Mai
10
2010
1

Was ist mit Werbung nicht in Ordnung? (What’s wrong with advertising?) Teil 2: Eindringen/Einmischung

Heute setze ich endlich meine Übersetzung der Texte von Prof. Hugh Rank von der Governors State University in Illinois fort, in denen es um Persuasion Analysis, und darin speziell um Werbung geht. Teil 1 war ein Übersichtsartikel, der die vielen möglichen Kritikpunkte an Werbung auflistete. Im heutigen Artikel geht es um den ersten Punkt – „Eindringen/Einmischung („… zu viele Anzeigen“)“.


Was ist mit Werbung nicht in Ordnung?
Eindringen/Einmischung

Viele Menschen beklagen sich über das nervige Eindringen von Werbung in „ihre Zeit“, weil Anzeigen permanent ihr Fernsehprogramm unterbrechen: „zu viel, zu oft, zu viel Reklame“.

„Das wachsende Eindringen von Marketing und Werbung hat zu einem übersättigten Markt geführt und hebt den Widerstand der Konsumenten auf ein Allzeit-Hoch…“ (Yankelovich Report, April 2004)


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© O. Fischer, pixelio

Typische Kommentare von Studenten über die Zudringlichkeit von (TV-)Werbespots:

„… zu viele Spots… sie unterbrechen das Spiel… wiederholen sich zu sehr… Sie spielen die selben Werbeclips immer wieder und wieder… Man kann ein gutes Fernsehprogramm nicht genießen, wenn man andauernd unterbrochen wird… Werbung nervt einen die ganze Zeit… Werbung nimmt zu viel Platz ein… Reklame nimmt zu viel Zeit innerhalb eines Programms in Anspruch… Ich habe Kabelfernsehen, um Werbung zu vermeiden, aber sie ist immer noch da… zu lang… sie unterbrechen das Programm immer an den interessanten Stellen… gerade wenn der Film spanennd wird… Werbung ist zu laut… die selben Spots werden so oft wiederholt, bis man sie nicht mehr ertragen kann… ein Großteil meiner E-Mails besteht aus Spam… Firmen geben zu viel Geld für Werbung aus… Ich hasse diese langen Infomercials… Werbung ist überall… Es werden so viele Werbespots hintereinander gebracht, dass man vergisst, worum es in der Sendung überhaupt ging… Radiowerbung ist langweilig, wenn ich darauf warte, Musik zu hören… Übersättigung… Ich fühle mich von Werbung überschwemmt… Eindringen in mein Privatleben… Sie ist überall…“


Viele dieser Klagen sind naiv, egozentrisch und fußen auf Ignoranz, auf einem fehlenden Verständnis dafür, dass:

– Kommerzfernsehen der Hauptmarktplatz unserer Gesellschaft ist.
– Fernsehprogramme hauptsächlich deshalb existieren, um Werbetreibenden ein Publikum zu bieten.
– „Wer die Band bezahlt, bestimmt die Musik.“


Verstopfung/Zumüllung

Auch Werbetreibende machen sich Sorgen über „zu viele Anzeigen“. Aber sie befürchten eher, dass ihre Werbung, ihr Produkt, in der Verstopfung durch all die anderen Anzeigen untergeht. Vor dem Amtsantritt von Ronald Reagan gab es eine Verordnung, die die maximal zulässige Sendezeit von Werbung begrenzte. Dann wurden diese Beschränkungen aufgehoben. Heutzutage können Fernsehstationen so viel Werbung senden wie sie wollen, beschränkt nur durch die Gefahr, ihre Zuschauer zu verlieren.

Deshalb hat bis zum Jahr 2000 die Sendezeit für Werbung auf inzwischen 13 Minuten (25–30 Spots) pro Stunde in der Hauptsendezeit zugenommen. Andere Programme mit einem „gefesselteren Publikum“ (wie Samstagvormittags-Kindersendungen und Spätfilme) weisen noch mehr Spots pro Stunde auf. Wenn Sie 7 Stunden Fernsehen am Tag schauen (wie Nielsen es für die „Durschnittsfamilie“ herausfand) sehen Sie täglich über 182 Werbespots (7 x 13 Minuten = 91 Minuten x 2 durch 30 Spots = 182).

