Feb
09
2010
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Porto Alegres grüne Agenda

Den spannenden Artikel „Porto Alegres grüne Agenda“ von Gerhard Dilger, den ich auf Wir Klimaretter gefunden habe und den ich freundlicherweise komplett „abdrucken“ darf, möchte ich Euch heute als Leseempfehlung mit auf den Weg geben – er zeigt u.a., dass der in den westlichen Industrienationen mantraartig wiederholte und geradezu beschworene Wachstumszwang in anderen Gegenden längst ernsthaft in Frage gestellt wird. In Südamerika ist man gedanklich also schon weiter als unsere Politiker-Betonköpfe.

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Fünf Tage lang ringt die Weltbürgerbewegung im brasilianischen Porto Alegre um eine gemeinsame Plattform. Zwischen Klimawandel, Gemeingütern und dem Prinzip des “Guten Lebens” bleibt die Botschaft des Weltsozialforums dennoch diffus

Aus Porto Alegre GERHARD DILGER

Das Weltsozialforum ergrünt. Wohl kein Konzept wurde auf dem 10. Geburtstag des Forums in Porto Alegre öfter beschworen als jenes vom Guten Leben, das seine Wurzeln im Denken der Andenindianer hat und bereits in den neuen Verfassungen Ecuadors und Boliviens verankert ist.

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Auftaktdemonstration zum Weltsozialforum 2010. (Fotos: Dilger)

Brasiliens grüne Präsidentschaftskandidatin Marina Silva bezog sich in einer umjubelten Rede ebenso darauf wie der portugiesische Soziologe Boaventura de Sousa Santos, der sich wünscht, dass das “Gute Leben” einmal den westlich geprägten Entwicklungsbegriff ablösen möge. Oder Daniel Pascual vom “Komitee für die Einheit der Kleinbauern” aus Guatemala, der ähnlich wie seine Kollegen aus Kolumbien oder Peru die Offensive von Bergbau- und Agrarmultis in seinem Land schilderte. Pascual bedauerte aber auch: “Leider ist die Zeit hier viel zu kurz, um das zu systematischer auszuarbeiten.”

So zeigten die auf einen kruden Antikapitalismus fixierten Gruppen aus Brasilien, die per Akklamation eine umfangreiche “Erklärung der sozialen Bewegungen” verabschiedeten, nur wenig Interesse für den indigen geprägten Diskurs ihrer Gäste. Auch die alternative Klimakonferenz, zu der der bolivianische Präsident Evo Morales im April nach Cochabamba lädt, spielt in ihren Planungen noch keine Rolle.

Allerdings war das Forum, das am Freitag nach fünf Tagen zu Ende ging, auch keines jener wuselnden Großereignisse, für die Porto Alegre ab 2001 bekannt geworden ist. Schon wegen des enormen Aufwands finden die zentralisierten Megaevents seit 2005 nur noch alle zwei Jahre statt. 2010 sind noch gut 30 regionale und thematische Foren in aller Welt geplant, darunter Anfang Juli das Europäische Sozialforum in Istanbul.

Immerhin 35.000 TeilnehmerInnen kamen zum südbrasilianischen Regionalforum in den Großraum Porto Alegre. Die internationale Debatte blieb auf das Strategieseminar beschränkt, auf dem “Elemente für eine neue Agenda” diskutiert wurden. Eigentlich hatten die Organisatoren geplant, die wichtigsten Aspekte der zwölf Podiumsdiskussionen mit Blick auf die künftigen Foren zu bündeln. Stattdessen gab es eine allgemeine Aussprache, die Botschaft blieb diffus.

MarinaSilvaDilgerMarina Silva bereitet sich auf die Präsidentschaftswahl im Oktober vor

Dabei wird seit dem Weltsozialforum 2009 in Belém mit dem Guten Leben und dem Komplex “Gemeingüter” in Umrissen ein mögliche Plattform sichtbar, auf der sich die unterschiedlichsten Diskurse zusammenführen ließen: “Gutes Leben heißt nicht Streben nach mehr Konsum, sondern nach Autonomie, Selbstbestimmung, vor allem Selbstentfaltung”, sagt Silke Helfrich aus Jena, die über Gemeingüter referierte. “Bei den Kämpfen um Wasser und Land, um Wissen oder Software, geht es um Zugangsrechte und um gesellschaftliche Kontrolle, auch um die Frage, wie wir produzieren.”

Die Brücke zwischen der antikapitalistischen Linken und den Gemeingütern schlug Edgardo Lander: “Als globales System steht der Kapitalismus dem Erhalt des Lebens entgegen”, sagte der venezolanische Soziologe, “wir müssen die Wachstumslogik radikal überwinden und zu einer Umverteilung des Zugangs zu Gemeingütern kommen.”

Ohne eine kritische Bilanz des Realsozialismus mit seiner “ebenso zerstörerischen Entwicklungslogik” sei es sinnlos, von einem Sozialismus des 21. Jahrhunderts zu reden, betonte Lander in Anspielung auf sein Heimatland. Die südamerikanischen Linksregierungen hielten nicht nur am herkömmlichen Fortschrittsdenken fest, sondern hätte es sogar vertieft: “Lula hat die Gentechnik in der Landwirtschaft zugelassen, und unter Hugo Chávez ist die Wirtschaft Venezuelas abhängiger vom Erdöl als vor zehn Jahren.

Den zahlreichen Stimmen, die die Niederlage des Neoliberalismus auf der diskursiven Ebene feierten, hielt Lander entgegen: “Die kapitalistische Gesellschaft hat eine unglaubliche Globalisierung der Subjektivität erreicht. Die Vorstellung, das Leben sei gleichbedeutend mit Konsum, ist tief verwurzelt”. Die Lage sei alles andere als rosig, schloss er: “Die individualistischen Muster des Konsums und auch der Wissensproduktion stehen vor dem endgültigen Sieg.”

Derzeit habe das Finanzsystem Vorrang vor der „Realwirtschaft“ und der Umwelt, analysierte Susan George, nun gelte es, diese Reihenfolge umzudrehen. Der „New Green Deal“, der ihr vorschwebt, hat die Vergesellschaftung der Banken zum Ausgangspunkt. Geld für den ökosozialen Umbau der Welt gäbe es genug, rechnete die Attac-Denkerin vor: „Das Vermögen der reichsten 8,5 Millionen Menschen der Welt beläuft sich auf 38 Billionen Dollar, ein Drittel davon ist in Steuerparadiesen versteckt“.

Der Geograph David Harvey aus New York sieht das Grundübel in der Prämisse eines jährlichen Wachstums von durchschnittlich drei Prozent, zu dem sich Liberale wie Sozialisten bekennen würden. Die Finanzkrisen der letzten Jahrzehnte seien die Folge des „Problems, den Mehrwert zu absorbieren“, meint Harvey.

Das derzeitige Krisenmanagement stelle diese Wachstumslogik ebenso wenig in Frage wie die Umverteilung von unten nach oben: Über zwei Millionen US-Amerikaner hätten in den letzten drei Jahren ihre Wohnungen verloren, während allein 2008 die Manager von neun US-Banken Prämien in Höhe von 32 Milliarden Dollar eingestrichen hätten. „Für den Übergang zu einer nichtkapitalistischen Ordnung brauchen wir ein Bündnis zwischen den Unzufriedenen und den Enteigneten“, sagte Harvey.

