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Lesetipps: Umbau der Autoindustrie / Planer will Auto aus den Köpfen bekommen / Das „konfliktfreie“ iPhone / „Seid faul und militant!“ / Wie die EU Fair-Trade-Produkte verhindert

Die arme Autoindustrie. Mühsam aufgepäppelt durch die Abwrackprämie und diverse andere staatliche Unterstützungen, sieht sie mittel- und langfristig doch ungewissen Zeiten entgegen, wo das Umweltbewusstsein wächst und die Ölvorkommen schwinden. Aus diesem Grunde fand unlängst in Stuttgart auch eine Konferenz statt, in der es genau um diese Thematik ging – wie macht man die Autoindustrie zukunftsfähiger? Die Schweizer Wochenzeitung (WOZ) berichtete darüber in „Konversion der Autoindustrie. Umbauen! Aber wie? Und für wen? [1]“:

(…) Dass eine Umstellung nötig ist, wissen auch die BelegschaftsvertreterInnen in den Schwellenländern. «So kann es auf Dauer nicht weitergehen», sagte Valter Sanches aus São Paulo, und Gautam Mody aus Delhi formulierte die zentrale Frage so: «Was wollen wir eigentlich mit all den Autos, die derzeit produziert werden?» Braucht es die überhaupt?

Nein, sagten etliche kritische GewerkschafterInnen aus der Autobranche an der grossen Konferenz Auto-Mobil-Krise der Rosa-Luxemburg-Stiftung und der deutschen Linkspartei, die am vorletzten Wochenende in Stuttgart abgehalten wurde. Etwas anderer Meinung waren jedoch führende Vertreter der deutschen MetallarbeiterInnengewerkschaft IG Metall, die zwar ebenfalls den Verdrängungswett­bewerb und die Leistungsverdichtung kritisieren und eine Konversion der Industrie befürworten, einen schnellen Umbau aber nicht für machbar halten. Denn wie soll eine Konversion ohne Beschäftigungsverlust vonstattengehen? Welche neuen Produktfelder bieten sich an? Wer setzt den hochkomplexen Prozess in Gang? Und wen interessiert das überhaupt? (…)

Denkbar sind natürlich viele Projekte: im Transportbereich etwa der flächendeckende Um- und Ausbau des öffentlichen Verkehrswesens (allerdings nicht wie bei «Stuttgart 21», vgl. Kasten), die Wiedereinführung eines Tramsystems in allen Städten (wie derzeit in Frankreich geplant) oder die Entwicklung von mehr multimodalen Mobilitätskonzepten, wie das Huckepacksystem beim Gütertransport durch die Alpen. (…)

Den Stier bei den Hörnern versucht man derzeit im bayerischen Landsberg zu packen – für die Erstellung eines neuen Verkehrsentwicklungsplans insbesondere für die Innenstadt hat man sich an den Wiener Professor Hermann Knoflacher gewendet, der seit jeher ein Skeptiker der Autokultur ist (siehe meinen Artikel „Eine Stadt für die Menschen [2]“) und sich für lebenswertere Städte einsetzt, indem man diese statt für „Stehzeuge“ für die Menschen und Transportalternativen ummodelt. In der Augsburger Allgemeinen findet sich dazu der Artikel „Planer will Auto aus den Köpfen bekommen [3]“:

(…) In seiner Präsentation stellte der Universitätsprofessor sein grundlegendes Konzept vor. Er kritisierte die Vorherrschaft des Automobils, an dessen Maßstäben sich die Verkehrsplaner der vergangenen Jahrzehnte orientiert hätten. Mit der gewonnenen Mobilität wandere das Kapital an den Rand der Städte. Dort wo Einkaufsmärkte mit großen Parkplätzen locken.

Hermann Knoflacher will andere Strukturen und Ordnungen schaffen. Zum Beispiel bei den Parkplätzen. Die sollen nicht abgeschafft, sondern, wenn erforderlich, an anderer Stelle neu geschaffen werden. „Die Erhebungen werden zeigen, wie die Parkplätze in der Stadt genutzt werden“, sagte der Verkehrsplaner in der Sitzung des Stadtrats. Wichtig sei auch eine gemeinsame Zielsetzung, die Politik, Verwaltung und Bürger erarbeiten müssten. Dabei gelte es zu werten, welche Ziele an erster Stelle verwirklicht werden sollen. Dies sollten nicht unbedingt die Ziele des Verkehrs sein. (…)