Zum Zeitpunkt seines Grundschuleintritts hat ein 6jähriges Kind in Amerika bereits über eine Viertelmillion an Werbebeiträgen im Fernsehen geschaut.

Mehr über diese Zumüllung finden Sie im 2005er PBS-Programm „Frontline – The Persuaders“.


Ausmaß an Toleranz

Menschen ertragen mehr Anzeigen in Printmedien (Zeitungen und Zeitschriften), weil sie die Anzeigen leichter überfliegen und so diejenigen, die sie nicht interessieren, überblättern können. Außerdem suchen sich manche Leute gewisse Zeitschriften (Modehefte, Hochzeitsmagazine, Kochen, Dekoration) und lokale Zeitungen speziell wegen der Anzeigen darin aus.

Zuschauer tolerieren Werbung eher im kommerziellen Fernsehen (wo sie Kommerz erwarten) als im Kabelfernsehen oder auf öffentlich-rechtlichen Sendern. Zu Beginn waren alle kommerziellen Fernsehsender in den USA „frei“ für die Zuschauer (finanziert durch Werbung), anders als in anderern Ländern, wo eine jährliche Gebühr erhoben wird, um werbefreies Fernsehen zu finanzieren. Als das Kabelfernsehen aufkam, versprach es seinen bezahlenden Kunden werbefreie Spezialprogramme, doch bald erschienen Reklamespots auch auf den meisten dieser Sender.

Zu Beginn des öffentlich-rechtlichen Fernsehens (und Radios) waren diese werbefrei (finanziert durch parteienneutrale Regierungsstellen). Doch schon bald „zwangen“ die Politik und Unterfinanzierung die Sender, auch Gelder von Firmen-„sponsoren“ zu akzeptieren, die viele „weiche“, „Wohlfühl“-Anzeigen schalteten und solche, die das Konzernimage stärken sollten. (Wie können Sie sich über die Ölfirmen aufregen, wenn sie so ein gutes Programm sponsorn?) Zuerst zielte solche Werbung nur auf Erwachsene ab (Sonntagmorgens, Talkshows), aber nun attackieren viele Sponsoren Vorschulkinder in ihren Kinderprogrammen; z.B. die Juicy-Juice „Wohlfühl“- und Markenerkennungs-Spots, so dass 4- oder 5jährige, die mit ihrer Mutter einkaufen gehen, diese Produkte wählen.

Leute ertragen Werbung, die in Filmen eingebettet ist („Product Placement“), eher in Hintergrundszenen als in Großaufnahmen, wenn der Filmheld eine Dose eines Softdrinks hochhält, die von dem Konzern produziert wird, der beides (Filmstudio & Getränkeproduktion) besitzt.

Pop-Ups und blinkende Werbebanner im Online-Bereich entwickeln sich rasch zu der störendsten Form des Eindringens der Werbung.


Allgegenwart

Werbung ist praktisch überall in unserer Gesellschaft. Man kann Reklame nicht ausweichen. [Anm. PM: Zwar nicht komplett, aber einen Großteil der Kommerzpropaganda kann man schon aus seinem Leben verbannen: kein Privat-TV oder -Radio, Adblocker im Browser, keine werbefinanzierten Zeitschriften, kein Flanieren in Shopping-Centern.] Werbung wird nicht verschwinden.

Beispiele für viele neue Techniken finden Sie hier: „Zipping and zapping ads works with VCRs, but not in reality“ (Wegzappen von Werbung geht beim Videorecorder, aber nicht im realen Leben)


Geräuschbelästigung

Glücklicherweise gibt es in den meisten amerikanischen Städten Gesetze gegen Lastwagen, die mit ihren plärrenden Lautsprechern umher fahren, aber diese Wagen sind in anderen Ländern ohne solch strengen Gesetze oder Konsumentenschutz, durchaus üblich.