Den düsteren Globalanalysen setzte Paul Singer funktionierende Beispiele aus der Solidarwirtschaft entgegen. „Wir müssen auch über kurzfristige Lösungen reden“, sagte der austrobrasilianische Ökonom, der seit 2003 als Staatssekretär für solidarische Ökonomie amtiert. 2007 waren über 1,7 Millionen BrasilianerInnen in 22 000 Kooperativen beschäftigt, berichtete er, und Jahr für Jahr kämen Tausende selbstverwaltete Betriebe hinzu.

Der bolivianische UN-Botschafter Pablo Solón warb für den Weltgipfel der Völker über den Klimawandel und die Rechte der Mutter Erde, der vom 19. bis 22. April in Cochabamba stattfindet. “Wir dürfen nicht zulassen, dass der Kapitalismus die Erde vollends zerstört”, sagte Solón. “Die Rechte der Menschheit können nur garantiert werden, wenn wir die Rechte der Mutter Erde respektieren”. In Cochabamba solle eine “Allgemeine Erklärung der Naturrechte” ausgearbeitet werden, denn “wir dürfen die Natur nicht länger wie einen Sklaven behandeln”.

Auch Solón bekannte sich zum “Guten Leben”, das er als “Teilen statt Wettbewerb” umschrieb. “Gegen die Folgen des Klimawandels stellt man 10 Milliarden Dollar bereit, für den Krieg 1,3 Billionen”, hob er hervor und stellte das Projekt von Evo Morales vor, der sich für ein weltweites Referendum über solche Prioritäten einsetzt.

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Pablo Solón wirbt für alternativen Klimagipfel in Cochabamba

Dass der Weg über Cochabamba nach Mexiko selbst für die vielfach zersplitterte Umweltszene nicht leicht sein wird, weiß auch Fátima Melo vom brasilianischen Netzwerk für die Integration der Völker. “Es reicht nicht mehr, antineoliberal oder antiimperialistisch zu sein”, sagte die Aktivistin aus Rio de Janeiro. “Mit dem Kampf um die Gemeingüter hat letztes Jahr in Belém ein neuer Zyklus für die Weltbürgerbewegung begonnen, der sich auch auf den Straßen Kopenhagens gezeigt hat.”

Nun gelte es, die Vielfalt der Bewegung zu nutzen, um auf die Politik Einfluss zu nehmen, meint Mello. Angesichts der Wachstumsfixierung auch der linken Regierungen, die in Brasilien, Ecuador oder Venezuela zu zahlreichen Konflikten mit indigenen Gemeinschaften und Organisationen führt, ist das keine leichte Aufgabe.

Pablo Solón lässt denn auch an der Stoßrichtung des Treffens in Cochabamba keine Zweifel aufkommen: “Gegen die Auswirkungen des kapitalistischen Systems auf das Klima müssen wir uns weltweit organisieren”. In Bolivien hingegen bleibe die Industrialisierung des Landes das oberste Ziel, “damit wir wirtschaftlich unabhängig werden und den Reichtum umverteilen können”.

In Porto Alegre sei man wieder einen Schritt vorangekommen, hieß es zum Abschluss allenthalben. Mehr sei kaum zu erwarten gewesen, findet auch Silke Helfrich: “Soziale Prozesse sind immer langsam, da muss man viel Geduld haben.”

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Jan
24
2010
8

Blick durchs Netz: McDoofs Verdummungskampagne, Milchmädchenrechner und die Rendite der Entmenschlichung

Reklame macht ja nicht nur doof, sie ist auch doof. Je größer der dahinter stehende Konzern, desto Gehirnwäsche, behaupte ich mal so frei von der Leber weg. Ein „schönes“ Beispiel liefert dafür gerade McDonald’s mit ihrer neuen Kampagne, in der sie die Grandezza ihrer Fritten- und Buletten-Jobs anpreisen, und das in einer Art, die so peinlich und dumm ist, dass ich den Clip hier sogar zeige (ist nämlich eindeutige Anti-Werbung):

Bleib passiv! kommentiert das alles sehr zutreffend – „McJob“:

“Mit 65 WIEDER arbeiten und das bei MC Donald’s? Aber es macht mir sooo vieel Spaß…”

Die Botschaft der Kampagne, die ähnlich bereits 2006 in Großbritannien lief: Das ach so freundliche Familienunternehmen hat ein riesiges Herz für die ganze Familie und bietet derart gute Arbeitsbedingungen, dass auch erfahrene Arbeitnehmer zufrieden sind.

Die Wahrheit: Die zunehmende Altersarmut in Deutschland zwingt schon heute viele ältere Menschen dazu, sich neben der Rente etwas hinzuverdienen zu müssen. Schwarz-Gelb-Rot-Grün machen’s möglich – die Industrie freut sich öffentlich. Diese Werbung ist noch geschmackloser als der angebotene Fraß. Wer hätte gedacht, dass das überhaupt möglich ist…

milchmaedchenrechner-schraeg-600px1-265x265Wollen wir mal hoffen, dass die Rechnung von McD nicht aufgeht – aber bei solch vertrackten Situationen hilft vielleicht der Milchmädchenrechner, das neueste Ultramegatiptopangebot des Antipreneurshops, beliebt sicher auch bei allen Politikern mit Schönrechenkünsten:

In Zeiten von Wirtschaftskrise und Milliardenkrediten darf einem der eigene Taschenrechner keinen Strich durch die Rechnung machen. Darum ist der Milchmädchenrechner ideal für alle, die große Summen zu verschleudern haben: Auf dem Maxi-Display haben Zahlen mit bis zu zwölf Stellen Platz. Da macht selbst das Schuldenmachen Spaß.

Mit seinem erweiterten Tastenfeld macht es der Milchmädchenrechner zum Kinderspiel, Fünfe gerade sein zu lassen. Zum Funktionsumfang gehören praktische Helferlein wie die „Devisenkreislauf“-Taste, „20 Prozent teurer“ und die ebenso neue und unverzichtbare Funktion „Pi mal Daumen“. (…)

Apropos Regierung und Schulden – die famosen Pläne von Schwarz-Gelb, den Atomausstieg voranzutreiben, erhalten neuen Gegenwind, diesmal sogar von dem von der FDP doch vermeintlich so liebkosten Mittelstand, wie die ZEIT berichtet (man beachte dazu auch die Leserkommentare!) „Die Stadtwerke bocken“:

(…) Große Stadtwerke haben am Dienstag in Berlin die Pläne der Bundesregierung zur Verlängerung der Laufzeiten von Kernkraftwerken kritisiert. Sie fürchten, dass der Wettbewerb auf den Energiemärkten dadurch massiv behindert werde. “Wir sind gegen eine exklusive Technologie in exklusiven Händen”, sagte der Vorstandsvorsitzende der Stadtwerke Hannover, Michael Feist. “Es darf durch eine Laufzeitverlängerung keine wettbewerbsverzerrenden Folgen geben.” (…)

(…) Wie die Politik allerdings erfolgreich Anreize zu mehr Wettbewerb und zum Ausbau der erneuerbaren Energien setzen will, wenn sie zugleich eine Laufzeitverlängerung beschließt, sagte Brüderle nicht. Weiterhin ist offen, wie ernst er seine Wettbewerbsforderungen tatsächlich meint. Das geplante Entflechtungsgesetz, das die Marktmacht großer Konzerne brechen soll, spielte Brüderle herunter: Es werde kein “Lex Energiewirtschaft” sein, sagte er. (…)

