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Lesetipps: Werbefilme als Captcha / Saufen für die Lufthansa / Genmais-Krieg in Rumänien / WDR-Mitarbeiter fälschen Mitarbeiter-Zeitung

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© Geek & Poke 2008

In den letzten Tagen ist mir wieder so einiges im Netz begegnet, das zwar keinen eigenen Beitrag in meinem Blog rechtfertigt, aber dennoch interessant genug ist, um hier wenigstens als Lesetipp erwähnt zu werden. Reklame im Netz ist ja schon jetzt nervig und omnipräsent genug, und ohne Adblocker würde man bei so mancher Website Augenkrebs oder einen Herzkasper ob des Geblinkes bekommen. Das reicht selbstverständlich alles noch nicht – die Marketingabteilungen dieser Welt sind der Meinung, dass es keine werbefreien Zonen im Netz geben darf und haben nun, wie Fefe berichtet [2], den nächsten Coup geplant: statt der bei vielen Blogs üblichen Captcha-Abfrage als Spamschutz (der ja schon nervig genug und nur deshalb notwendig ist, weil es viele Firmen gibt, die mit Spam ihr Geld verdienen) sollen kleine Werbefilmchen ablaufen und der Leser anschließend eine passende Frage beantworten. Vermutlich gibt es sogar ein paar Spacken, die sowas toll und total lustig finden…

Instead of the traditional squiggly word that users have to decipher, the new system shows them a video advert with a short message scrolling across it. The user has to identify and retype part of the message to proceed. Companies including Electronic Arts, Wrigley and Disney have already signed up.

An der geistigen Gesundheit muss man auch bei der FDP zweifeln, wenn man ihre neuesten Pläne hört, die Alkoholsteuern zu erhöhen, damit die Luftfahrt-Industrie (Arbeitsplätze!) weiter entlastet werden kann. Nun finde ich es zwar nicht prinzipiell schlimm, Drogen wie Alkohol oder Zigaretten teuer zu machen und somit die sozialen Folgekosten abzufedern, aber diese Verwendung der Gelder ist schon absurd. Die Frankfurter Rundschau kommentiert das auch passend mit „Saufen für die Lufthansa [3]“:

Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Paul Friedhoff, plädiert für eine Steuer proportional zum Alkoholgehalt eines Getränks. Entlastet werden soll damit die Luftverkehrsindustrie. Die Union ist nicht komplett dagegen.

Erst das Qualmen für die Aluminiumhütten, und jetzt auch noch das: Nach den Rauchern will die FDP nun möglicherweise auch Alkoholkonsumenten stärker zur Kasse bitten, um die Wirtschaft zu entlasten. (…)

(…) CDU-Gesundheitspolitiker Spahn meinte jedoch: „Wenn schon Steuern auf Alkohol oder Tabak erhöht werden sollen, dann sollten die Mehreinnahmen grundsätzlich auch in das Gesundheitswesen fließen, denn dort verursachen beide Substanzen hohe Kosten. Die jetzt geplante Erhöhung der Tabaksteuer zur Sicherung von Arbeitsplätzen muss da als Einzelfall eine Ausnahme bleiben.“

Attac fordert umgehend und folgerichtig ironisch „Kiffen für die Rüstungsindustrie [4]“!

(…) Unser sarkastischer Vorschlag ist die nahe liegende Reaktion auf den unglaublichen Zynismus, gepaart mit Dilettantismus, mit dem die Bundesregierung ganz offen und ungeschminkt Politik ausschließlich im Interesse der Industrie macht. Die Ausweitung der Ökosteuer und die Luftverkehrsabgabe waren die einzigen sinnvollen Regelungen des ansonsten vollkommen unsozialen und ökonomisch unsinnigen Sparpakets. Wenn die Bundesregierung ausgerechnet diese Regelungen entkräftet und die Kosten erneut den Bürgerinnen und Bürgern auflädt, ist dies ihre endgültige politische Bankrotterklärung.