Visuelle Verschmutzung

Im Jahre 1965 leitete die Frau von Präsident Lyndon Johnson (Lady Bird Johnson) eine Kampagne für den „Highway Beautification Act“, um die 600.000 Plakatwände loszuwerden, die schnell am Rande des neuen Interstate-Autobahnnetzes entstanden waren. Unter großem öffentlichen Druck verabschiedete der Kongress schließlich das Gesetz.

Aber nachdem das öffentliche Interesse wieder eingeschlafen war, überzeugten die Werbetafel-Lobbyisten im Stillen genügend Mandatsträger, um den Etat zu begrenzen, der jedes Jahr nötig war, um den Besitzern der existierenden Plakatwände die „Entschädigung“ zu zahlen. Deshalb stehen auch 40 Jahre später noch über 200.000 Plakatwände an den Straßen.

Viele Städte verkaufen heutzutage Werbefläche (Bänke, Bushaltestellen) und „Sponsor“rechte für öffentliche Erholungseinrichtungen, und erlauben so das zeitweise Aufstellen von Plakaten und Werbebanner bei Konzerten, Festivals, Rennen oder jeglicher Versammlung größerer Menschenmengen im öffentlichen Raum.

In den Schulen verspricht Channel One seinen Werbekunden, dass sie keine Überfüllung zu befürchten habe, keine andere Werbung, im wertvollen „Tagesteil“ (9 Uhr morgens bis 3 Uhr nachmittags), während sie ein Zielpublikum von über 8 Millionen Schülern in 15.000 Schulen liefern. [Anm. PM: Zum Glück gibt es inzwischen immer mehr Initiativen an Schulen, die diesen Sender aus dem Unterricht verbannen.]

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Wie man sich gegen Reklame, PR und andere Propaganda zur Wehr setzt – Teil 2/2

Dies ist Teil 2 meiner gestern begonnenen Übersetzung des Artikels „Counter-Propaganda Axioms“. (>> Teil 1)

Grundsatz 2: Wenn sie es herunterspielen, dreh auf/bohr nach („intensify“)

schlachDieser Grundsatz empfiehlt Wachsamkeit, Wissbegierde und aktives Engagement als angemessene Reaktion in manchen Situationen.

Überzeuger verschweigen oft die Nachteile, Probleme und negativen Auswirkungen, die im Zusammenhang mit ihren Angeboten stehen. Menschen, die in Firmen oder Regierungen an den Hebeln der Macht sitzen, versuchen oft, ihre Fehler, Inkompetenz, Verbrechen und Missbräuche zu vertuschen.

Die Motive für solche Auslassungen sind schwierig zu bewerten. Selbst wenn keine bösartigen Motive vorliegen, wird jeder versuchen, sich so gut wie möglich darzustellen und seine Schokoladenseite zu zeigen: das heißt, die eigenen „guten Seiten“ herauszustellen und die „schlechten“ herunterzuspielen. Statt sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was die Motive oder Absichten der anderen sind, sollten Sie annehmen, dass ihre schlechten Seiten nicht beworben oder offen dargestellt werden. Machen Sie sich mehr Sorgen über die Konsequenzen: deren „Gutes“ muss nicht Ihr „Gutes“ sein.

Beim Kauf von Produkten besteht Nachforschung manchmal einfach im Lesen eines Etiketts, im Preisvergleich, dem Befragen eines früheren Besitzers, dem Gebrauch eines Verbraucherratgebers, Ausprobieren usw. Einige Situationen sind sehr viel komplexer. Verschiedene Intensitäten an Nachforschung sind angebracht: ein Autokauf erfordert mehr Sorgfalt als der eines billigen Schmuckstücks. Betrug, Täuschung, Fehlinterpretationen und Fehler existieren und neigen dazu, im Verborgenen/Dunkeln zu gedeihen. Hier sind wiederholte Beschwerden in er Regel effektiver als Einzelfälle; aufmerksamkeitserregende öffentliche Anprangerungen sind oft effektivere Reaktionen als private Beschwerden. Das quietschende Rad bekommt in der Regel das Öl!

