Jan
21
2009
6

Eine Stadt für die Menschen

Manchmal, wenn ich so durch Kiel gehe, vorbei an den komplett mit Automobilen zugestellten Straßenrändern, mich zwischen peinlichen Geländewagen hindurchquetsche und den niemals, nicht mal Nachts, enden wollenden Verkehrslärm auszublenden versuche, steigt ein wunderlicher, gar wundersamer Gedanke in mir auf: wie wäre es wohl, wenn unsere Städte nicht um die Autos herum errichtet wären? Wenn sich die Infrastruktur nicht primär danach richtete, wie man möglichst schnell von A nach B fahren kann? Wenn all das hässliche, aufdringliche Blech auf vier Rädern, das 24 Stunden nonstop das Stadtbild bestimmt, nicht da wäre und man demzufolge auch keinen „Parkraum“ benötigt? Kurz: wie sähe eine „Stadt für die Menschen“ aus? Diese Frage stellte sich unlängst auch der Stuttgart Blog – anhand eines Dokumentationsbandes über Stuttgart im letzten Jahrhundert. Bis in die 1930er Jahre hinein war die Stadt nämlich autofrei, was sich auch direkt in der Architektur niederschlug:

stuttgart-bopser_400Die Menschen haben sich zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit der (in nahezu jeder Straße vorhandenen) Straßenbahn fortbewegt und das hat funktioniert. Die Räume zwischen den Häusern (heute besser als Straßen bekannt) war für die Menschen da und nicht für die Autos. Große Plätze wie z.B. der Charlottenplatz oder der Österreichische Platz waren keine stinkenden Verkehrsknotenpunkte, sondern Plätze, auf denen sich Menschen aufhielten und lebten.

Doch plötzlich kam das Auto. Irgendwann nach dem Krieg wurde das plötzlich modern, dass sich jeder mit seinem eigenen Fahrzeug fortbewegen kann. Obwohl wir heute wissen, dass diese extrem teure, laute, gefährliche, antiquierte Form des Individualverkehrs die Luft verpestet und die Lebensqualität enorm einschränkt, ist die Stadt seit dem Durchbruch dieser „Technologie“ vollkommen auf das Auto fixiert. Menschen werden an den Straßenrand bzw. auf die wenigen verbleibenden und somit völlig überlaufenen Fußgängerzonen verbannt. Ist die Zeit denn nicht reif für eine Art Rückbesinnung bzw einen weiteren Schritt, was den Personenverkehr in der Stadt betrifft?

(…) Natürlich muss es ausgereifte Alternativkonzepte geben, und ich bin mir sicher, dass sich in diesem Bereich schon viel getan hätte, wenn die Autoindustrie keine so bedeutende Rolle in Politik und Wirtschaft inne hätte, um die Existenz dieser eigentlich antiquierten Verkehrsform aufrecht zu erhalten.

Tja, doch die Realität sieht leider anders aus. Das jüngst „geschnürte“ Konjunkturpaket II enthält weitere Maßnahmen zur Stützung und Stärkung dieser Fetischindustrie – die Vorstellung, dass die dort genannte Abwrackprämie für Altautos z.B. nur dann gezahlt werden würde, wenn man sein Auto ganz abschafft (und nicht einen Neuwagen kauft), ist in diesen Zeiten, bei dieser Regierung, natürlich illusorisch, wenn nicht gar ketzerisch. (Die Frankfurter Rundschau schlug kürzlich ein ausgewogeneres Konjunkturpaket vor, nämlich ein „Programm für wahrhaft Bedürftige“.)

Übrigens gibt es tatsächlich Orte auf der Welt, wo der Rückbau von Straßen/Autobahnen keine Utopie, sondern Realität ist – nämlich in Seoul. In „Es gibt keine Zukunft ohne Umwelt“ beschreibt Prof. Hermann Knoflacher, dass dem Autoverkehr nicht überall alles geopfert wird (siehe dazu auch seinen Artikel „Der Einfluss des Autos auf die Stadt“):

Der jüngst gewählte Präsident von Südkorea hat die Zeichen der Zeit schon vor Jahren erkannt, als er noch Bürgermeister von Seoul war. Die 5,8 km lange Autobahn mitten durch die Stadt hätte saniert werden müssen. Er entschied sich, der Stadt wieder Leben zu schenken und die lokale Wirtschaft zu unterstützen. Die Autobahn war nicht die Lebensader der lokalen Wirtschaft, sondern strangulierte diese. Also wurde beschlossen, sie um der Zukunft willen abzureißen.

