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Bio in der Profit-Mühle

Es gab mal eine Zeit, so vor zwanzig oder dreißig Jahren, als Bioläden und ihre Produkte einen echten Nischenmarkt bedienten und vor allem für Menschen waren, die schon damals ökologisch korrekt unterwegs waren, sich aber vom Rest der Gesellschaft als „Müslis“ anranzen lassen mussten. Das war, nebenbei bemerkt, die Zeit, in der die Grünen auch noch echte gesellschaftsumkrempelnde Visionen hatten.

Mittlerweile sind Biolebensmittel zu einem großen Trend geworden, der von entsprechenden großen Firmen bedient wird und mit dem sich sehr gut Geld verdienen lässt. Wogegen jetzt zunächst mal nichts einzuwenden wäre, wenn wir nicht in einem Wirtschaftssystem lebten, das dafür sorgt, dass die Gesetze des Marktes und der Profitmaximierung zu Lasten ursprünglicher Ideale gingen. So ist die Zahl derjenigen, die aus wirklicher Überzeugung Biolandbau betreiben, vermutlich kaum gestiegen, während es für die meisten einfach nur ein lohnendes Einsatzfeld ist, bei dem die Gewinnspanne stimmt. Logisch, dass in so einem Umfeld die Biorichtlinien eher weiter aufgeweicht werden und man versucht, mit entsprechend üppig dimensionierten Betrieben die Nase vorn zu behalten.

Dementsprechend desillusionierend ist das, was das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus in seinem Beitrag „Bio boomt – Und unsere Bauern schauen nur zu [1]“ neulich sendete. Faszinierend ist auch die Naivität vieler Kunden, die Bio kaufen und denken, dass dies automatisch aus der Region stammt. Schwer nachvollziehbare und von der Politik sehr kurzsichtig gedachte Subventionswirren sorgen dafür, dass Biolandbau in Deutschland zunehmend unrentabler wird.

Bio boomt. Von Obst, über Fertigsuppe bis hin zum Putzmittel – fast nichts, was es nicht auch in Bio gibt. Überall, wo Bio draufsteht, greifen Kunden guten Gewissens zu. Mittlerweile gibt es Bio-Produkte in jedem Supermarkt. Der Umsatz ist auf über 6,6 Milliarden Euro gestiegen. Doch auf der Strecke bleiben ausgerechnet die, die es produzieren: „Wir haben uns 2011 entschlossen, diesen Hof wieder rückumzustellen auf den konventionellen Landbau“, sagt Landwirtin Anne Isenburg.

Wie kann das sein? Bio boomt vor allem in Supermärkten und Discountern. Deutschland bildet in der Nachfrage nach Bio-Produkten die Spitze in Europa. In einem Edeka-Markt finden sich rund 10.000 Bio-Artikel in den Regalen – zehn Prozent vom gesamten Sortiment. Marktleiter Peter Splettstößer sagt: „Es gibt in jeder Produktgruppe Bio. Das ist für mich schon fast erschreckend und ich frage mich wie das kommt.“ Das fragen wir uns auch: wo kommen diese Massen eigentlich her?

Über die Hälfte von Bio kommt aus dem Ausland

Von wegen allein aus Deutschland. Über 50 Prozent der Bio-Produkte kommt aus dem Ausland: Bohnen aus China, der Honig aus Mexiko, Brasilien, Chile und jeder zweite Bio-Apfel kommt ebenfalls von weit her. Diese Kartoffeln aus Ägypten sind 3.200 Kilometer weit gereist. Bohnen aus China 7.200 Kilometer und die Äpfel aus Argentinien satte 12.300 Kilometer.

10.000 Bio-Bauern fehlen in Deutschland um die Riesennachfrage zu decken. Und immer mehr geben auf. Was läuft schief in Deutschland? Das Stichwort lautet: Ökoförderung. In Deutschland ein Flicken-Teppich jedes Bundesland entscheidet selbst. Fast überall wird gekürzt, Brandenburg und Schleswig-Holstein haben sie gestrichen – gerade mal zwei Länder bauen Öko aus. Null Förderung für Biobauern. Jeder zehnte Ökobauer produziert mittlerweile wieder konventionell. (…)

(…) Die Deutschen wollen Bio mehr denn je. Aber zu welchem Preis? Wer wirklich ökologisch einkaufen will, sollte Produkte aus der Region im Blick behalten.

