Thalkirchen besucht haben. Laut Umweltbundesamt wuchs der deutsche IT-, Handy- und Unterhaltungselektronik-Schrottberg zwischen 2006 und 2008 von 215.000 auf 300.000 Tonnen pro Jahr. (…)

(…) Wer nicht nur einen Akku wechseln, sondern einen Kondensator tauschen oder einen Fahrrad-Rahmen schweißen will und keinen Werkzeugkoffer wie Markus Weiher besitzt, braucht eine Werkstatt und jemanden, der erklären kann, wie man richtig lötet oder schweißt.Die Lösung: Offene Werkstätten. Gibt’s in ganz Deutschland, in Bayern zum Beispiel im “Kempodium” in Kempten, im “Kulturzentrum K4” in Nürnberg oder im “Haus der Eigenarbeit” in München.

“Das Besondere am Reparieren ist ja, dass das jeder machen kann”, sagt Markus Weiher. on3 schließt sich an und empfiehlt: “Join the Repair Revolution!”

Wie kann ich mich politisch wehren?

Der Berliner Blogger und BWLer Stefan Schridde will eine Online-Petition beim Bundesstag einreichen und sucht Leute, die ihm dabei helfen. Sein Ziel: Durch eine Änderung des Gewährleistungsrechts sollen Hersteller, die Geräte mit künstlich kurzer Lebensdauer produzieren, in die Verantwortung genommen werden.

Externer Linkobsoleszenz.wordpress.com

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Sep
12
2011
3

Aufmerksamkeitsökonomie

Uebermorgen TV, der Teil des Videopodcasts „Elektrischer Reporter“ von Marius Sixtus ist, skizziert seit inzwischen zehn Folgen mögliche Entwicklungen in Gesellschaft und Technik, ausgehend von den sich heute bereits abzeichnenden Änderungen und Forschungen. Vor allem die Gedanken zum Thema Kommerzialisierung/Marketing/Reklame sind dabei alles andere als erfreulich, wie man auch in der 10. Folge im Abschnitt „Aufmerksamkeitsökonomie“ sieht. Sollte es wirklich so kommen wie Sixtus es sich hier überlegt, wird man in der Zukunft auf die heutige Zeit als die güldenen Tage der Kommerzfreiheit zurückblicken! Gegen die Allgegenwart des Konsumierens trete ich in meinem Blog ja seit jeher ein, also wollen wir mal hoffen, dass die Menschen doch irgendwann zur Vernunft kommen.

Immer häufiger zahlen Menschen für einen Service im Web nicht mit Geld, sondern mit ihrer Aufmerksamkeit. Nachrichtenportale und soziale Netzwerke beispielsweise finanzieren sich, indem sie die eingesammelt Aufmerksamkeit ihrer Nutzer an Werbekunden weiterverkaufen. Wie könnte es übermorgen weitergehen, mit der Aufmerksamkeitswirtschaft im Web?

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Aug
12
2011
8

Buchvorstellung: Einfacher leben

Heute will ich Euch wieder in Zusammenarbeit mit dem Kritischen Netzwerk ein spannendes neues Buch vorstellen, das thematisch 1a in den Konsumpf passt – Andrea Kerlen mit „Einfacher leben – Ein praktischer Ratgeber zur Konsumverweigerung“. Das klingt schon mal gut, finde ich. Auch wenn es sicherlich für den „Hardcore“-Konsumkritiker nicht immens viel Neues bieten dürfte, werden doch viele Anregungen und Denkanstöße gegeben. Über den Begriff der „Konsumeinschränkung“ kann man zwar geteilter Meinung sein – genauso wie das Wort „Verzicht“ ist es doch eher negativ besetzt und suggeriert, dass man nachher ein eingeschränkteres Leben als vorher führt; dabei gewinnt man durch weniger Konsum ja auch. Zeit, Geld, Freiraum z.B.

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“Einfacher Leben” gibt es als Paperback (110 Seiten) für 6,50 € (zzgl. Versand) oder günstigen PDF-Download für 2,00 €

zur Bestellung: bitte hier klicken

zum Inhalt:

Du möchtest deinen Konsum einschränken, weißt aber nicht, wo du anfangen sollst? Oder fragst dich, ob dir dann nicht deine Lebensfreude verloren geht?

Der Ratgeber “Einfacher Leben” bietet über 150 praktische Tipps und Tricks zur Konsumeinschränkung in vielen Alltagssituationen, hinzu kommen mehr als 70 Literaturtipps und rund 40 Weblinktipps. 14 Kapitel, darunter “Sparen in allen Lebenslagen”, “Alternativen zum herkömmlichen Shopping”, “Spartipps für Eltern” oder “Einfach entspannen”, zeigen Beispiele, wie du einfach und dennoch mit viel Freude deinen Konsum einschränken kannst.
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