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Buchtipp: Die stille Revolution

Heute möchte ich Euch, in Kooperation mit dem Kritischen Netzwerk [1], mal wieder ein hochinteressantes Buch vorstellen, das genau in die momentane Zeit passt und, anders als manche Horrorszenario-Werke, sich auch konstruktive Gedanken über eine mögliche andere Zukunft macht. Die Rede ist von „Die stille Revolution [2]“ von Manfred Gotthalmseder, das vor wenigen Wochen erschienen ist.

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Verlag: hergestellt von: 1-2-Buch.de (7/2011) [2]

ISBN: 978-3-942594-05-9, Paperback, 232 Seiten, Preis: 12 €

Infos zum Autor:
Manfred Gotthalmseder, Jahrgang 1968, stammt aus dem Salzkammergut. Er studierte in Wien Malerei sowie das Lehramt für Psychologie, Philosophie (1998 Diplom in Philosophie bei Prof. E. Oeser) und Bildnerische Erziehung. Er ist unter anderem als Lehrer an höheren Schulen tätig. Sein Hauptinteresse gilt den Auswirkungen der gegenwärtigen Dominanz ökonomischen Denkens auf den Menschen, außerdem Gehirnforschung [3], Künstliche Intelligenz, was ist Geld? und nachhaltige Energie.

Einleitung:

Wie wird späteren Epochen einmal die heutige Gegenwart erscheinen? Ist sie der Niedergang einer großen Zeit des Wohlstandes der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts? Oder steckt in ihr schon der Keim für etwas grundlegend Neues? Sind die Geisteshaltungen, welche die Grundlage einer neuen Epoche der Geschichte bilden, nicht immer schon im Untergang der alten vorhanden? Wenn dem so ist, so wäre es doch spannend, diese zu kennen. Viele unterschiedliche Tendenzen unserer Zeit werden irgendwann ihre gegenwärtige Widersprüchlichkeit verlieren und zu einem neuen Ganzen finden. Da die Umsetzung den Ideen stark hinterher hinkt, lässt sich manch kommender Umbruch heute schon erahnen.

Einige der in diesem Buch vorgestellten Konzepte stammen von mir, andere schienen wichtig genug, sie mit in dieses Buch zu nehmen. Aber wesentlicher als die einzelnen Erkenntnisse ist mir der rote Faden, welcher geisteswissenschaftliche, ökonomische und naturwissenschaftliche Modelle miteinander verbindet. Dieser entspringt natürlich meiner ganz eigenen Sichtweise.

Der Titel des Buches ergab sich daraus, dass wir heute einen Wandel unserer Gesellschaft beobachten können, der mit der Idee der Nachhaltigkeit begann, und sich nun von der Energiewende auch auf die Güterproduktion und Geldwirtschaft überträgt. Mit dieser Idee ergibt sich aber auch ein neuer Blickwinkel auf den Werdegang des Lebens. Die Evolution wird nicht mehr als Wettbewerb unter Einzelkämpfern gesehen, sondern wir erkennen, dass auf Dauer nur jene Arten überlebt haben, welche mit anderen ein nachhaltig symbiotisches System bilden konnten, in dem der Abfall der Einen zum Dünger der Anderen wurde. Auch die Entdeckung, dass soziales Verhalten für die meisten Arten überlebenswichtig ist, überträgt sich heute auf unser Verständnis von kulturellen Organisationsformen beim Menschen. Gleichzeitig beweist uns eine global agierende auf Wettbewerb aufgebaute Wirtschaft mit zu Dinosauriern aufgeblähten Konzernen, ihre zerstörerische, menschenverachtende Wirkung. Bürgerbewegungen fordern weitgreifende Reformen und im Internet verbreiten sich Ideen von völlig neuen Formen des sozioökonomischen Zusammenlebens. Während die Politik weitgehend versucht das alte System aufrecht zu erhalten, scheint es sich von unten still zu wandeln.