(…) Unsere Politiker, die der Bevölkerung neue Fahrbahnen versprechen, merken wahrscheinlich gar nicht, dass sie damit den Menschen die Türen in die Zukunft verbauen. Wer diese Politiker wählt, darf sich nicht wundern, wenn er und seine Kinder immer weniger Freiheit und Chancen im Leben haben werden.

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Nov
11
2008
1

Hilfe, die arme Autoindustrie!

Ich habe in den vergangenen Wochen ja schon einige Male darauf hingewiesen, dass es wirklich faszinierend ist, wie derzeit all das, was unsereins in den letzten Jahren über die Segnungen eines völlig freien Marktes eingetrichtert wurde, binnen kürzester Zeit als Geschwätz entlarvt wird, als ein Prinzip, das nur solange zu gelten scheint, wie alles glatt läuft. Nach den bankrotten Banken ist nun also die schwächelnde Autoindustrie an der Reihe, sich die Unterstützung vom Staat abzuholen. Ausgerechnet die Autoindustrie, die gerade hierzulande den Trend zu sparsameren Modellen oder gar alternativen Antrieben weitgehend verschlafen hat und die Straßen statt dessen mit diesen hässlichen Minipanzern (SUV) und ähnlich benzinschluckenden Boliden überschwemmt.

Über die Schwachsinnigkeit des „Konjunkturpakets” lässt sich auch der BUND in einer Pressemitteilung aus. Schließlich soll Käufern von Neuwagen die Kfz-Steuer für ein Jahr erlassen werden, so dass derjenige, der ein besonders hochpreisiges/großes Auto kauft, besonders viel geschenkt bekommt. Natürlich werden die paar hundert Euro niemanden dazu veranlassen, einen Pkw zu erwerben, aber derjenige, der das sowieso vor hatte, dürfte sich über das Extrageld vom Staat freuen. Eine Lenkungsfunktion hin zu ökologisch sinnvolleren (= weniger schädlichen) Modellen findet damit sowieso nicht statt.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hält wesentliche Teile des heute vom Bundeskabinett beschlossenen Konjunkturpakets für umweltpolitisch kontraproduktiv. Mit Steuermilliarden werde der Anstieg von CO2-Emissionen angekurbelt, anstatt das Land zukunftsfähiger zu machen. Spritfressern und Dieselfahrzeugen würden höhere Steuernachlässe versprochen als sparsamen Fahrzeugen. Der Bau neuer Autobahnen und die Subventionierung des Kaufs ineffizienter Pkw setzten die falschen Signale. Während in anderen Ländern Marktanreize für CO2-arme Pkw eingeführt würden, beschreite Deutschland einen Irrweg. Abgesehen vom Klimaschaden hätten darunter auch die Verbraucher zu leiden, wenn sie an den Tankstellen mehr bezahlen müssten.

Mit der geplanten Steuerbefreiung für alle neuen Pkw setze die Bundesregierung die Verunsicherung der Autokäufer fort. Sie fördere Spritfresser und kündige zugleich eine CO2-basierte Kfz-Steuer für 2011 an, mit der genau diese Fahrzeuge dann stärker zur Kasse gebeten werden sollen.

Dazu passt auch diese aktuelle Meldung von gestern: „Ein Fall für die Kanzlerin – Opel bittet um Hilfe”. Der Neuwagenabsatz soll mit weiteren Finanzspritzen angekurbelt werden, ungeachtet der immensen Klimaprobleme, die jede Produktion eines neuen Wagens mit sich bringt. Ein Wirtschaftszweig, der davon abhängig ist, dass die Menschen (potentielle Käufer) von außen dazu animiert werden müssen, ihre Waren zu kaufen und diese dann auch noch schädlich sind, sollte m.E. eigentlich nicht unterstützt werden.

Und der süffisante Kommentar bei MMNews dazu:

Das größte Hilfsprogramm der Geschichte läuft an. Marode Industrien werden künstlich beatmet. Mit freien Märkten hat das freilich nichts zu tun.

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