Von der FDP gibt’s also nichts Neues zu hören, die leben immer noch in ihrer idealisierten Welt von vor 20–30 Jahren. Überraschend hingegen ist, was die Financial Times Deutschland unlängst schreibt – in „Das Kapital: Die Rendite der Entmenschlichung“ werden Töne angeschlagen, wie man sie von so wirtschaftsnaher Presse kaum erwarten würde:

In der Freizeit konsumieren wir, und während der Arbeitszeit steigern wir unsere Produktivität dermaßen, dass wir morgen noch mehr unnützes Zeugs kaufen können. Die Schwachen bleiben auf der Strecke: Aus der ökonomischen wird eine Sinnkrise: Und die Anleger schauen wie immer weg. (…)

(…) Gleichwohl verlangt unser ökonomisches System – und noch kennen wir kein besseres -, dass wir unablässig mehr konsumieren, damit Massenarbeitslosigkeit und Verelendung abgewendet werden können. So wird aus der ökonomischen eine Sinnkrise, von der Ausbeutung der Erde mal ganz zu schweigen. Was wir wohl eigentlich bräuchten, wäre eine ökonomische Theorie des Schrumpfens. Unter anderem müsste sie vermutlich daran ansetzen, dass wir in der Schule nicht mehr nur den Nachwuchs der Produzenten und Konsumenten großziehen, sondern Menschen das Menschsein lehren. (…)

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Nov
18
2009
2

Wohlstand ohne Wachstum

743382_milk_over_pavementGerade im Moment, wo einem alle Parteien das Mantra des ewigen Wachstums als Lösung der Menschheitsprobleme einzubläuen versuchen, ist es angezeigt, sich aus dem gleichgeschalteten Medienbrei auszuklinken und ein wenig weiter als nur bis zur nächsten Legislaturperiode zu denken. „Wer in einer begrenzten Welt an unbegrenztes Wachstum glaubt, ist entweder ein Idiot – oder ein Ökonom“, wie schon Kenneth Boulding (selbst ein Ökonom) richtig feststellte (und man könnte noch „… oder ein Politiker“ hinzufügen). Im letzten Greenpeace Magazin stellte sich Niko Paech, ebenfalls Wirtschaftswissenschaftler, die Frage, wie ein „Wohlstand ohne Wachstum“ möglich ist – ich empfehle, diesen Artikel zu lesen, denn er zeigt einen in fünf Schritte aufgeteilten Weg auf, wie wir eine Wirtschaft erreichen, die uns nicht die zukünftige Lebensgrundlage entzieht und zerstört. Zu diesen Punkten gehören eine Reduzierung des Konsumniveaus, eine bessere Balance zwischen Selbst- und Fremdversorgung, mehr Regionalökonomie und auch eine Boden- und Geldreform – es geht also um eine tiefgreifende, grundlegende Umgestaltung dessen, was wir heute unter Wirtschaften verstehen. Ganz anders, als das unsere Parteien mit ihren Flickenteppich„lösungen“ vorbeten…

(…) Welche Reaktionen würde wohl die Ankündigung eines Automobilherstellers auslösen, demnächst ein Fahrzeug ohne Rückwärtsgang und Bremse produzieren zu wollen? Vermutlich Gelächter. Oder Kopfschütteln. Komisch, dass eine solche Reaktion nicht auch den meisten Ökonomen und Wirtschaftspolitikern entgegengebracht wird. Denn dieselbe Absurdität liegt dem üblichen volkswirtschaftlichen Denken zugrunde; mehr noch: Das ganze Entwicklungsschema moderner Gesellschaften basiert auf der Grundannahme, Fortschritt sei ausschließlich ein Akt der Addition und nur bei ständigem Wachstum möglich.

Selbst die Nachhaltigkeitsdiskussion kurvt in diesem Fahrwasser. Dank technischer Innovationen, so das ständig rezitierte Mantra, könne man Wirtschaftswachstum von Ressourcenverbrauch und Umweltschäden abkoppeln. Die Bündnisgrünen ziehen mit einem „Green New Deal“ in den Wahlkampf: Anstrengungen etwa im Klimaschutz – so ihr Versprechen – würden die deutsche Industrie auf wachsenden Zukunftsmärkten positionieren. Doch eine solche Nachhaltigkeitsdiskussion immunisiert die vorherrschenden Lebensstile gegen jede Mäßigung. Nicht das exzessive Wechselspiel zwischen Fremdversorgung und Selbstverwirklichung als solches wird hinterfragt, sondern nur dessen Objekte – der Durst nach immer mehr soll künftig bloß durch „bessere“ Produkte oder Dienstleistungen befriedigt werden. So wird sogar die Nachhaltigkeit zu einem Wachstumsstimulus, denn irgendetwas findet sich immer, das durch additive Maßnahmen zu reparieren oder zu verbessern wäre – und wenn es die Umwelt ist… Aber diese Rechnung geht nicht mehr auf. (…)

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Okt
15
2009
6

Vermessung der Utopie

zelik-altvater-vermessung_utopieNa, das ist doch mal was – soeben ist das Buch „Vermessung der Utopie“ von Raul Zelik und Elmar Altvater erschienen, in dem es um Alternativen zum Kapitalismus heutiger Prägung geht:

Ob Klimawandel, industrielle Überkapazitäten, Arbeitslosigkeit oder Verteilung des Reichtums – der »freie Markt« scheint grundlegende soziale und wirtschaftliche Probleme nicht lösen zu können. Doch ist eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus überhaupt noch vorstellbar? Raul Zelik und Elmar Altvater liefern in ihrem Gespräch eine radikal-kritische Analyse der Gegenwart. Ihr gemeinsamer Versuch, ein utopisches Gesellschaftsmodell zu entwickeln, geht von einem Ökonomiebegriff aus, der das ökologische und soziale Gemeinwohl einbezieht und auf Vernunft gegründet ist.

Das allein ist schon spannend genug, aber gekrönt wird diese Neuveröffentlichung dadurch, dass die pdf-Form kostenlos zum Download erhältlich ist! Der Online-Versandhandel Tubuk, bekannt für sein exquisites Programm, bietet neben der gebundenen Papierausgabe auch die pdf-Ausgabe an – man muss sich lediglich registrieren und kann anschließend für 0,00 Euro das Digitalbuch auf seinen Rechner laden. Ein schöner Service! Wer lieber was zum Blättern in den Händen halten mag, kann sich das Werk dort natürlich auch für 14,90 Euro in analoger Buchform bestellen. Ausnahmsweise empfehle ich Euch also mal ein Buch, ohne es vorher selbst gelesen zu haben, aber eine Rezension meinerseits folgt dann sicherlich auch irgendwann.

>> Zur Buch-/Downloadseite (oben auf den „PDF“-Reiter klicken, um an den kostenlosen Download zu gelangen)

EDIT: Danke für den Hinweis – noch besser, nämlich ohne Registrierung, geht es auf der Homepage zum Buch http://www.vermessung-der-utopie.de

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Sep
18
2009
2

Gastbeitrag: Suffizienz – Wie viel ist dir genug?

