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Lesetipps: Reichtum & Ruhm | Hilfe, LOHAS! | Marlboro | Konsumverzicht

Es wird mal wieder Zeit für ein paar Lesetipps im Konsumpf – beginnen möchte ich mit dem Artikel „Nur noch Reichtum und Ruhm im Kopf? [1]“ von Florian Rötzer auf Telepolis. Er stellt eine neue US-Studie vor – anhand der sich mir die Frage stellt, ob die nun seit einigen Jahrzehnten andauernde und von Medien, Reklamewirtschaft und Politik betriebene „Umerziehung“ der Menschen von Bürgern zu Konsumenten „Früchte“ getragen hat, also Erfolge im Sinne der Durchkommerzialisierer zeitigt. Hoffentlich nicht!

(…) was auch für die nach 1982 Geborenen zutrifft. Für sie sind extrinsische Werte wie Geld, Aussehen und Ruhm wichtiger als für die Baby Boomer, während intrinsische Werte wie Selbstakzeptanz, Gemeinschaft oder Zugehörigkeit eine geringere Rolle spielen. Die Sorge um die Mitmenschen nahm hingegen nur leicht ab, die bürgerpolitische Orientierung, also das Interesse an sozialen Problemen, politischer Partizipation, Vertrauen in die Regierung oder Engagement für die Umwelt oder das Energiesparen ging hingegen beträchtlich zurück, vor allem was den Umweltschutz anbelangt, der das Thema der vorhergehenden Generation war und ist. Es gebe keineswegs eine “Generation Wir” meinen die Psychologen, sondern vielmehr eine “Generation Ich”. (…)

(…) Reich sein war für 45 Prozent der Baby Boomer, die zwischen 1966 und 1978 befragt wurden, sehr wichtig, während dies schon für 70 Prozent der Anti-Hippy- und Anti-68-Generation der Xers, befragt zwischen 1979 und 1999, und gar für 75 Prozent der Millenials, befragt zwischen 2000 und 2009, sehr wichtig war. Stark zurückgegangen von 50 auf 35 Prozent ist etwa auch die Haltung, es sei wichtig, auf der Höhe der politischen Aktualität zu sein. Obgleich 73 Prozent der Baby Boomer noch sagten, es sei wichtig, eine “sinnvolle Lebensphilosophie zu entwickeln”, sagen dies nur noch 45 Prozent der Millennials, die eher zu surfen scheinen und sich den Gegebenheit flexibel anpassen wollen, als sich ein Identitätskonzept aufzuerlegen. (..)

Eine hitzige Debatte ist bei Utopia rund um einen extrem dummen Spiegel-Artikel entbrannt, in „Hilfe, die LOHAS kommen! [2]“ versuchen die Autoren durch schiefe Vergleiche von Wohlstands-LOHAS mit armen Rentnern zu zeigen, dass die Ökobilanz  der selbsternannten Ökos gar nicht so gut sei, wie sie selbst meinen; mit dem dabei unterschwellig mitschwingenden Fazit, das der Spiegel offenbar an seine Leser weiterzugeben versucht, dass sich nachhaltiger und bewusster Konsum gar nicht lohne. Nun bin ich bekanntlich auch kein LOHAS-Freund und denke auch, dass das bloße Umstellen des eigenen Konsums von konventioneller zu Bio-Ware noch keine nachhaltige Strategie darstellt – wer mit seinem SUV zum Bioladen fährt, mehrfach im Jahr in den Urlaub fliegt und immer das neueste iPhone-Modell kauft, kann mit ein paar Bio-Bananen auch nichts mehr retten. Hier hilft also nur ein konsequentes Überdenken des eigenen Konsums, was manchem LOHAS sicher schwer fallen dürfte. Interessant ist, wie gesagt, die Diskussion auf Utopia, die man HIER [3] findet. Z.B.:

ruero: (…) Letztendlich finde ich solche Artikel aber auch eine Zumutung, denn ich finde es ziemlich arm, den Lohas zu unterstellen, dass sie sich vom Rest der Gesellschaft moralisch abheben möchte… Es geht ja nicht darum etwas schlecht zu machen, sondern etwas zu verbessern!
Die “schlechten” Ökogutmenschen sind mir zumindest lieber, als solche, die nur kritisieren und die die jetztige Konsumwelt als alternativlos darstellen…  (…)