Ernster sind da die Nachrichten, die uns aus Rumänien erreichen – die Website nachhaltigkeit.org schreibt in „Genmais-Krieg in Rumänien [5]“, wie sich die Genfood-Konzerne in den Osten ausbreiten und dort für vollendete Tatsachen sorgen wollen, was zunehmend auf heftigen Widerstand der Bevölkerung stößt:

Nur in wenigen EU-Ländern werden soviel gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut wie in Rumänien. Doch der Widerstand ist gross. Nun hat der Streit die Regierung erreicht. Der Umweltminister will Genmais von Monsanto verbieten, der Landwirtschaftsminister ihn zulassen.

In der Welt ist Rumänien ein Zwerg, doch in Europa ein Riese: Mit rund 10.000 Hektaren gentechnisch veränderter Pflanzen (GVO) steht das neue EU-Land für rund ein Zehntel der Gentechnik-Anbaufläche in Europa. In der Welt freilich zählt das nicht. 2009 wurden weltweit 134 Millionen Hektaren mit gentechnisch veränderten Pflanzen bebaut, davon knapp die Hälfte in den USA. Mehr sollen es in Rumänien auch nicht werden, fordern Bauern vor allem im ungarischsprachigen Teil Siebenbürgens. Bereits 50 Gemeinden und vier Städte vor allem bei Klausenburg (Cluj) und Kronstadt (Brasov) und Hermannstadt (Sibiu) haben sich gentechnikfrei erklärt. (…)

Abschließend noch eine schöne Geschichte aus der Medienbranche – analog zu den Fake-Zeitungen der Yes Men oder von Attac haben nun auch Mitarbeiter des WDR ihre interne Hauszeitung als Plagiat erstellt und fordern darin ein „Auferstehen von den Quoten“, wie der Spiegel berichtet [6]. Wäre schön, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender wieder weniger versuchen würden, sie auf das „Niveau“ des Privat-TV herabzubegeben, um der Werbebranche ein geeignetes, nett-harmloses Umfeld für ihre Spots zu liefern, sondern mehr und auch mal zur besten Sendezeit kritisch zu berichten (wie es zwar partiell geschieht, aber eben oft zu Unzeiten):

(…) Gleich auf der Titelseite wird “Die Wende im WDR” ausgerufen: Das Schielen auf die Einschaltquote sei abgeschafft – verkündet dort Intendantin Monika Piel [7], die zwei Seiten weiter sogar “Fehlentwicklungen” eingesteht. Die “neoliberale Umgestaltung der Gesellschaft” habe man “viel zu kritiklos akzeptiert”. Auch mit überteuerten Prestigeprojekten des Senders aus den Bereichen Unterhaltung und Sport rechnet die fiktive Piel ab, stattdessen soll der Sender wieder Hort für guten Journalismus werden.

So wird in der nachgemachten “WDR Print” (PDF) [8] eine bahnbrechende Sendung von Margarethe Schreinemakers angekündigt. In “Ein Aufwasch” soll die schnellsprechende Moderatorin künftig alle seichten Quoten-Stoffe in einer Show abhandeln: Kochen, Quizfragen stellen, fremde Wohnungen einrichten, Erziehungstipps geben, Produkte testen, Heimatlieder singen, Rankings präsentieren, Servicehinweise liefern und durch reizvolle Landschaften in NRW führen. Das alles in kostengünstigen 45 Minuten, damit im WDR mehr Platz für gutes Programm ist. (…)

Und zum Schluss diese (un)schöne Meldung, die durch diverse Medien geisterte: „GEMA kassiert bei Martinszügen ab [9]“. Mal wieder unglaublich. Das erinnert mich an die Geschichte aus dem Buch Freedom of Expression®, wo Pfadfindergruppen für das Absingen von „Happy Birthday“ am Lagerfeuer Tantiemen zahlen sollten (siehe HIER [10]).

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