Heute darf ich Euch mal wieder einen Gastbeitrag anbieten, und zwar Norbert RostsSuffizienz – Wie viel ist Dir genug?“, der ursprünglich auf peak-oil.com erschien und durch Markus Heller von autofrei-wohnen.de inspiriert wurde.  Da er thematisch sehr gut in den Konsumpf-Blog passt, gerade was die Implikationen zum Konsumverhalten angeht, habe ich natürlich freudig und dankbar zugegriffen, als mir die Veröffentlichung in meinem Blog angeboten wurde.

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Suffizienz – Wie viel ist dir genug?
Zu Fragen der Energieversorgung, die sich im “ominösen Punkt Peak Oil” bündeln, gibt es unterschiedliche Sichten. Die pessimistische Sicht meint, mit dem Erreichen des Erdölförderhöhepunktes ist die Zivilisation dem Untergang geweiht und chaotische Zustände sind wahrscheinlich. Die optimistische Sicht ist oft verbunden mit Technikverliebtheit und Fortschrittsoptimismus und besagt, die Menschheit fände in ihrer Kreativität schon die richtige technische Antwort: Neue Energiequellen, neue Maschinen, und vor allem: neue Technologien.

Beide Sichtweise sind Pole, die sich kaum vereinbar gegenüberstehen. Für die meisten Menschen stellen diese Pole Hürden dar, die schwer zu überwinden sind: Die wenigsten von uns sind Techniker, die sich der Forschung zugungsten neuer Technologien widmen können und vermutlich noch weniger Menschen wollen sich passiv in eine bürgerkriegsähnliche Situation verwickeln lassen. Beide Ansätze bieten also nicht unbedingt Handlungsoptionen für die Vielzahl von Menschen, die von der Energiefrage zweifellos betroffen sind. Wir brauchen deshalb neue Sichten! Sichten, die jedem Einzelnen Handlungsmöglichkeiten geben, die uns aus unserer Passivität befreien und die unsere eigenen Fähigkeiten einsetzbar machen.

Suffizienz. Möglicherweise bietet dieses Wort einen Weg. Es entstammt dem Lateinischen und läßt sich am ehesten mit “Genügsamkeit” übersetzen: Wie viel ist “genug”?

Suffizienz

Suffizienz verbindet sich für mich mit Wohlbefinden, Zufriedenheit, einem neuen Wohlstandsverständnis, mit Maß und Maßhalten, mit der Übereinstimmung von Überzeugung und Handeln, von Zielen und Mitteln, von der Beziehung zwischen dem, was benötigt und dem, was produziert wird, mit der Bevorzugung des Optimums vor dem Maximum, mit dem Verhältnis von materiellen Gütern und immateriellen Bedürfnissen, mit aufgeklärtem Eigennutz und mit Solidarität.
(Linz, M.: “Von nichts zu viel – Suffizienz gehört zur Zukunftsfähigkeit”, Wuppertal Institut, Wuppertal, 2002, S.12 f. aus “Das suffizienzorientierte Leben des Individuums”)

Eine Kernfrage der Suffizienz ist: Wie viel ist genug? Genügsamkeit, also Maßhalten bei der Frage danach, wie viel jeder von uns braucht und haben will, ist der Mittelpunkt, um den sich “Suffizienz” dreht. Bedeutet Genügsamkeit Verzicht? Bedeutet Genügsamkeit Einschränkung? Bedeutet Genügsamkeit Wohlstandsverlust? Nicht unbedingt! Wie so oft im Leben lautet die Antwort darauf: Es kommt darauf an…

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Biete Lebenszeit, suche Kaufhaus!

Der technikorientierte Lösungsansatz sagt ja vor allem: Weiter so wie bisher. Nur mit anderer Technik. Also: Weiter Energie verbrauchen, weiter konsumieren, produzieren, verkaufen. Er geht dabei davon aus, dies wolle jeder Mensch. Dabei zeigen Umfragen, daß die Ländern mit dem höchsten materiellen Wohlstand und jene mit der höchsten Wachstumsrate der Wirtschaft längst nicht die glücklichsten Bewohner haben. Glücksempfinden und materieller Wohlstand sind nur bis zu einem gewissen Grade miteinander gekoppelt. Die Wohnung, den Keller und die Garage voller Kram zu haben macht nicht zwingend glücklicher. Auch wenn uns Werbung und der konsumorientierte Zeitgeist vermitteln, der Sinn des Lebens läge im Kaufen und Horten, im Arbeiten und Anhäufen, so stellen immer mehr Menschen diesen Sinn in Frage. Sie erkennen beispielsweise: Um einzukaufen braucht ich Geld. Um Geld zu bekommen muss ich mich der Arbeit widmen. Für die Arbeit allerdings brauche ich Zeit. Sie erkennen also: Sie tauschen Einkaufen gegen Lebenszeit. Lebenszeit, die unwiederbringlich hinter uns liegt, wenn wir sie eingetauscht haben. Lebenszeit, die jedem von uns nur begrenzt verfügbar ist und mit das Wertvollste darstellt, was uns gegeben ist. Die sich daraus entwickelnde Frage, ob uns das Einkaufen unsere Lebenszeit wert ist, führt direkt zur Idee der Genügsamkeit: Wo liegt ein sinnvolles Verhältnis zwischen dem Einsatz unserer Lebenszeit und unseren Konsummöglichkeiten?

Kreativität gesucht!

Die Antworten könnten gefunden werden, wenn wir die menschliche Kreativität in andere Bahnen lenken. Kreativität nicht dazu zu verwenden, wie wir noch mehr Produkte herstellen, um uns gegenseitig unser Geld (=Lebenszeit) aus den Taschen zu ziehen, sondern beispielsweise darüber nachzudenken, wie wir Gesellschaft organisieren. Wie läßt sich ein bestimmtes Wohlstandsniveau bei möglichst geringem Zeit- und Ressourcen-Einsatz bewerkstelligen?

Für den Einzelnen liegt diese Antwort nah: Verschwendung vermeiden. Auch Energie will gekauft und bezahlt werden. Wer Energie verschwendet muss mehr Zeit aufwenden, um die finanziellen Mittel dafür ranzuschaffen. Wer mit Energie sparsam umgeht, spart sich Geld und damit Zeit. Unter der Maßgabe, daß “Peak Oil” ein reales Phänomen ist, ist im Laufe der kommenden Jahre mit steigenden Energiekosten zu rechnen. Und mit einem niedrigeren Energieangebot. Die eigene Verschwendungssucht in den Griff zu bekommen ist also ein erster Schritt, mit dem sich jeder selbst helfen kann: Mehr Geld/Zeit für den Genügsamen, weniger Energieverbrauch für uns alle. Und wer einen Schritt weitergehen will, der wird sich fragen: Brauche ich dieses oder jenes technische Gerät wirklich? Ist es sinnvoll, die Heizung bei offenem Fenster zu betreiben? Muss ich den nächsten Weg mit dem Auto zurücklegen oder habe ich Alternativen wie Fahrrad oder den öffentlichen Verkehr?

