Mrz
30
2012
4

Lesetipps: Reichtum & Ruhm | Hilfe, LOHAS! | Marlboro | Konsumverzicht

Es wird mal wieder Zeit für ein paar Lesetipps im Konsumpf – beginnen möchte ich mit dem Artikel „Nur noch Reichtum und Ruhm im Kopf?“ von Florian Rötzer auf Telepolis. Er stellt eine neue US-Studie vor – anhand der sich mir die Frage stellt, ob die nun seit einigen Jahrzehnten andauernde und von Medien, Reklamewirtschaft und Politik betriebene „Umerziehung“ der Menschen von Bürgern zu Konsumenten „Früchte“ getragen hat, also Erfolge im Sinne der Durchkommerzialisierer zeitigt. Hoffentlich nicht!

(…) was auch für die nach 1982 Geborenen zutrifft. Für sie sind extrinsische Werte wie Geld, Aussehen und Ruhm wichtiger als für die Baby Boomer, während intrinsische Werte wie Selbstakzeptanz, Gemeinschaft oder Zugehörigkeit eine geringere Rolle spielen. Die Sorge um die Mitmenschen nahm hingegen nur leicht ab, die bürgerpolitische Orientierung, also das Interesse an sozialen Problemen, politischer Partizipation, Vertrauen in die Regierung oder Engagement für die Umwelt oder das Energiesparen ging hingegen beträchtlich zurück, vor allem was den Umweltschutz anbelangt, der das Thema der vorhergehenden Generation war und ist. Es gebe keineswegs eine “Generation Wir” meinen die Psychologen, sondern vielmehr eine “Generation Ich”. (…)

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Sep
23
2010
2

Lesetipps: „Die Diktatur des Lebenslaufs“ / „Welch hoffnungsloses Menschenbild!“ / Feuchte Luft und Hundekot können Strom liefern

© siwlian, stock-xchng

Die Debatte um Sarrazins Buch und Thesen neigt sich ja nun hoffentlich bald dem Ende zu, auf dass die nächste Sau durch’s mediale Dorf getrieben werden kann. Dennoch möchte ich noch kurz auf den wirklich lesenswerten Artikel des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel in der ZEIT hinweisen – „Welch hoffnungsloses Menschenbild!“. Ruhig und sachlich zeigt er die Perfidie in Sarrazins Gedankengängen auf, ohne gar zu sehr mit der Rassismuskeule zu wedeln. Ich denke, nach der Lektüre dieses Texts sollte man das Sarrazinsche Werk nicht mehr als Grundlage für irgendwelche Debatten heranziehen, es hat sich selbst als vorgestrig disqualifiziert.

(…) Eines steht fest: Man kann Thilo Sarrazin jedenfalls nicht vorwerfen, er würde nicht klar und deutlich schreiben, was er denkt und was er will. Sein Buch ist nicht mehr und nicht weniger als die Rechtfertigungsschrift für eine Politik, die zwischen (sozioökonomisch) wertvollem und weniger wertvollem Leben unterscheidet. Er greift dabei zurück auf bevölkerungspolitische Theorien, die Ende des 19. Jahrhunderts und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die Grundlage für die schrecklichsten Verirrungen politischer Bewegungen wurden. Staatliche Entscheidungen über gewünschtes und unerwünschtes Leben führten in Schweden – unter Anleitung von Sozialdemokraten (!) – zu 60.000 Sterilisationen. Und auch in Deutschland war es in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts sowohl in bürgerlichen wie in sozialdemokratischen Kreisen durchaus populär, für eine vom Staat getroffene Unterscheidung zwischen gewünschter und unerwünschter Fortpflanzung einzutreten. Am katastrophalen Ende bemächtigten sich die Nationalsozialisten der Eugenik. Andere hatten ihnen dafür den Boden bereitet, und Wissenschaftler lieferten die perversen Begründungen für die Auslöschung »unwerten« Lebens. (…)