Herunterspielen im politischen Bereich zu durchdringen ist in der Regel erheblich schwieriger. Die meisten Menschen haben nicht die Zeit, das Talent oder die Gelegenheit, komplexen Vertuschungen auf den Grund zu gehen. Aber als Bürger können wir, wenn wir uns dieser Problematik bewusst sind, eine freie Presse, investigative Journalisten, Gesetze zur Offenlegung und die Grundrechte von Reformern und Kritikern unterstützen. Das Establishment versucht normalerweise ihre Kritiker und Reformer als Verrückte, tückische Sonderlinge, unzuverlässige Nörgler, naive Fanatiker, opportunistische Gegner usw. zu bezeichnen. Einige Leute mögen zwar in diese Kategorien fallen, aber die Rolle der Reformer, die Funktion progressiver Kritiker ist es, das „Schlechte“ anzugreifen und oftmals das offenzulegen, was die Führungsschicht gerne unter den Teppich kehren möchte.

Weglassen und „freie Wahl”
Das Weglassen relevanter Informationen beeinflusst unseren Entscheidungsprozess. Wirkliche „freie Wahl“ hängt stark davon ab, dass wir alle Optionen, die gesamte Situation, sowohl die Vorteile wie auch die Nachteile, kennen, so dass wir diese verschiedenen Einflussfaktoren abwägen können, gute wie schlechte. Aus diesem Grunde muss die Information, die wir von anderen erhalten (Werbern oder Politikern) nicht nur der Wahrheit entsprechen, sondern auch adäquat/angemessen sein. Trotz des jüngsten Interesses an irreführenden Weglassungen und politischen Verschleierungen (von Nixons Watergate über Clintons Monica bis hin zu den Irak-Kriegen) hat niemand eine umfassende Analyse der Techniken des Verschweigens vorgenommen. Dennoch gibt es einige nützliche Dinge, die man dazu sagen kann und einige hilfreiche Arten, sich diesem schwierigen Thema zu nähern:

Weglassung – etwas, das nicht gesagt oder nicht getan wird – ist sehr schwer zu analysieren und sehr schwer zu entdecken. Zunächst sollte man nach negativen Folgen und den mit ihnen im Zusammenhang stehenden Gründen schauen. Bedenken sie auch, dass Weglassungen dynamisch sind, nicht statisch [Anm. PM: Hier gibt es im Original noch den Link zu einem weiteren Artikel von Prof. Rank, den ich dann demnächst vermutlich übersetzen werde]. Aussparungen sind Teil des Kommunikationsprozesses, den ALLE Menschen zu ihrem Vorteil zu nutzen versuchen. Auch Empfänger lassen oft Teile weg. sie „filtern“ oder „blockieren“ das „Schlechte“ – die Ideen und Fakten, die sie nicht hören wollen; sie können „selektives Hören“ betreiben, Vorurteile haben oder engstirnig sein, sie können leugnen (oder die Augen vor der Wahrheit verschließen oder sich selbst belügen), indem sie „den Fakten“ oder „der Realität“ nicht „ins Auge blicken“. Konsumenten ignorieren in ihrer Gier nach Besitzt oftmals die Probleme wie Schulden oder sinnlose Käufe. Bürger und Wähler sind oftmals blind für die Schwächen ihrer eigenen Partei oder Politik.

Cui Bono? (Wem nützt es?)

Der grundlegendste Gegenschlag zu jeder wichtigen Weglassung ist Enttarnung/Enthüllung: Wir müssen wissen, wer einen Vorteil davon hat, wer profitiert, wer gewinnt. Cui bono?

Deshalb ist es vernünftig, investigativen Journalismus, Whistleblower [das sind Mitarbeiter von Firmen, die Missstände nach außen hin bekannt machen; Anm. PM] und gute Offenlegungs-Regulierungen zu unterstützen, die von Regierungsstellen im Namen des Allgemeinwohls getroffen werden; durch Gewaltenteilung innerhalb der Regierung (wie Generalinspektoren und Ombudsmänner).