Der öffentliche Verkehr ist ein Beispiel dafür, wie kollektive Genügsamkeit aussehen kann. Für viele Menschen ist das Auto Statussymbol (böse Stimmen sagen “Schwanzverlängerung”) und Bequemlichkeitsfaktor in einem. Aber es ist auch teuer: Ein Einzelner muss meist viele Monate arbeiten, um soviel Geld angesammelt zu haben, um sich ein Auto zu kaufen. Dieses Auto, in welches schon bei der Herstellung große Mengen Energie eingeflossen sind, steht dann den Großteil seiner Lebenszeit ungenutzt herum, während andere sich ebenfalls Autos kaufen, denen dasselbe Schicksal beschieden ist. Auch die Nicht-Nutzung eines Autos kostet: Versicherungsgebühren, Steuern, Platz in den Gemeinden. Welch Verschwendung von Ressourcen, Kapital und Zeit! CarSharing ist ein kreativer Ansatz, der dieses Problem aufgreift. In einem CarSharing-System teilen sich mehrere Menschen mehrere Autos, so daß deren Auslastung steigt und damit die Gesamtkosten für den Einzelnen sinken. Dieser Weg des Teilens von Ressourcen läßt sich sicherlich in andere Bereiche der Gesellschaft übertragen – wenn wir als Gesellschaft unser Augenmerk und unsere Kreativität darauf richten. CarSharing zeigt den Tausch, den der Einzelne vornimmt: Er verliert den Eigentumsstatus über ein Auto und dessen jederzeitige Verfügbarkeit, er gewinnt Zeit&Geld, welches er nicht für die Anschaffung eines Autos einsetzen muss. Derzeit müssen CarSharing-Nutzer intensiver planen und die Nutzung eines Autos anmelden. Aber wie sähe unsere Mobilität aus, wenn CarSharing ein allgemein genutztes Prinzip wäre. Wenn Autos an jeder Ecke stünden, die man mietet statt sie zuvor kaufen zu müssen? Könnte man dann nicht Bequemlichkeit und Ressourceneinsparungen zu einer Win-Win-Situation verknüpfen?

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Mit der Maus über das Bidl fahren, um den Effekt zu sehen.

Wohin wollen wir?

Autos stehen auch heute schon an jeder Straßenecke. Und man könnte meinen: Das muss so sein! Weltweit sind alle Volkswirtschaften auf ein Hauptziel ausgerichtet: Wachstum. Es wird nicht hinterfragt. “Mehr Wirtschaftswachstum” ist (in)offizielle Agenda jeder Regierung der Welt. Um das zu erreichen ist es wichtig, so viele Produkte wie möglich herzustellen und zu verkaufen. Im Sinne der Steigerung des Bruttoinlandsproduktes ist Mehr immer besser. Natürlich verträgt sich das schlecht mit der Idee einer “kollektiven Suffizienz”. Je mehr Menschen sich “genügen” würden, umso schwieriger wäre es, das Ziel des ewigen Wachstums aufrecht zu erhalten. Suffizienz und Wachstumsideologie passen also nicht zusammen.

Doch vielleicht ist die Zielsetzung des ewigen Wirtschaftswachstums auch nicht unbedingt die sinnvollste. Auch wenn die große Politik und die Medien diese Zielsetzung unhinterfragt wiederkäuen: In einer demokratischen Gesellschaft ist es nötig, daß über Ziele diskutiert wird! Worauf wollen wir unsere Wirtschaft eigentlich ausrichten? Welchem Ziel soll unser Wirtschaften dienen? Wofür wollen wir unsere Lebenszeit “opfern”? Einfach nur für “mehr”? Was fehlt uns denn eigentlich noch?

”Was will ich wirklich wirklich?”
(Fridtjof Bergmann)

Dass wir die Wahl haben, dass wir bestimmen könnten, in welche Richtung wir unsere gesellschaftliche Entwicklung ausrichten wollen, wird leider in der Öffentlichkeit viel zu selten thematisiert. Doch es ist so! Wirtschaftswachstum ist längst nicht das einzige Ziel, das sich eine Gesellschaft setzen kann. In den 1980er Jahren hat das Königreich Buthan seinem Wirtschaftssystem eine andere Zielsetzung verpasst: Dort will man das Bruttonationalglück steigern (Gross National Happiness), nicht das Bruttoinlandsprodukt. Wirtschaft soll also nicht auf möglichst großen Output optimiert werden, sondern die Rahmenbedingungen sollen so gesetzt werden, daß die Bewohner Buthans möglichst glücklich werden. Solch eine Zielsetzung scheint ungewohnt für jene, die Wirtschaftswachstum als einziges Kriterium kennen. Die Idee des Bruttonationalglücks zeigt jedoch eins: Wirtschaft könnte auch ganz anderen Zielen dienen! Doch welche Ziele wollen wir?

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Ausgehend von “Peak Oil” könnte eine Zielsetzung lauten: Energieeffizienz steigern! Dasselbe produzieren bei halbem Energieeinsatz – wäre das nicht eine Herausforderung für das gesamte Ingenieurwesen? (Wobei der Rebound-Effekt zu beachten sei, denn leider führt eine höhere Energieeffizienz selten zu echten Einsparungen, vielmehr wird – durch Preis-Effekte – das Eingesparte anderswo durch Mehrverbrauch wieder verpulvert. Ein klassisches Dilemma.) Die Zielsetzung könnte auch lauten: Zeiteffizienz steigern! Dasselbe produzieren bei Halbierung der Arbeitszeiten der Bevölkerung. Was wäre das für eine Welt, wenn sich unsere halbe Arbeitszeit in Freizeit wandeln würde? Und natürlich könnte das Ziel auch sein, nur noch die Hälfte zu produzieren aber trotzdem Ideen zu entwickeln, die uns die Halbierung nicht als Verzicht, sondern als Bereicherung erscheinen lassen. Mehr Zeit für Kinder, Freunde und Familie. Mehr Sozialleben statt Arbeitsleben. Gesündere Umwelt mit weniger Verkehr und weniger Ressourcenverbrauch.
Doch es gäbe noch weitere Ziele, die denkbar sind und die mehr mit Genügsamkeit als mit ewigem Wachstum zu tun haben…

Die pessimistische Sicht auf Peak Oil sagt: Das kommt sowieso. Die Wahl der künftigen gesamtgesellschaftlichen Produktionsmenge ist keine, die wir treffen können – sie wird uns durch die Ölknappheit aufgezwungen. Unser ölabhängiger, auf Wachstum programmierter Lebensstil ist nicht nachhaltig und wird von Peak Oil hart getroffen. Die optimistische Sicht interessiert das alles nicht, sie sagt: Weiter geht’s und weiter wird es gehen! Doch abseits davon liegt die persönliche Entscheidung für den Lebensstil natürlich in der Hand eines jeden von uns. Und gipfelt in der Frage an uns selbst: Wie viel ist mir genug?

Links

Norbert Rost, www.peak-oil.com, September 2009

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Sep
02
2009
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Welche Religion kommt nach dem Kapitalismus?

Wie wäre es heute zur Abwechslung mal mit etwas grundlegender Konsum- und Kapitalismuskritik? Das ORF brachte vor einiger Zeit die ausgesprochen gelungene Sendung „Der Kurssturz des goldenen Kalbes – Welche Religion kommt nach dem Kapitalismus?“, in der die Rituale, die unser heutiges Konsumentendasein bestimmen mit denen früherer Religionen in Bezug gesetzt werden: „der totale Markt als Erlösungsreligion“ oder „Werbung als milliardenschwere Verkündigungsmaschinerie“ sind einige der hübschen Formulierungen, die die Autoren finden. Generell zeichnet der Beitrag ein, wie ich finde, durchaus zutreffendes Bild dieses zerstörerischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems, untermauert mit einigen (halb)philosophischen Gedanken. [via]

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Aug
11
2009
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Ein Blick durchs Netz – Bundeswehr, Marketing, Schweinegrippe, McDoof, FDP, Bezahlmedien sowie der Kapitalismus als solcher

seetaubeIn den letzten Tagen haben sich bei mir so viele lesenswerte Artikel angesammelt, dass ich heute mal eine kleine mittelgroße Rundschau über ein paar aktuelle, aber auch grundsätzliche Themen und Beiträge bieten möchte.