(…) Das gleiche gilt für ihn auch für den Länderfinanzausgleich zwischen dem Süden und dem Norden Deutschlands, weil » die in Schwaben lebenden Menschen durchschnittlich einen höheren Intelligenzquotienten haben als jene in der Uckermark (…)«. (S. 24) Nicht die Deindustriealisierung des Nordostens nach der Wiedervereinigung ist also schuld am hohen Anteil von Hartz-IV-Empfängern, sondern die genetisch bedingt weniger tüchtige Bevölkerung (vgl. S. 77). Wer denen im Norden oder im Nordosten Geld gibt, der schmeißt für Thilo Sarrazin nur Geld zum Fenster heraus, denn Geld macht nicht klüger. Es führt nur dazu, dass die Dummen weiter unter sich bleiben können. Aber eigentlich ist das Ganze noch viel schlimmer, denn selbst die Abwanderung aus dem Norden in den Süden ist kein Ausweg: Wenn sich nämlich die Norddeutschen mit den Süddeutschen durch Abwanderung und Heirat vermischen, sinkt die durchschnittliche Intelligenz der Süddeutschen. Wohlgemerkt: Dieser absurde Unsinn stammt nicht aus einer Aschermittwochsrede in Bayern, sondern aus dem medial wie kein zweites Buch gehypten angeblichen »Integrations«-Bestseller Thilo Sarrazins. (…)

Ja, wie gesagt, es lohnt sich, den gesamten Artikel zu lesen. Wie auch – Themenwechsel – „Die Diktatur des Lebenslaufes“ in der taz. Hatten Kinder und Jugendliche früher noch vergleichsweise viel Zeit und Raum, um sich zu entfalten, um etwas auszuprobieren und Neigungen zu testen, so steht heutzutage das ganze Leben unter dem Damoklesschwert der Karriere, die man möglichst schon in der Grundschule anpeilt und dann konsequent und zielstrebig in so kurzer Zeit wie möglich nach der Uni erreicht. Diese Durchökonomisierung und diesen Einfluss der Effizienz auf das eigene Leben habe ich hier im Blog ja schon einige Male sehr kritisch gesehen.

(…) Fred Grimm ist ein Experte für das Lebensgefühl junger Generationen. Für sein Buch „Wir wollen eine andere Welt“ hat der Autor in Briefen und Tagebüchern junger Menschen seit 1900 recherchiert. Die Lage der aktuellen Jugend analysiert Grimm klar: „Es gab bessere Zeiten, jung zu sein“. Während der eine Teil der Jugend unter der „Diktatur des Lebenslaufes“ leide, lebe der andere im Bewusstsein, in der Gesellschaft überflüssig zu sein.

Ähnlich sehen das diejenigen, die mit den Auswirkungen eines karriere-orientierten Bildungssystems direkt konfrontiert sind. Der rheinland-pfälzische Schülervertreter Philipp Bodewing bemängelt die Ganztags-Gängelung junger Menschen in den Schulen. Immer früher müssten junge Menschen immer größere Unterrichtsmengen verarbeiten, strikt nach Lehrplan. Raum zur eigenen Entfaltung bleibe da kaum. (…)

Interessantes gibt es aus der Forschung zu berichten – trotz der unsinnigen Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke hierzulande („unsinnig“ natürlich nur für die Bürger, nicht für die Konzerne) wird auf immer neue Weisen versucht, Energie aus alternativen Stoffen zu gewinnen. Pressetext.de führte unlängst zwei ungewöhnliche Varianten an – „Feuchte Luft kann Strom liefern“ und „Hundekot beleuchtet einen Park“. Es lohnt sich also anscheinend, auch in ungewöhnliche Richtungen zu denken. Ob aus den Experimenten jemals etas wirklicb Verwertbares entspringt, steht natürlich in den Sternen.

Zur Debatte rund um den Wachstumszwang unserer Wirtschaft, den auch die Politiker einhellig am Laufen halten, gibt es einen weiteren gelungenen Beitrag, diesmal von Cornelius Patscha auf changeX – „Auf der Suche nach einem Ausweg aus dem Wachstumsdilemma“. Ich hatte ja vor einigen Tagen bereits auf den neuesten Artikel von Niko Paech hingewiesen (HIER), der allerdings eine noch etwas konsequentere/radikalere Sicht auf das Problem hat.

