Okt
06
2010
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Buchrezension: Dirk Kurbjuweit „Unser effizientes Leben“

Effizienz – ein Zauberwort der Moderne. Längst hat es sich aus den engen Bereichen der wirtschaftlichen Produktion, in denen es Bummelantentum zu bekämpfen galt, befreit und greift auf alle Bereiche des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens über. Heutzutage muss alles marktgängig zugerichtet werden, Krankenhäuser und Theater müssen genauso effizient und gewinnorientiert funktionieren wie die Herstellung von Konservendosen. Und auch in den Unternehmen ist der Effizienzwahn, gekoppelt an den Zwang, Gewinne zu steigern und Kosten zu senken, längst in einem Maße gewachsen, dass er das menschliche Dasein massiv einschränkt. Diese Vorstellung, dass Effizienz die bedeutendste Voraussetzung für Erfolg und Zukunftsfähigkeit von Firmen und Branchen wie auch öffentlichen Einrichtungen ist, wurde von kaum jemand anderem so stark geprägt wie von Unternehmensberatungen der Sorte McKinsey. Dirk Kurbjuweit zufolge leben wir deshalb in einer McKinsey-Gesellschaft.

So sollte auch sein 2005 erschienenes Buch „Unser effizientes Leben – Die Diktatur der Ökonomie und ihre Folgen“ heißen, allerdings pochte McKinsey auf das Namensrecht und unterband so diesen Titel (ein weiteres Beispiel dafür, wie Urheberrechtsschutz in der heutigen Form oft dazu missbraucht wird, missliebige Meinungsäußerungen zu behindern) – zum Glück stellt Kurbjuweit dies in seinem Vorwort auch noch einmal deutlich klar. In seinem sehr flott und leichtfüßig geschriebenem Buch (hier zeigen sich seine Stärken als Romancier, dessen Bücher wie „Schussangst“ auch verfilmt wurden) nimmt er den Leser mit auf eine Reise durch ein Land, das mehr und mehr auf Effizienz getrimmt wird und dabei an Lebensqualität verliert.

In insgesamt 9 Kapiteln beleuchtet der Autor die verschiedenen Facetten, in denen die Ausrichtung unseres Daseins auf eine möglichst hohe Effizienz zu spüren ist, und welche Folgen dies hat. So befasst sich ein Abschnitt natürlich mit der Effizienz in Unternehmen, die sich die Beratungsfirmen teuer bezahlen lassen und die dazu führt, dass die Firmenleitung Massenentlassungen wie ein gottgegebenes Urteil über die Angestellten verhängen kann. McKinsey & Co. haben in diesem Bereich eine erschreckende Macht gewonnen – sofern Unternehmer sich dem Effizienzdiktat unterwerfen, was immer öfter der Fall ist, je größer ein Betrieb wird.

Aber hier macht der Einfluss der Unternehmensberaer noch nicht halt – auch im politischen Alltag treibt sie ihre Blüten, führt dazu, dass Wahlkämpfe wie Werbekampagnen betrieben werden und es nicht mehr um Inhalte, sondern ums Image geht. Fatale Folgen sieht Kurbjuweit auch im Bereich der Biologie, wo Forschung darauf ausgerichtet ist, immer leistungsfähigere Menschen hervorzubringen, die möglichst perfekt in das System von Wettbewerb und Karrieredenken passen (etwas, das auch für Schule und Uni gilt). Auch die „Erdung“ der Menschen an ihre Region geht im Zuge der Forderung nach immer höherer Flexibilität verloren:

„Mehr denn je wird von den Arbeitnehmern verlangt, mobil zu sein, flexibel und international orientiert, alles auf höchstem Effizientniveau. Das hat zum einen mit der Globalisierung zu tun, zum anderen mit der New Economy, die Arbeitsverhältnisse noch einmal neu definiert hat. Dazu kommt die gewachsene Bedeutung der Börse, die in ihrer extremen Nervosität die Arbeit in den Unternehmen unter eine große Spannung stellt, zudem unter einen nicht gekannten Zeitdruck, da die Börse schnell Ergebnisse sehen will. Eine Wirtschaft, die sich nach den Prinzipien von McKinsey organisiert, unterwirft die Menschen schnellem und ständigen Änderungen, presst ununterbrochen Leistung aus ihnen heraus. McKinsey-Wirtschaft neigt dazu, den Menschen zu überfordern.“ […] (S. 91/92)

Besonders spannend fand ich u.a. auch die Schilderungen Kurbjuweits über die Zeit des Börsenbooms von Neuem Markt und Internetblase Anfang des Jahrtausends – hier ergriff für kurze Zeit ein neuer Effizienzwahn (maximal Geld mit minimalem Arbeitsaufwand zu verdienen) größere Kreise der Bevölkerung und schuf auch neuee Formen der Arbeit, in denen Angestellte in den aufstrebenden jungen hippen Unternehmen sich freiwillig ausbeuten ließen und unsichere Arbeitsplätze als selbstverständlich hinnahmen (etwas, das mittlerweile auch auf viele andere Wirtschaftszweige übergegriffen hat).

Interessant ist das Buch auf jeden Fall auch deshalb, weil sich Kurbjuweit für die (soziale) Marktwirtschaft ausspricht, also kein linksdogmatisch-revolutionäres Manifest geschrieben hat, so dass man „Unser effizientes Leben“ gut als Einstiegslektüre auch Freunden geben kann, die dem Wirtschaftssystem eher unkritisch gegenüber stehen.

Wenn es eine Schwäche an den Ausführungen des Autors gibt, dann die, dass er zwar eine sehr präzise und nachvollziehbare Analyse der Ist-Situation bietet, aber im Prinzip keine Auswege aus diesem Dilemma aufzeigt. So bleiben isolierte persönliche Akte wie der, dass er den eigenen Sohn nicht schon so früh wie möglich einschulen ließ, sondern ihm noch ein Jahr Kindheit schenkte, die einzigen Hinweise darauf, was der einzelne gegen solch ein System ausrichten kann. Insgesamt gesehen kann ich das Buch dennoch wärmstens empfehlen!

Dirk Kurbjuweit „Unser effizientes Leben – Die Diktatur der Ökonomie und ihre Folgen“, rororo 2005, 187 S., 8.95 €

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