Der Schweizer Think About-Blog verdeutlicht in „Marketing – der Feind des Verzichts“ das, was ich hier im Blog schon des öfteren dargelegt habe: Werbung schadet und ist mehr als nur ein Ärgernis am Rande!

Marketing ist also die Kunst, Ihnen das Gefühl zu nehmen, im Überfluss des Angebots zu schwimmen, mehr zu nehmen und zu kaufen und NICHT zu meinen, sie hätten schon alles, was Sie brauchen. Glauben Sie, ein satter Konsument zu sein, so will Ihnen das Marketing das Gegenteil beweisen. Sie wissen gar noch nicht, was Ihnen alles fehlt!

In die Rubrik „Überraschung in den Mainstreammedien“ können wohl die beiden folgenden Texte einsortiert werden – in der FAZ (!) berichtet in der Reihe „Zukunft des Kapitalismus“ diesmal Ingo Schulze über „Das Monster in der Grube“. Es geht um Alternativen zum aktuellen System und darum, wie heutige (Wirtschafts-)Wissenschaftler betriebsblind geworden sind.

Der demagogische Satz, der in letzter Zeit immer wieder zu hören ist: „Der Staat ist der schlechtere Unternehmer“, sollte durch die Frage, wer der bessere Eigentümer ist und welche Interessen und Ziele der Eigentümer verfolgt, ersetzt werden. Wir müssen sagen, wofür wir die Wirtschaft brauchen und was wir von ihr wollen. Wir müssen uns darüber klarwerden, wie der Gesellschaftsvertrag aussehen soll, mit dem eine menschenwürdige Zukunft für alle möglich werden könnte.

Zweite Überraschung – die ZEIT (!) verbreitet offene Kritik an der FDP: „FDP: Vorsicht, Umfallgefahr!“. Der Wahlkampf ist also in den Medien schon längst angelaufen…

Das Problem mit der Haltung der FDP ist nur, dass sie sich seit dem Ausbruch der Krise auf zwei Sätze reduzieren lässt: Was die Liberalen ganz gut können, ist erst einmal Nein sagen. Was sie nicht so gut können, ist, dabei zu bleiben.

Einige interessante oder auch bedenkliche aktuelle Entwicklungen gibt es zudem zu vermelden – so steht ebenfalls in der ZEIT, dass der australische Medienmogul Rupert Murdoch, dem viele Zeitungen, aber auch Internetseiten wie Myspace gehören, eine Abkehr vom werbefinanzierten, dafür kostenlosen Onlinejournalismus plant. So soll man also zukünftig für viele Angebote von The Times, The Sun oder dem Wallstreet Journal löhnen. Na, ob das so ein großer Verlust für die Menschheit ist, wenn die manipulierten, lobbydurchtränkten Inhalte nicht mehr frei verfügbar sein werden… Dass es der Werbebranche schlecht geht, ist natürlich zu begrüßen. ;-)

Der australische Medientycoon Rupert Murdoch will im Internet alle Nachrichtenangebote seines weltweiten Konzerns kostenpflichtig machen. Murdoch reagiert damit auf die heftige Werbe- und Medienkrise. Immer mehr Medienhäuser denken inzwischen über eine solche Abkehr von Gratisnachrichten im Netz nach.

Und, schon mit Medikamenten gegen die böse Schweinegrippe eingedeckt? Immer öfter liest man inzwischen Berichte, dass von den Regierungen großflächige Impfaktionen geplant werden – und das, obwohl diese Grippe in unseren Breiten auch nicht schlimmer ist, als die normale. quer berichtete letztens sogar, dass die Fälle in Bayern eher milder abliefen als bei einer handelsüblichen Grippe. Der Flensburger Arzt und SPD-Politiker Dr. Wolfgang Wodarg redet in seinem bemerkenswerten Artikel „Schweinegrippe – das Geschäft mit der Angst“ erfreulichen Klartext:

Ich halte die “Schweinegrippe” für eine unverantwortliche, wirtschaftlich motivierte Panikmache und sehe nach intensiven Recherchen und persönlichen Gesprächen, unter anderem mit dem Leiter des Robert-Koch-Institutes, keinen Grund, die Empfehlungen zum Grippeschutz anders zu handhaben als in den Vorjahren.

Apropos Gesundheit – wie die taz vor einigen Tagen schrieb, werden Schulklassen, die das Bundesverteidigungsminsterium besuchen, großzügig mit McDonald’s-„Essens“gutscheinen versorgt. Skandalös ist hier auch die dreist-dumme Antwort, die das Ministerium einer Anfrage durch die Grünen zuteil werden ließ – „Fettiges Fastfood für die Bildung“:

“Die angebotene Kombination von Getränken und Speisen, darunter auch Salat, und die ergänzende Beratung des Besucherdienstes sind ausdrücklich im Sinne des Programms der Bundesregierung”, verteidigt Kossendey die fettige Verköstigung. Außerdem entscheide ja über die Annahme der Gutscheine das begleitende Lehrpersonal – auch über die “Inanspruchnahme und die Speisenzusammenstellung die Schüler”.

Großartig, so sieht Verantwortung aus – dass der Fast-Food-Fraß im Sinne eines Programms für die Gesundheit der Jugend sein soll, ist ja wohl ein schlechter Scherz. Als wenn die momentane PR-Kampagne der Bundeswehr im Jugendmagazin Bravo nicht schon abstoßend genug wäre. Hier lohnt sich sowohl der Bericht auf TelepolisFrisches Blut – die Bundeswehr such Nachwuchs und bedienst sich dabei massiv zivilier Jugendmedien“ als auch der Originalbeitrag in der Bravo. Vorsicht, nüchtern ist diese versuchte Gehirnwäsche durch das Militär nicht zu ertragen.

“Liebst du das Abenteuer? Bist du topfit?” – Mit  diesen Fragen wirbt die Bundeswehr seit einiger Zeit auf einer Webseite (1)  von Deutschlands größtem Jugendmagazin BRAVO für “tolle Tage im  Ausbildungscamp der Einzelkämpfer” in der Luftlande- und Lufttransportschule  der Bundeswehr im oberbayerischen Altenstadt. Nicht das erste Mal, dass sich  die Bundeswehr ziviler Medien bedient um neuen Nachwuchs zu  gewinnen.