Wenige Wochen ist es her, da machte die amerikanische Culture Jammer-Gruppe The Yes Men [4] mit ihrem Fake der neuen Chevron-Anzeigenkampagne auf sich aufmerksam (siehe HIER [5]). Nun sind sie bereits mit einer neuen Aktion zurück  – sie stellten eine gefälschte Apple-Site ins Netz, auf der sie das neue iPhone CF (conflict free) vorstellen, das endlich ohne die Rohstoffe aus Bürgerkriegsgebieten und Dikaturen auskomme. Die taz schreibt dazu in „Ran ans konfliktfreie iPhone [6]“ (die Fake-Website steht leider nicht mehr online):

(…) So sieht sie aus, die bessere Welt bei Apple auf der Seite [7]. Vorbei die Zeit, in der iPhones aus politisch unkorrekten Rohstoffen bestanden. Zum Beispiel aus Minen aus dem Kongo, die von Rebellengruppen kontrolliert werden, um Waffen zu kaufen. Vorbei die Zeit, in der Apple kriegsähnliche Zustände subventionierte, der laut netzpolitik.org mehr als fünf Millionen Zivilisten zum Opfer gefallen sind.

Denn nun gibt es das iPhone 4 CF (Conflict Free). Ein Upgrade des klassischen iPhones, das ein “konfiktfreies” Handy verspricht. So schön könnte die Welt sein – wenn die Homepage in den elegant-grauen Apple-Farbtönen denn von Apple wäre. Ist sie aber leider nicht. Sie ist eine neue Aktion der Yes Men. (…)

Das steht nun auch Apple bevor. Denn auf der gefakten Homepage apple-cf.com wurden die New Yorker aufgefordert: “Wenn Sie ein iPhone 4 besitzen, kommen Sie in unseren Store an der 767 Fifth Avenue und erhalten ein kostenloses iPhone 4 CF”. (…)

Das Gute ist, wenn man mit solch einen Streich Apple zur Zielscheibe macht, wird das Thema auch in den sonst weitgehend techniknerdigen und politikfernen Zonen der High-Tech- und Apple-Fan-Sites aufgegriffen. So berichtet z.B. auch die deutsche Site MacNotes über diesen Coup: „Apple-CF.com: The Yes Men fordern das konfliktfreie iPhone [8]“:

Fake-Propaganda ist das Mittel der Yes Men, ihr jüngstes Ziel ist Apple. Mit Apple-cf.com haben sie eine Seite aufgesetzt, auf der im Apple-Look ein nachhaltig produziertes iPhone 4 angekündigt wird, das so zur Lösung der Rohstoffkämpfe im Kongo beiträgt. Die unliebsame Folge für Apple: man müsste an sich dementieren, dass man sich für faire und gerechte Förder- und Lieferverhältnisse in Drittweltländern einsetzt. (…)

Apples Reaktion erfolgte prompt, um zu verhindern, dass ihre Stores von Kunden gestürmt werden, die ihr bisheriges iPhone gegen das vermeintliche neue umtauschen wollen – HIER [9] kann man Apples Stellungnahme nachlesen.

Übrigens haben die Yes Men ihren letzten Kinofilm – „The Yes Men save the world“ – nun legal als Torrent zum kostenlosen Download zur Verfügung gestellt, und zwar auf dem Portal für Open Source-Filme VODO. >> hier entlang [10]

In der FAZ fand sich neulich ein erstaunlicher Artikel, dessen Titel schon aufhorchen ließ: „Seid faul und militant! [11]“. Nein, keine Angst, die FAZ ist nicht plötzlich verrückt (?) geworden, es handelt sich vielmehr um eine Auseinandersetzung mit einem neuen radikalen Buch aus Frankreich – „Der kommende Aufstand“, ein Werk, das sich abseits von Buchhandlungen „rasend schnell verbreitet“ und „zum wichtigsten linken Theoriebuch unserer Tage“ werden könnte:

(…) Auch in „Der kommende Aufstand“ geht es um die Ausweglosigkeit eines immer subtiler operierenden kapitalistischen Systems, um die „Ausweitung der Kampfzone“: von den Schachtfeldern und den Märkten ins Private, Körperliche und Intime, um die Kolonisierung von Gedanken, Gefühlen und Genüssen durch den postmodernen Kapitalismus.

Dagegen hilft keines der angebotenen Rezepte, finden die Autoren: Selbst eine Bewegung wie Attac oder die Wachstumskritiker von der „décroissance“-Bewegung seien nur der letzte Schrei – ein Wahn, der dem System zu einer noch wirksameren Durchdringung widerständiger Milieus verhelfe. Das Problem, so die Autoren, sind weniger die Parteien und Organisationen der Linken als vielmehr „das Milieu“. Im linken Milieu einer Stadt wie Paris finde nichts Wichtiges statt; dort werde nur üble Nachrede gepflegt, da richte man sich geradezu wollüstig ein im gesamtpolitischen Unwohlsein, im „mauvais confort“.

