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Attac an der Börse und ungewohnte Töne aus finanznahen Kreisen

Mitglieder des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac [1] haben heute Mittag eine Protestaktion in der Frankfurter Börse durchgeführt (passenderweise gerade zur Liveschaltung von n-tv) und ihrer Forderung „Finanzmärkte entwaffnen! Mensch und Umwelt vor Shareholder-Value!” Nachdruck verliehen. Eine schöne Aktion, wie ich finde.

Apropos n-tv und die Wirtschaftspresse. Eigentlich sind die finanznahen Medien nicht gerade dafür bekannt, das Wirtschaftssystem und ihre Auswüchse in den vergangenen Jahren sonderlich kritisch beleuchtet zu haben (wenn man mal von einzelnen “Skandalen” absieht, über die natürlich gerne berichtet wird), aber bei meinen Wanderungen durchs Internet stieß ich dann doch auf erstaunliche Töne. So betreibt Michael Mross (früher Börsenreporter bei n-tv, heute bei CNBC) die Website MMNews [2], die sich folgendes auf die Fahnen geschrieben hat:

Deshalb widmet sich MMnews auch philosophischen Themen und beleuchtet insbesondere “normale” Gesellschaftsströmungen kritisch. In einer globalisierten Welt, die durch Mainstream gleichgeschaltet wird, ist es um so wichtiger, aufmerksam und kritisch das Zeitgeschehen zu durchleuchten.

Und so finden sich auf dieser Website wirklich eine Reihe sehr grundlegend kritischer Kommentare und Berichte, beispielsweise geht Ellen Brown in „Kredit-Krise: Game over [3]” auf die prinzipiellen Probleme unseres Währungssystems ein und beschreibt das Bankensystem als Schneeballsystem, das nun zusammenzubrechen droht.

Das wirkliche Problem ist nicht die Lage auf dem vieldiskutierten »Subprime-Markt« der zweitklassigen Hypothekendarlehen, sondern die Lage auf den Kreditmärkten, die praktisch ausgetrocknet sind. Das ganze Bankensystem hat versagt. Wie die schmerzlichen Lehren aus der Großen Depression zeigen, kann man in einer solchen Situation die Ökonomie nicht einfach durch die Stützung notleidender Banken retten. Das gesamte Bankensystem muss grundlegend reformiert werden.

Nur ein paar Klicks entfernt enteckte ich dann auch noch diesen offenen Brief von n-tv-Moderator Raimund Brichta an Angela Merkel [4], der sich ebenfalls sehr kritisch mit der aktuellen Situation auseinandersetzt und in dem der Autor fordert, nicht nur die Symptome, sondern vor allem auch die Ursachen zu behandeln:

… dass unser Geld ausschließlich von Geschäftsbanken, Sparkassen und Notenbanken gemacht wird, indem diese Kredite vergeben. Das heißt, die gesamte umlaufende Menge an Geld hängt nur vom Volumen an existierenden Bankkrediten ab. Ohne Kredite gibt es kein Geld.

(…)  Aber damit nicht genug, liebe Frau Merkel, denn Sie wissen ja, dass man für Kredite auch Zinsen zahlen muss. Das heißt, man muss insgesamt mehr zurückzahlen, als man aufgenommen hat. Manchmal – bei besonders langlaufenden Krediten – sogar mehr als das Doppelte. Wo soll aber das zusätzliche Geld herkommen? Klar, es kann nur aus zusätzlichen Bankkrediten stammen. Es muss also laufend neues Geld in Form von Bankschulden geschaffen werden. Und für die zusätzlichen Schulden müssen wieder Zinsen gezahlt werden, die noch mehr zusätzliche Kredite erfordern. Und so weiter und so fort…

Das hat zur Folge, dass die Mengen an zusätzlichem Geld und an zusätzlichen Schulden exponentiell wachsen müssen, um das System aufrecht zu erhalten.

Deshalb schlage ich Ihnen vor, liebe Frau Merkel, Ihren langfristigen politischen Zielen für mehr Nachhaltigkeit (z.B. im Klimaschutz oder in der Energieversorgung) ein weiteres hinzuzufügen: das Ziel, ein nachhaltigeres Geldsystem zu schaffen. Vergeben Sie Forschungsaufträge und stellen Sie Expertengremien zusammen, die sich damit beschäftigen, wie unser Geld sicherer werden kann. Tun Sie bitte etwas, denn es gibt noch viel zu tun – über die aktuelle Symptombehandlung hinaus. Der Blick auf die Wurzel wurde bisher fast gar nicht geschärft, weil diejenigen, die das gegenwärtige System betreiben, auch prächtig daran verdienen.

Und abschließend noch ein paar Worte aus der FAZ – Frank Schirmacher sinniert drüber, „wie die Finanzkrise das Denken ändert [5]” – „Die Finanzkrise fegt bisherige Glaubenssätze der Marktmetaphysik beiseite.”

Welche Gründe hat es, dass wir in einer Gesellschaft leben, die im Begriff ist, nach ihren natürlichen Lebensräumen nun auch ihre soziale Umwelt, die Lebenszeit einer ganzen Generation, sehenden Auges zu ruinieren? (…)

Nach Diamond steigt die Bereitschaft handelnder Eliten, eine Gesellschaft zu ruinieren, proportional mit ihrer Möglichkeit, sich von der Gesamtgesellschaft ökonomisch zu isolieren. Je mehr ihnen diese Isolierung gelingt, desto weniger werden sie von den Folgen für alle betroffen sein.

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