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2009
12

Buchbesprechung: Horst Stowasser „Anarchie!“

stowasser-anarchieEin Buch, das über 500 Seiten mächtig und dazu noch recht eng bedruckt ist, liest man nicht mal so eben flott durch. Folgerichtig habe ich an Horst Stowassers faszinierendem Werk „Anarchie! Idee – Geschichte – Perspektiven“ eine ziemlich lange Zeit gelesen und tue mich nun auch ein wenig schwer, eine kurze & knappe Rezension dieses Buches zu verfassen, denn es ist vollkommen ausgeschlossen, in ein paar Zeilen die Fülle an Informationen und Anregungen, die der Autor dem Leser hier vermittelt, darzulegen. Dass es dringend angezeigt ist, sich Gedanken über Alternativen zu den jetzigen bzw. sattsam bekannten (gescheiterten) Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen (Kapitalismus/Marktwirtschaft, Kommunismus) zu machen, verdeutlicht die „Finanzkrise“ tagtäglich aufs Neue und ist ja nun auch schon seit einer Weile ein ständig wiederkehrendes Thema in meinem Blog. Von daher ist Stowassers umfassende Analyse der Ideen der Anarchismus aktueller und notwendiger denn je – alternative Zukunftsvisionen, z.B. jenseits der Warenwirtschaft, zu entwickeln und zu durchdenken findet ja im alltäglichen Politzirkus unserer Parteien-Demokratie leider überhaupt nicht statt.

Wie schon der Untertitel andeutet ist Stowassers Buch in drei große Bereiche gegliedert. Im ersten Teil, „Die Idee“, geht es um die grundlegende Klärung dessen, was Anarchie bzw. Anarchismus eigentlich ist, was er will – und was nicht! Denn leider ist es ja doch so, dass heutzutage die meisten Menschen beim Begriff „Anarchie“ an langhaarige Bombenleger, an Gewalt und Chaos denken. Dass dieses negative Image seine Wurzeln in einer sehr kurzen Phase der Anarchie hat, die Ende des 19. Jahrhunderts dazu führte, dass einige radikale Aktivisten meinten, die Repräsentanten eines verhassten Systems mit Bomben aus dem Weg zu schaffen, führt der Autor später weiter aus – zunächst stellt er klar, dass Anarchie grundlegend gewaltfrei ist und nichts mit chaotischen Zuständen zu tun hat, das Grundprinzip der Anarchie ist von seinen Ursprüngen an „Ordnung ohne Herrschaft“ (das Wort „Anarchie“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „keine Herrschaft“). Ich muss dabei gestehen, dass ich bis zur Lektüre dieses Buches selbst wenig über die Ideen wusste, die Anarchie ausmachen und auch eher dem Chaos-Begriff zuneigte. Dabei lerne ich schon auf den ersten Seiten, dass ich von meiner Persönlichkeit her tendenziell zu den „natürlichen Anarchisten“ zähle :-) , also denjenigen, die z.B. ein Problem mit Herrschaftsstrukturen und starren Systemen haben.

Folgerichtig lehnen Anarchisten die Idee und das Konzept eines Staates als Bevormundungs- und auch Unterdrückungssystem ab, aber auch die uns derzeit beherrschende Form der Demokratie als Parteienherrschaft. Eine anarchistische Partei wäre demnach ein Widerspruch in sich (obwohl es so etwas mal in Spanien gab). Generell gibt es – anders als bei Zwangsbeglückungssystemen wie dem Kommunismus als „staatstriefende Version des Sozialismus“ – beim Anarchismus kein starres Programm, kein dogmatisches Regelwerk, nach dem man sich zu richten hätte – die individuelle (aber eher solidarisch verstandene, also nicht neoliberal-egoistische) Freiheit des Menschen steht im Mittelpunkt sowohl der Gesellschaft wie auch der Wirtschaft.

»Der Staat ist eine Abstraktion, die das Leben des Volkes verschlingt – ein unermeßlicher Friedhof, auf dem alle Lebenskräfte eines Landes großzügig und andächtig sich haben hinschlachten lassen.« – Michail Bakunin –

Zu den ersten Höhepunkten von Stowassers Ausführungen gehören für mich, neben den Abschnitten über die anarchistische Kritik am Kommunismus, am Staat und der (Parteien-)Demokratie, das Kapitel „Eine andere Ökonomie“, in der der Autor eine in meinen Augen hervorragende und messerscharfe Analyse unseres Wirtschaftssystems vornimmt und den Finger an viele Wunden legt und dabei auch unsere „Wissenschaft“ (Betriebswirtschaftslehre etc.) nicht verschont. Da ich dieses Kapitel für so grundlegend wichtig halte, habe ich es einmal als eigenes pdf extrahiert (hier herunterzuladen) – jeder BWLer, jeder Banker und alle Anhänger der ach! so sozialen Marktwirtschaft sollten diese 25 Seiten mal gelesen haben… Viele andere Facetten des ersten Abschnitts dieses Buches, sei es das Patriarchat, Gedanken zu einer freieren Kunst, zur Vernetzung, zur Ökologie usw. kann ich an dieser Stelle nicht näher ausführen.

In der Schule – gleichgültig ob staatlich oder religiös geprägt – würden Untertanen hergestellt. Auch wenn als Erziehungsziel offiziell der ›kritische und mündige Staatsbürger‹ gefordert werde, bleibe es immer noch beim Staatsbürger. Neben Lesen, Schreiben, Rechnen und viel ›Sachwissen‹ werde vor allem eines gelehrt: Anpassung an die bestehenden Gesellschaftsverhältnisse – zwar nicht als Lehrfach, aber überall versteckt. Und selbst das angeblich wertfreie ›Sachwissen‹ stecke bei näherem Hinsehen voller Einseitigkeit, Ideologie und Phantasielosigkeit. Vielfalt, wirkliche Alternativen und vor allem Freiheit des Lernens gebe es nicht.

Im zweiten Teil, „Die Vergangenheit“, liefert uns Horst Stowasser eine packende Zusammenfassung der Geschichte der Anarchie, von frühern Vorläufern, ersten Experimenten, über die Entstehung des Anarchie-Konzepts im 19. Jahrhundert parallel bzw. zu Beginn sogar gemeinsam mit der Entwicklung des Sozialismus – erst nach einiger Zeit begannen sich Sozialisten und Anarchisten in unterschiedliche Richtungen zu entwickeln. Tatsächlich wurden die Sowjet-Kommunisten (zusammen mit den Faschisten) im 20. Jahrhundert die größten Feinde der Anarchisten und bekämpften diese mit aller Macht. Ich muss gestehen, dass ich im Geschichtsunterricht nichts über diese Entwicklungen gelernt habe und mir diese ganzen Details und Verknüpfungen komplett neu waren; ich kannte nicht einmal die bekanntesten Köpfe der Anarchiebewegung wie Michail Bakunin oder Pierre-Joseph Proudhon. Da Stowasser einen sehr angenehmen, lockeren Schreibstil hat, der nicht unnötig mit Fachvokabular überfrachtet ist, fand ich diese „Geschichtsstunde“ extrem spannend und bereichernd, zumal man erfährt, wie stark die Idee des Anarchismus/Anarchosyndikalismus von allen Seiten der Repression ausgesetzt war. Der Autor findet darum verständlicherweise auch wenig gute Worte über Kommunisten, Kapitalisten und Faschisten, aber auch nicht für Sozialdemokraten und die Gewerkschaften, die ihre ursprünglichen Ideen und Ideale längst auf dem Altar der Machterhaltung geopfert haben.