Abseits der uns bekannten Formen der politischen Willensbildung empfehlen die Autoren des kommenden Aufstands eine neue Form der Kommune, und zwar möglichst abseits der allgegenwärtigen Netze: Sie wollen, etwas altmodisch, Freundschaften statt bloßer Kontakte und empfehlen statt der Mail, der SMS oder dem Tweet den gegenseitigen Besuch. Ist schöner und hinterlässt keine Spuren. (…)

In der taz wird sich deutlich kritischer mit dem französischen Text auseinandergesetzt, den sie in der extremistischen Ecke, mit durchaus bedenklichen Ansichten, verortet sehen – „Wirbel um Anti-Demokratie-Pamphlet [12]“:

(…) Bei solchen Quellen werden selbst “Frauenzeitschriften”, “Fitnessstudios” und “Smarts” zur Zielscheibe. Noch in der harmlosesten Äußerung der Jetztzeit sehen die Autoren Zeichen eines vorherrschenden “Imperialismus des Relativen”. Diesen machen sie in rechtskonservativer Manier für die “Zerstörung sämtlicher Verwurzelungen” verantwortlich. Neu an diesem zusammengeflickten Unsinn ist vor allem, dass sich das Feuilleton dafür begeistert. FAZ und SZ rezensierten die Schrift derart positiv, dass sich ein Berliner Buchladen genötigt sah, ironisch per Rundmail zu kommentieren, große deutsche Tageszeitungen riefen nun zum Terrorismus auf. (…)

(…) Wer sich derart unbedacht mitreißen lässt, übersieht vor allem, dass Thesen im Stil des Buchs “Der kommende Aufstand” in Frankreich etwas anderes bedeuten als in Deutschland. Diesseits des Rheins ist das Ressentiment gegen Internationalismus, Demokratie und Technik fester Bestandteil des Revisionismus der Nachkriegszeit. Der Text ist eine Art Re-Import. Er schuldet vieles nicht – wie Rühle und Minkmar blind einen Frankreichkorrespondenten der NZZ kopieren – Michel Houellebecq, sondern eben den nationalsozialistisch gefärbten Theoretikern Heidegger und Schmitt. (…)

Gedanken an einen Aufstand kann man schon bekommen, wenn man so sieht, was beispielsweise die EU-Bürokraten und -Lobbyisten derzeit so treiben. Der Spiegel schildert in „Wie die EU-Kommission Fair-Trade-Produkte verhindert [13]“, wie die Konzerne mal wieder alles daran setzen, ihre Marktmacht mit Hilfe der Politik zu sichern:

Beim Thema Kinderarbeit steht für Theodor Elster die Wirtschaftlichkeit an erster Stelle: Kinderarbeit ist nicht schön, aber günstig. Der Uelzener Landrat lehnte daher in diesem Jahr einen Antrag der Grünen ab, der niedersächsische Landkreis möge keine Produkte aus ausbeuterischer Arbeit erwerben. [14] Kinderarbeit mache Produkte billiger, und das sei ja der “entscheidende Wettbewerbsvorteil”, dozierte der CDU-Mann. Eine Verpflichtung, solche Zustände durch faire Beschaffung zu ändern, sehe er nicht: “So weit kann Bundestreue nicht reichen.”So viel Offenheit in der Politik ist selten. Allerdings steht Elster mit seiner Meinung keineswegs allein da: Ausgerechnet die EU-Kommission gibt ihm Rückendeckung. So werden Kommunen, die auf faire Beschaffung ihrer Güter setzen, in Brüssel neuerdings als vermeintliche Rechtsbrecher angeprangert.

Im Mai verklagte die Kommission die Niederlande deshalb sogar vor dem Europäischen Gerichtshof. Die Provinz Noord-Holland hatte zuvor beschlossen, ihre Kaffeeautomaten nur noch mit fair gehandeltem Kaffee zu bestücken. Die Ausschreibung dazu habe bestimmte Gütesiegel wie Fairtrade bevorzugt, begründete die zuständige Direktion des Binnenmarktkommissars Michel Barnier ihre Klage. Das gehe zu weit. Es dürften allenfalls bestimmte soziale Kriterien gefordert werden. Aber auch da solle man es bitte nicht übertreiben. (…)

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