Unlängst hat der amerikanische Bundesgerichtshof in einer 5:4 Entscheidung, in der es um Whistleblower ging, sich dafür ausgesprochen, dass Regierungsmitarbeiter nicht durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung geschützt sind. (Lesen Sie sich die unmittelbaren Reaktionen beider Seiten durch – Zitate von Associated Press – und verfolgen Sie die späteren Entwicklung im Internet.) [Anm. PM: Eigentlich eine Sauerei, diese Entscheidung des Gerichts, denn damit wird Duckmäusertum im politischen Bereich gefördert…]


Einige unerwünschte Reaktionen, die eine angemessene Verteidigung für den Einzelnen in gewissen Situationen darstellen, sind:

  • In Frage stellen
  • Beschweren
  • Vergleichen beim Einkauf
  • Klarstellen, Strukturieren
  • Demonstrieren, Streikposten aufstellen
  • Budgetanalyse
  • Prozessieren, Verklagen
  • Sich Reformgruppierungen anschließen
  • Nachforschungen unterstützen
  • Wählen
  • Whistle-blowing
  • Briefe schreiben

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Was ist mit Werbung nicht in Ordnung? (What’s wrong with advertising?) Teil 1

whats-wrong-topics

Kritik an Reklame und Kommerz äußere ich ja nun seitdem ich mit dem Konsumpf begonnen habe, und in der ganzen Zeit habe ich bereits eine Vielzahl von Nachteilen, Problemen und Ärgernissen im Zusammenhang mit Werbung & Kommerz versammelt.  Was vielleicht noch fehlt, ist eine „Adelung“ solcher Kritikpunkte von wissenschaftlicher Seite. Tatsächlich gibt es an der Governors State University in Illinois mit Prof. Hugh Rank einen Professor, der sich intensiv mit dieser (dunklen) Seite von Marketing, Medien und Manipulation beschäftigt. Sein komplettes Material des Kurses „Persuasion Analysis“ steht online zur Verfügung, und dort findet sich so mancher Beitrag, der das Ringen mit der Konsumgesellschaft und die Methoden der Reklame dokumentiert. Netter Weise darf ich Euch einige Texte in Übersetzung präsentieren. Leider ist die Website sehr unübersichtlich und extrem verschachtelt (und umfangreich), so dass ich sicherlich nur Teile hier veröffentlichen werde. Wer tiefer in die Materie einsteigen möchte, der sei auf die Webseiten von Prof. Rank verwiesen: „Persuasion Analysis“ / „Advertising“.

Den Anfang meiner Übersetzungen soll heute der kurze Übersichtsartikel „What’s wrong with advertising?“ machen, von dem aus eine ganze Reihe Links zu weitergehenden Beiträgen führen, die ich dann nach und nach in den kommenden Wochen übersetzen und in diesem Ausgangsartikel verlinken werde (hoffentlich).

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Was ist mit Werbung nicht in Ordnung?

Schon in der Vergangenheit war das Misstrauen in Werbung weitverbreitet, aber nicht fokussiert. Derart viele Menschen haben Werbeanzeigen aus dermaßen vielen Gründen kritisiert, dass dieser verwirrende Wortnebel manchmal die Aufmerksamkeit stärker auf triviale Sorgen und kleinere Probleme richtet als auf die ernsthaften Themen und schwerwiegenden Probleme.

Die Menschen müssen sich ihrer eigenen Ansichten und Gefühle klar werden, um diese wahrgenommenen „Risiken“ nach Art (direkt oder indirekt, sofort oder verzögert, möglich oder wahrscheinlich) und Grad (von kleineren Ärgernissen bis hin zu großen Gefahren) unterscheiden zu können, um Überschneidungen und Lücken und Grenzfälle zu erkennen. Werbekritiker machen sich dabei grundsätzlich Sorgen über die schädlichen Folgen, die Nachteile und die unerwünschten „Nebenwirkungen“.

