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Die Zurückeroberung von „cool“

(Dies ist meine Übersetzung des Artikels „The Reconquest of Cool [1]“ des streitbaren Adbusters-Gründers und „Ur-Culture-Jammers“ Kalle Lasn, der als Editorial in der März 2008er Ausgabe vom Adbusters Magazine [2] erschien. Der Text passt auch gut zu meiner Serie über die Schädlichkeit der Werbung, insbesondere zum ersten Teil [3], war doch die Aneignung von Begriffen für Werbezwecke dort ebenfalls Thema.)

cool-typical_french_parisian_girlVierzig Jahre nachdem Konzerne den Begriff „cool“ gekidnappt haben, wird es Zeit, wieder ein authentisches „cool“ von der Basis her zu erschaffen.

Von seinen Wurzeln in Afrika bis zur Jugendkultur heutiger Tage war cool immer eine Gesinnung des Widerstands gegen Unterjochung, ein Ausdruck von Rebellion und eine Trotzhaltung.

In den 60er Jahren, mitten in einer der größten kulturellen Revolutionen unserer Zeit, entdeckten die Konzerne, dass cool unglaublich gewinnträchtig sein kann. Während junge Menschen spontan auf die Straßen gingen und Festivals und Anti-Kriegs-Demonstrationen organisierten, begannen Konzerne damit, diese Gegenkultur zu plündern und auffällige Symbole und Redewendungen in ihre Werbekampagnen einzubauen.

So begann ein Tanz des authentischen „cool“ mit dem vorgetäuschten, kommerziellen „cool“. Wie Thomas Frank in seinem Buch „The Conquest of Cool“ („Die Eroberung von cool“) 1997 erklärte, wurde cool Schritt für Schritt „zentral für die Art und Weise, wie der Kapitalismus sich selbst verstand und gegenüber der Öffentlichkeit erklärte.“ In einem der erstaunlichsten kulturellen Staatsstreiche aller Zeiten haben Werbeagentur-Gurus herausgefunden, „wie man eine Maschine konstruieren kann, die Entfremdung und Verzweiflung in Konsens verwandelt.“

Vierzig Jahre nach der Übernahme von cool durch die Konzerne, findet wir uns erneut in einer Ära eines außergewöhnlichen kulturellen und politischen Umbruchs wieder. Die globale Erderwärmung jagt uns Angst ein, eine Seuche von Stimmungsverwirrungen untergräbt unsere Zuversicht und der Krieg gegen den Terror verwandelt sich in einen 4. Weltkrieg mit offenem Ende; wir fühlen uns unsicherer als je zuvor.

Plötzlich wachen die Menschen in Scharen aus dem Traumland des Konzern-cool auf. Wir werden uns bewusst, dass wir, seitdem wir als kleine Babys um das Fernsehgerät im Wohnzimmer herum krabbelten, belogen wurden, mit Propaganda überzogen – uns wurde unaufhörlich, Tag für Tag, erzählt, dass wir unser Glück im Konsumieren finden würden. Deshalb haben wir, wie Ratten in einer Skinner-Box, [4] permanent auf den KAUF-Knopf gedrückt – Millionen von uns marschieren im Gleichschritt, alle den gleichen Konsumententraum träumend.

Nun hebt sich der Nebel. Wir verstehen endlich, wohin uns dieses Schein-cool geführt hat: nicht zu Glück und Wohlstand, wie es in den Anzeigen versprochen wurde, sondern zu Zynismus, Umweltzerstörung und einer brutalen Ellenbogengesellschaft.

Dies ist der magische Augenblick, in dem das kapitalistische „cool“ ins Schlingern geraten und ein authentisches „cool“ wieder nach oben gelangen kann. Und nach Jahrzehnten des Herumirrens in der Wildnis, wird uns auf der Linken endlich klar, worum es bei diesem magischen Moment geht. Clive Hamilton – der Autor von Growth Fetish [5] („Wachstumsfetisch“) und „Affluenza“ – bringt es in seinem Artikel „What’s Left? The Death of Social Democracy” („Was ist Links/was bleibt übrig? Der Tod der Sozialdemokratie“) auf den Punkt, wenn er schreibt: „Das bestimmende Problem der modernen industriellen Gesellschaft ist nicht Ungerechtigkeit sondern Entfremdung … die zentrale Aufgabe fortschrittlicher Politik besteht heutzutage nicht darin, Gleichheit zu erzeugen, sondern Befreiung.“

Vergesst es, die Symptome zu behandeln. Vergesst das Heckenlabyrinth der Identitätspolitik. Entflieht den glorreichen Kämpfen um Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit der Vergangenheit. Befreit Euch statt dessen vom kapitalistischen „Mindfuck“ (geht in Richtung Gehirnwäsche; Anm. PM). Fangt an, wieder authentisches „cool“ von der Basis her zu entwickeln. Der Rest wird folgen.

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