Dieser Trend wird, wie ich auch hier im Blog schon das eine oder andere Mal angemerkt habe, noch stark befeuert durch Discounter und Supermärkte, die den Druck auf die Preise und die Kostenstruktur weiter erhöhen und damit den Biolandbau zunehmend in die aus anderen Bereichen sattsam bekannte (schädliche) Profitspirale zwängen. Der SWR brachte unlängst ein Bio-Special und ging auch auf dieses Thema ein – „Bio-Lebensmittel beim Discounter – Bio ganz billig [2]“:

(…) Im Gegensatz zu den Siegeln der deutschen Öko-Anbauverbände wie Demeter, Bioland und anderen garantiert das EU-Bio-Siegel Mindeststandards. Nicht mehr und nicht weniger. Für die Lebensmittel-Hersteller ergeben sich daraus Möglichkeiten, wie die Bio-Ware billiger produziert werden kann. So enthält Kirschjoghurt, wie Ökotest als Beispiel anführt, nach den strengen Öko-Landbau-Richtlinien elf Prozent Kirschen und keine anderen natürlichen Aromen. Das EU-Bio-Siegel erlaubt, den Anteil der Kirschen auf sechs Prozent zu senken, für den Geschmack natürliche Aromen zuzufügen und den Joghurt mit billigem Rote-Bete-Saft rosa zu färben. (…)

Dass der Handel mit Bio-Produkten kein Nischendasein mehr führt, sondern ein hart umkämpfter Massenmarkt ist, in dem sich viel Geld verdienen lässt, hat in der Branche längst den Umgang von Bauern, Lebensmittelproduzenten und Händlern verändert. War den Pionieren der Branche ein partnerschaftliches Miteinander wichtig, herrscht heute zum Teil ein harter Wettbewerb. Dies hat dazu geführt, dass der “Bundesverband Naturkost und Naturwaren” einen Branchenkodex entwickelt hat, der unter anderem einen fairen Umgang auf allen Ebenen vorsieht.

Massenhaft erzeugte Bio-Milch wird ebenso wenig in idyllischen kleinen Kuhställen von Hand gemolken, wie billige spanische Bio-Tomaten auf kleinen Parzellen liebevoll gepflegt werden. Aber Kühe, die Bio-Milch nach dem EU-Bio-Siegel produzieren sollen, haben das Recht auf Auslauf und sind nicht den ganzen Tag im Stall eingesperrt. Und spanische Bio-Tomaten werden zwar auch in großen Treibhäusern gezogen, sollen aber nach EU-Vorschriften wasserschonend und ohne Einsatz von Pestiziden angebaut werden. Dass etwa Tomaten aus Spanien oder Olivenöl aus Griechenland den vorgeschriebenen EU-Standards entsprechen, wird regelmäßig kontrolliert. Auch bei exotischen Früchten aus Brasilien oder Kaffee aus Äthiopien gibt es Kontrollen der Endprodukte und der Herstellung, die gewährleisten sollen, dass das EU-Bio-Siegel zu Recht vergeben wird.

Bio ist nicht automatisch fair

Wer jedoch glaubt, dass Bio-Produkte immer unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt werden, liegt falsch. Die Richtlinien der deutschen Öko-Verbände sind nicht nur bei der Herstellung der Lebensmittel strenger als die EU-Verordnung, sondern sehen auch vor, dass in den Betrieben soziale Arbeitsbedingungen herrschen. Beim EU-Bio-Siegel sind dafür keine Standards vorgeschrieben, was vor allem bei Importprodukten bedeuten kann, dass Arbeiter auf den Bio-Plantagen nahezu genau so ausgebeutet werden wie in den seit langem umstrittenen konventionellen Betrieben. (…)

Wenn man sich mal bei YouTube herumtreibt, begegnet einem dort ein erschütterndes Maß an Ignoranz und Dummheit – warum ich das erwähne? Nun, weil es dort auch in gewissen Kreisen üblich ist, Bio generell für Humbug zu halten (das sind vermutlich auch Leute, die Umwelt- und Naturschutz als Abzocke ansehen und freie Fahrt für freie Bürger fordern…). Dass diese Skepsis trotz allem nicht unbedingt angebracht ist, zeigte der SWR in „Zehn Jahre ‚Ökomonitoring Baden-Württemberg‘ – Wie gut ist Bio? [3]“:

(…) Bio-Lebensmittel dürfen sich zu recht mit dem BIO-Zeichen brüsten. Das verkündete der württembergische Verbraucherschutzminister Alexander Bonde, als er nun die Bilanz von zehn Jahre Öko-Monitoring vorstellte. Die Qualität von etwa Obst, Gemüse, Wein und Kaffee in Bioqualität sind demnach topp, besonders wenn sie aus Deutschland stammen. Von über 1.100 deutschen Bio-Lebensmitteln beanstandeten die Überwachungsämter nur etwas mehr als 20 Produkte. Die meisten dieser Lebensmittel enthielten dabei lediglich winzige Spuren von Spritzgiften. (…)

Das Ökomonitoring des Landes Baden-Württemberg hat gezeigt, dass eine regelmäßige Überwachung hilft, die Qualität der Lebensmittel zu verbessern. Denn die Gesamtzahl der Beanstandungen ist im Laufe der vergangenen zehn Jahre deutlich zurückgegangen. Anfangs entsprachen noch fast zehn Prozent der Bioware nicht den entsprechenden Bio-Richtlinien. Inzwischen gibt es dagegen nur noch bei rund einem Prozent der Lebensmittel etwas zu mäkeln. (…)

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