christoph burtscher: Der im Spiegel-Artikel verlinkte Buchtipp ( http://www.spiegel.de/video/video-1184044.html [4] )ist ja auch nicht viel mehr als billige Stimmungsmache. Da deckt der Autor im Ankündigungsvideo drei “Skandale” auf.
1. Der importierte Apfel aus Neuseeland kann eine bessere Ökobilanz haben, als der Bio-Apfel aus Deutschland, der monatelang gekühlt wird. Ja, tolle Erkenntnis, aber vielleicht sollte man auch zur Kenntnis nehmen, dass der nicht gekühlte Bio-Apfel (Stichwort: saisonal einkaufen, auf Utopia dutzendfach empfohlen) natürlich weiterhin die beste Bilanz hat
2. Der Autor hat herausgefunden, dass eine Plastiktüte besser als eine Papiertüte ist, weil die Papiertüte ja fast immer nur einmal benutzt werde, die Plastiktüte dagegen mehrfach genutzt werden kann. Da möchte ich dem Herrn doch mal eine Empfehlung für Stofftaschen aussprechen, die man (Aufgemerkt) MEHRFACH verwenden kann und den Plastiktüten bei Herstellung und auch was das spätere Müllproblem angeht haushoch überlegen sind: http://www.utopia.de/magazin/killt-die-plastiktueten-befreit-die-stofftaschen-fuer-saubere-umwelt?all= [5]
3. Dann der Clou, es wird der Skandal aufgedeckt, dass Plastikflaschen gar nicht bio sind und Mehrweg besser ist. Was ist an dieser Erkenntis bitte schön neu? Mir ist bisher noch kein LOHA untergekommen, der Fürsprecher für Plastikflaschen ist.
Führt mich zur Frage: Was ist eigentlich beim Spiegel los?

Apropos Konsum – im österreichischen Der Standard fragte sich Christoph Deutschmann neulich „Ist Konsumverzicht der Weg aus der Krise? [6]“. Eine Frage, die hir im Blog (und natürlich auch anderswo) ebenfalls des öfteren aufgeworfen wird – meines Erachtes gehört Konsumverzicht auf jeden all zu den Strategien, mit denen unsere Gesellschaften zukunftsfest gemacht werden können; eine Veränderung der Konsumgewohnheiten sollte also unbedingt als ein Baustein auf dem Weg in die Zukunft erreicht werden, stellt aber keine alleinige Lösung aller Probleme dar, das ist auch klar.

Die Industrieländer hängen am Wirtschaftswachstum wie die Drogensüchtigen an der Nadel – Stockt der Nachschub nur kurz, werden sie von Panikattacken befalle. (…)

(…) Wer die Unersättlichkeit des Konsums kritisiert, kann vom Geld und der Gier nach ihm nicht schweigen. Es handelt sich primär um ein Problem der vermögenden, mittleren, oberen Schichten der Bevölkerung. Die ärmere Hälfte der Bevölkerung auch in den entwickelten Ländern dagegen kann sich den symbolischen Konsum angesichts sinkender Realeinkommen nicht leisten; sie konsumiert nur materiell, eigentlich gar nicht. So berechtigt die Kritik am symbolischen Konsum der vermögenden Mittel- und Oberschichten und seinen aufreizenden Begleiterscheinungen sein mag: Mehr Konsumaskese würde das Problem des Überflusses an anlagesuchenden Finanzvermögen nur noch vergrößern und damit mitnichten einen Weg aus der Krise weisen. Müssten nicht große Teile der Konsumindustrie mangels Gewinnen dichtmachen? So lautet mein Fazit über die grüne und konservative Konsumkritik: gut gemeint, aber zu kurz gesprungen. Wer den Wachstumszwängen des Kapitalismus auf den Grund gehen will, muss weiter springen, tiefer bohren und die Vermögensform des Geldes in den Blick nehmen. Ohne eine subjektive und objektive Entzauberung der Geldutopie, und das heißt auch: ohne eine gesellschaftliche Einbindung und Begrenzung monetärer Eigentumsrechte, wird auch eine vernünftige Begrenzung des Konsums kaum gelingen können.

Ein paar schöne Variationen der unsäglichen Marlboro-Reklame, die derzeit die Städte zupflastern, habe ich im queergedacht-Blog gefunden – „Die aktuelle Marlboro-Kampagne – (Don’t) be a maybe [7]“:

(…) Wie üblich will die Werbung Zigaretten der Marke Marlboro mit einem gewissen Image verbinden, um sie zu verkaufen. In diesem Fall ist das ein starkes, cooles, selbstbewusstes, gewinnendes Image. Wer keine Marlboro-Zigaretten raucht, ist ein “Maybe”, und “Maybes” erreichen der Werbung zufolge nichts im Leben. So zieren die Plakate Texte wie “Maybe never wins”, “Maybe goes nowhere” oder “Maybe never fell in love”. Dass das völliger Schwachsinn ist, muss ich wohl nicht extra betonen. (…)

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