(…) Doch Wohlstand allein am Umfang des materiellen Besitzes ausmachen zu wollen, würde zu kurz greifen. Das Wohlergehen des Einzelnen ist entscheidend. Seit mehr als einem Jahrhundert wird die Mehrung von Wohlstand jedoch vor allem in einer Mehrung des materiellen Konsums gesehen. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) steht im Fokus wirtschaftlicher und vieler politischer Aktivitäten. Der Ökonom E. F. Schumacher, der als früher Prophet der Nachhaltigkeit gilt und die Wendung “small is beautiful” geprägt hat, machte auf die Tendenz aufmerksam, dass im Streben nach wirtschaftlicher Expansion die eigentlichen Ziele in Vergessenheit geraten und die eingesetzten Mittel ihren Platz einnehmen können. Das Wohlergehen des Einzelnen läuft Gefahr, weniger Beachtung zu finden, wenn die Sicherstellung der wirtschaftlichen Expansion vom Mittel zum Ziel wird. (…)

(…) Wenn im Jahr 2050 rund neun Milliarden Menschen nach Nahrung, Kleidung und einem Dach über dem Kopf verlangen, und darüber hinaus noch nach einem Auto, einer Villa und einem Pool, stoßen auch lobenswerte und notwendige Ideen für geschlossene Stoffkreisläufe, wie zum Beispiel Cradle to Cradle, an ihre Grenzen. Solch eine Weltwirtschaft wäre um ein Vielfaches größer als unsere heutige. Die Kosten für Umwelt und Gesellschaft wären es vermutlich auch. Dennoch fahren wir mit voller Kraft darauf zu. (…)

(…) Ob wir uns in Zukunft weiterhin daran messen, wer sich die meisten, neuesten, teuersten Güter leisten kann oder wessen Lebensstil Umwelt und Ressourcen am besten schont, das entscheidet jeder für sich. Doch auch wenn sich unsere Lebensweise deutlich ändern wird, geht es beileibe nicht darum, wieder in Höhlen zu hausen. Es wird weiter konsumiert werden, nur anders und weniger. (…)

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Aug
15
2010
8

Lesetipps: Tobias Schlegl im Interview / „Die Null-Blog-Generation“ / Konsumaufklärung in Dresden

© mmagallan, stock.xchng

Wenn man sich so in der Web 2.0-, Twitter- und Bloggosphäre umhört, dreht sich dort eigentlich sehr viel darum, wie sehr das Internet doch das komplette Leben der Menschheit auf den Kopf gestellt hat und noch stellen wird – gesellschaftliches Miteinander wird, zumindest in den Augen von technikbesessenen Mitt-Dreißigern, die sich scheinbar den ganzen Tag nur um ihren Twitteraccount und ihr Online-Ego kümmern, in Zukunft völlig anders aussehen und durch das Netz revolutioniert. Dem widerspricht nun der bemerkenswere Artikel „Die Null-Blog-Generation“ von Manfred Dworschak auf Spiegel-Online, in dem der Autor diverse aktuelle Studien betrachtet, die belegen, dass die nachwachsende Generation, die Jugend von heute, das Internet zwar als selbstverständliche Einrichtung, als ein Medium (unter mehreren) benutzt, aber keineswegs normale Verhaltensweisen und Präferenzen deshalb ignoriert. Wirklich konstruktives und aktives Nutzen des Netzes, beispielsweise Mitgestaltung in Form von Blogs usw. usf., bleibt auf eine kleine Minderheit beschränkt:

Die Jugend, zur “Netzgeneration” verklärt, hat in Wahrheit vom Internet wenig Ahnung. Und die Moden des Web 2.0 – von Bloggen bis Twittern – sind den Teenagern egal. Neue Studien zeigen: Es gibt für sie immer noch Wichtigeres im Leben. […]

Eine kleine Industrie von Autoren, Beratern und findigen Therapeuten lebt von der immer gleichen Botschaft: Die Jugend sei durch und durch geformt von dem Online-Medium, in dem sie groß geworden ist. Speziell die Schule müsse ihr deshalb ganz neue Angebote machen; der herkömmliche Unterricht erreiche diese Jugend gar nicht mehr. […]