So deprimierend und hart sich auch manches liest, was dem Leser dort an (ausgerotteter) anarchistischer Geschichte vor Augen geführt wird, so ist es auch faszinierend zu sehen, wie vielschichtig, wie bunt und schillernd diese Bewegung all die Jahrzehnte über war – und dass sie 1936 für 3 Jahre in Spanien (wo die Bewegung auch heute noch am stärksten ist) einige große Städte wie Barcelona unter ihrer Selbstverwaltung hatten und trotz des Kampfes gegen die spanischen Faschisten (den sie am Ende bekanntlich gegen Francos Truppen verloren) dort ein funktionierendes und den Umständen entsprechend blühendes Alltagsleben initiieren konnten.

stowasserEtwas ernüchtert ist Stowassers Analyse des heutigen Zustands des Anarchismus, der aktuell durch eine gewisse Rat- und Richtungslosigkeit gekennzeichnet ist, wobei sich andererseits viele Initiativen, die zwar nicht das Label „Anarchie“ tragen, dennoch aber deren Gedanken in die Tat umsetzen, entwickelt haben – selbst verwaltete Firmen, regionales Wirtschaften uvm. – u.a. darum geht es im dritten und kürzesten Teil, „Die Zukunft“ des Anarchismus.

Am Ende der mehr als 500 Seiten trennt man sich nur ungern von der Lektüre dieses großartigen Buches, das ich wirklich wieder einmal nur jedem ans Herz legen kann. Aber Vorsicht: Wer ein Patentrezept für ein zukünftiges Gesellschaftssystem erwartet, also eine fertige Anleitung mit integriertem Regelsystem, wird enttäuscht sein, denn so etwas widerspräche irgendwie auch dem Geist des Anarchismus. Vielmehr geht es m.E. darum, in vielen Bereichen die festgefahrenen Denkschablonen zu verlassen und Diskussionen über Alternativen zuzulassen und anzuregen. Und zu erkennen, dass Menschen schon seit langem kreativ über ein menschengerechteres Zusammenleben nachdenken. Die Marktwirtschaft ist nicht das Ende der Geschichte.

Ach ja, bevor mir jetzt jemand wieder einen Konsumaufruf unterstellt, weil ich dieses Buch empfehle: Die alte Ausgabe dieses Werkes gibt es tatsächlich legal und kostenlos als pdf im Netz, und zwar auf der Website Mama Anarchija (>> pdf). Diese 1995 im Eichborn Verlag erschienene Version ist gut 100 Seiten schlanker, heißt noch „Freiheit pur – Die Idee der Anarchie“ und diverse aktuelle Entwicklungen und Betrachtungen fehlen natürlich (damals hatten wir beispielsweise noch die D-Mark!), aber als Einstieg ist auch diese Variante durchaus zu empfehlen.

Horst Stowasser: „Anarchie! Idee – Geschichte – Perspektiven“, Edition Nautilus 2006, 511 S., 24,90 €

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Mrz
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Wir zahlen nicht für Eure Krise!

Auf folgende Veranstaltung möchte ich doch gerne alle hinweisen – denn diese „Finanzkrise“, in der Milliarden und in den USA mittlerweile Billionen (trillions!) von Euro und Dollar von staatlichen und damit Steuergeldern zur Rettung eines kranken und abgewirtschafteten Systems verwendet werden, sollte nicht auf unserem Rücken ausgetragen werden (auch wenn alles danach ausschaut, als wenn Politik & Finanzwirtschaft genau darauf hinsteuern). Das Motto ist also, sich nicht alles gefallen zu lassen und auch zu zeigen, dass man den oft hohlen Phrasen der Politiker nicht glaubt und sich andere Lösungen vorstellt. Deshalb:

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Bundesweites Bündnis ruft zu Demonstrationen gegen Krisenpolitik der Regierung auf
Pressemitteilung des bundesweiten Bündnisses “Wir zahlen nicht für eure Krise”

Ein breites Bündnis aus Gewerkschaftsgliederungen, Erwerbslosen- und Sozialprotestorganisationen, dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac, entwicklungspolitischen und antikapitalistische Gruppen mobilisiert unter dem Motto “Wir zahlen nicht für eure Krise! – Für eine solidarische Gesellschaft” für den 28. März zu Demonstrationen in Berlin und Frankfurt am Main gegen die Krisenpolitik der Bundesregierung. Die Proteste finden im unmittelbaren Vorfeld des so genannten Weltfinanzgipfels der G20 am 2. April in London statt. Die Veranstalter erwarten mehrere zehntausend Menschen.

“Die Krisenpolitik der Bundesregierung ist dilettantisch und unsozial zugleich. Weiterhin unterschätzt die Regierung völlig die Dramatik der Lage”, kritisiert Bernd Riexinger, Geschäftsführer des Verdi-Bezirks Stuttgart. “Bereits während der vergangenen Boomphase hat ein großer Teil der Beschäftigten Lohneinbußen hinnehmen müssen, und Leiharbeit verdrängte stabile Beschäftigungsverhältnisse. Mit dem Ausbruch der Krise geht es nun Hunderttausenden an den Kragen. Deshalb fordern wir einen Schutzschirm für Beschäftigte”.

Hüseyin Aydin von der Föderation demokratischer Arbeitervereine – DIDF ergänzt: “Insbesondere Migrantinnen und Migranten leiden unter prekären Arbeitsbedingungen. Zusätzlich stehen sie im Fall von Krisen als erste auf der Abschussliste. Die Krise zeigt verschärft, dass wir einen Richtungswechsel bei den sozialen Sicherungssystemen brauchen. Hartz IV muss weg.”

Die bisherige Krisenpolitik der Bundesregierung bewertet das Bündnis aus sozialer Perspektive als katastrophal. “Eine Antwort auf die Krise des neoliberalen Kapitalismus kann nicht die Verstaatlichung der Verluste sein. Sie muss auf Zurückdrängung von sozialer Ungleichheit weltweit und die Demokratisierung der Wirtschaft durch Vergesellschaftung setzen”, erklärt Christina Kaindl von der Gruppe Soziale Kämpfe. “Gegen Krise, Standortkonkurrenz und Profitlogik treten wir ein für eine Zukunft ohne Armut und Ausbeutung. Der Kapitalismus bietet für die Menschen keine Zukunft. Wir brauchen Alternativen zum Kapitalismus.”

Parallel zu den Demonstrationen in Deutschland erwartet der britische Gewerkschaftsdachverband TUC zu seinen Protesten gegen die G20 in London 100.000 Menschen. Auch die Teilnehmer des Weltsozialforums Ende Januar im brasilianischen Belém haben zu globalen Aktionen aufgerufen.

“Diese Krise erfordert einen Paradigmenwechsel in der Regulierung der Weltwirtschaft. Das heißt ein Schrumpfen der Finanzmärkte durch internationale Steuern, Kapitalverkehrskontrollen und das Verbot von Derivaten”, sagt Alexis Passadakis vom Koordinierungskreis von Attac. “Die Liberalisierung der Finanzmärkte, aber auch von Handel muss gestoppt werden, damit der Süden nicht die Zeche zahlt. Erforderlich ist eine Umverteilung von Nord nach Süd. Die bisherigen Ankündigungen der G20 laufen auf ein business as usual hinaus. Es ist Zeit, dass Druck von der Straße das Blatt wendet.”

Die Berliner Demonstration startet um 12 Uhr am Roten Rathaus. Die Frankfurter Protestzüge beginnen ebenfalls um 12 Uhr am Hauptbahnhof und der Bockenheimer Warte. Die Abschlusskundgebungen in Berlin am Gendarmenmarkt und in Frankfurt auf dem Römerberg sind für 15 Uhr geplant.

Kontakt: kapitalismuskrise.org

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