Auch in Zukunft wird Werbung – und ihre Probleme und Kritiker – uns begleiten. Die Strukturierung der Kritikpunkte kann dabei helfen, die Extreme zu vermeiden: auf der einen Seite, Werbetreibende anzuklagen und sie zu alleinigen Sündenböcken zu stempeln; auf der anderen Seite die grundlegenden, ernsthaften Probleme zu ignorieren, die unserer Aufmerksamkeit und angemessenen Reaktion bedürfen. Die Diagnose dessen, was „falsch ist“, kann dabei helfen, eine Prognose zu entwickeln, „was zu tun ist“. Reklame hat so viele Kritiker, aus so vielen verschiedenen Gründen, und die Argumente werden schnell so komplex, dass es hilft, wenn wir zunächst ein wenig Struktur hereinbringen und die häufigsten offensichtlichen Klagen identifizieren:

  • Eindringen/Einmischung („zu viele Anzeigen…“)
  • Täuschung (Reklame lügt, führt in die Irre, betrügt)
  • Ernährung (Werbung für ungesundes „Junk Food“ führt zu einer nationalen Fettleibigkeitskrise)
  • Beleidigend (Anzeigen beleidigen Frauen, Minderheiten, ethnische Gruppen, Religion)
  • Persönliche Probleme (Werbung trägt zu einem Schulden-Kreislauf, zu familiärem Stress und einem schwachen Selbstbild bei)

Andere Kritiker befassen sich mit den eher indirekten und weniger offensichtlichen „versteckten Schäden“ von Werbung, wie: psychologische Folgen für das Individuum und die Familie; oder längerfristige, kumulierte Schäden, die mit Materialismus, Müll, Umweltzerstörung und sozialer Ungerechtigkeit zusammenhängen.

  • Materialismus (religiöse und säkulare Kritik)
  • Umweltprobleme (Verschwendung, Müll)
  • Soziale Ungrechtigkeit (Themen im Zusammenhang mit Überfluss und Armut; die Besitzenden und die „Habenichtse“)

Werbung kann nicht einfach deshalb von Kritik ausgenommen werden, weil sie „unsere gesamte Wirtschaft am Laufen hält“. Wenn das Wirtschaftssystem davon abhängt, dass Millionen von Menschen hoch verschuldet sind und dennoch immer mehr unnützes Zeug kaufen, gibt es vielleicht Fehler im System. Gary Ruskin, Direktor von Commercial Alert (einer Non-Profit-Verbraucherschutzorganisation) fasste eine ganze Reihe der Kritikpunkte in seinem kurzen Artikel im Heft Advertising Age (26.4.2004) zusammen, der sich direkt an Werbetreibende richtete. Sein Kommentar zu der direkten und offensichtlichen Aufdringlichkeit von Reklame lautet: „Die implizite Botschaft, die die Werber aussenden, ist eine komplette Ignoranz in Bezug auf unsere Zeit, unsere Privatsphäre, unseren klaren Kopf und nicht zuletzt in Bezug auf unsere Sorge um unsere Kinder.“ Seine Betrachtung der indirekten und weniger offensichtlichen Schäden durch Werbung beinhaltete nicht nur die öffentliche Gesundheit (Junk Food, Fettsucht), sondern auch die Korruption ziviler Institutionen.

Nahezu jede Universität und Wirtschaftshochschule der USA hat eine Abteilung für Werbung, um die zukünftigen Verführer in den Techniken ihres Berufs zu schulen, aber nur wenige Schulen bieten überhaupt auch nur einen einzigen Kurs an, um die jungen Bürger, die Verführten, darin zu unterrichten, diese Verführungen zu analysieren und zu durchschauen. Landesweit sind die meisten Akademiker, die sich für Reklame interessieren – die Professoren für Psychologie und Rhetorik –, „Berater“ der Werbeindustrie als „gemietete Rhetoriker“ und käufliche Seelenklempner!


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