[…] Zahlreiche Studien haben inzwischen zusammengetragen, wie die Jugend tatsächlich mit dem Internet umgeht. Ihre Befunde lassen vom Bild der “Netzgeneration” wenig übrig – und zugleich räumen sie auf mit dem Glauben an die alles verändernde Macht der Technik. […]

[…] Für die Jugendlichen ist dieser Wendepunkt jetzt erreicht. Das Internet gehört schon nicht mehr zu den Dingen, an die sie freiwillig Gedanken verschwenden. Die Aufregung um den “Cyberspace” war, wie es scheint, ein Phänomen der Altvordern, der technikvernarrten Gründergeneration. Für eine kurze Übergangszeit schien das Netz ungemein neu und anders, eine eigene revolutionäre Macht, die alles packt und umformt. […]

Nicht mehr zu den ganz Jungen, aber doch Dank seiner Viva-Vergangenheit immer noch in gewisser Verbindung zur „Musikclip-Generation“ gebracht, gehört Tobias Schlegl, der nicht nur als Moderator der NDR-Satiresendung extra 3 glänzt, sondern sich auch intensiv für Nachhaltigkeit und Aufklärung in Bezug auf Konzern- und Umweltsünden einsetzt. Die taz interviewt Schlegel zu seinen An- und Absichten und seinem Kampf für eine bessere Welt – „Man darf nicht bekehren wollen“:

[…] Früher waren sie Viva-Moderator, heute sind Sie Weltverbesserer. Wie kam es zu dem Sinneswandel?

Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun. Das eine ist eine Jobbezeichnung, das andere ist eine Überzeugung. Ich finde es aber ganz schlimm, als Weltverbesserer bezeichnet zu werden, das will ich gar nicht sein. Ich versuche nur in meinem Umfeld, die Natur nicht auszubeuten und auch niemanden sozial auszubeuten. Beruflich darf ich dann noch Unternehmen, Politikern und Geistlichen auf die Füße treten, die etwas verbockt haben. Das ist meine Aufgabe und das nutze ich auch schamlos aus, aber das Prädikat Weltverbesserer ist ganz furchtbar. […]

[…] Ja, natürlich, du kannst bei Extra 3 viel besser Symbole setzen. Ich glaube, man muss geeignete Symbole finden, um Leute wachzurütteln und um Fakten zu erklären. Ein Beispiel: Die HSH Nordbank hier in Hamburg hat so viel Geld in der Finanzkrise verzockt, dass hier sogar die Kita-Gebühren erhöht wurden und sich viele Menschen die Kita nicht mehr leisten konnten. Da habe ich mir die betroffenen Kinder mit ihren Eltern geschnappt, mit ihnen eine Pressekonferenz der HSH Nordbank gestürmt und sie haben sich bei dem Chef für diese wunderbare Finanzpolitik bedankt und ihm ein Dankeslied gesungen. „Danke für diesen guten Morgen“ klang da etwas anders. Wir sind zwar eigentlich gescheitert. Wir haben es nicht geschafft, dass die Kita-Gebühren nicht erhöht wurden. Aber wir haben viele Menschen damit wachgerüttelt. Die HSH Nordbank hat auch sehr wütend reagiert und das ist immer ein gutes Zeichen. Ich glaube, wenn man die richtigen Symbole findet, kann man auch die verschiedenen Aspekte der Nachhaltigkeit ganz gut vermitteln. […]

Apropos Nachhaltigkeit – vor einer Weile berichtete ich ja über das Umundu-Festival für kritischen Konsum in Dresden (HIER). Dieses war, den Berichten nach, ein großer Erfolg und wird über den Festivaltermin hinaus weitergeführt. Die Veranstalter haben ein Bildungsangebot zum Thema Nachhaltiger Konsum für Schulen geformt und bieten entsprechende Vorträge, Stadtführungen usw. an. Auf der Website des Projekts kann man mehr erfahren.

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