Die Erkenntnis, dass unsere heutige Lebensform die am wenigsten nachhaltige ist, stürzt uns Menschen ein weiteres mal vom Thron. Von Kopernikus aus dem Zentrum des Universums verstoßen und von Darwin unter die Tiere gereiht müssen wir meiner Ansicht nach nun auch noch den Status des erfolgreichsten Lebewesens der Erde in Frage stellen. Gleichzeitig bietet sich uns die Chance das erste Wesen zu sein, das Nachhaltigkeit bewusst anstrebt. So kann die stille Revolution dieser Zeit auch als ein neuer Schritt in der Bewusstseinsentwicklung des Menschen gesehen werden. Zu Beginn will ich deshalb eine Theorie von Julian Jaynes erweitern, wonach Bewusstsein ein historisch entstandenes Phänomen ist. Wenn wir diese Idee ernst nehmen, so können wir sie gleich auf den gesamten Zeitraum der Geschichte anwenden, so dass sich eine stetig wachsende Bewusstwerdung des Menschen und seiner Stellung im Kosmos ergibt. Die Stufen dieser Entwicklung gilt es begreifbar zu machen.

Letztlich münden die Überlegungen in das Bild, das der Mensch nach dem heutigen Stand der Erkenntnis von sich haben kann. Hier will ich die Funktion unseres Gehirns als Organ darstellen, das es uns ermöglicht, eine vorgestellte Zukunft zu erreichen. Im Gegensatz zu den Wirkungen, mit denen sich die Naturwissenschaft beschäftigt, welche in der Vergangenheit liegen, ist diese Wirkung aus der angenommenen Zukunft auf unser gegenwärtiges Handeln grundlegend für allen gesellschaftlichen Wandel. Aber diese Zugkraft ist abhängig von der Fähigkeit sich kollektiv auf Zukunftsvisionen zu einigen, die einander nicht widersprechen.

Diesem Ziel widmet sich der zweite Teil des Buches. Es herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass Energieversorgung und Warenproduktion von ihrer Konzeption her heute eine Einbahnstraße darstellen. Aus Ressourcen wird Müll, der unseren Planeten vergiftet. Aber inwiefern steht die Philosophie des Kapitalismus, welcher zufolge sich das System durch Angebot und Nachfrage selbst regeln sollte, einem Wandel im Weg? Ist nicht Knappheit oberstes Ziel eines solchen Systems? Wem könnte die Wirtschaft etwas verkaufen und wer würde für die Unternehmen arbeiten ohne Mangel? Sind Wasser und Luft verschmutzt und die Gesundheit und das Klima ruiniert, so ergeben sich daraus doch ungeahnte neue Märkte für Produkte, die wir heute noch gar nicht kennen. Es gilt also zu fragen, ob sich die Wirtschaft nicht eher in ihrem Sinne, anstatt im Sinne des Menschen selbst reguliert. Wie können wir erreichen, dass sie wieder für uns arbeitet und nicht umgekehrt?

Ist unsere Geldwirtschaft überhaupt nachhaltig? Ich will hier eine neue Interpretation des Geldkreislaufes vorstellen, wonach Kursgewinne am Finanzmarkt nichts anderes sind als eine dort stattfindende Inflation aufgrund zu hoher Geldmengen. Das Geld wandert durch den Zinseszinsmechanismus aus der Realwirtschaft in den Geldanlagemarkt ab, wodurch eine stets steigende Vermögenskluft zustande kommt. Ohne einen Wandel des Geldsystems hin zur Nachhaltigkeit ist jegliche Bemühung um soziale Ausgewogenheit zum Scheitern verurteilt, da es Geschäftsbanken die Möglichkeit gibt den Staat zu ihrem Schuldner zu machen und der Zinseszins die Schulden wachsen lässt. Da auch die politische Spitze dieser Gesellschaft ihr Vermögen am Finanzmarkt macht, und somit von diesem System profitiert, in welchem Geld immer dorthin fällt, wo schon welches ist, dürfen wir von Seiten der Politik nicht zu viel erhoffen. Am Beispiel der Energiewende ist zu erkennen, dass der Wandel auch vom Volk kommen kann. Gegenüber der Summe an Privatinitiativen erweisen sich die großen Energiekonzerne als träge und einfallslos. Könnte nicht auch in Sachen Geldwirtschaft eine Reform von unten erfolgen, indem die Summe der Kleinstanleger den Geldmarkt wandelt, wenn  diese nur erst einmal verstehen, was abläuft? Freilich könnte der Staat als Gesetzgeber die Regeln denen Banken unterliegen ändern und einen Kollaps des Systems verhindern. Aber ist die Demokratie geeignet um solch einen Kraftakt zu vollbringen? Haben unsere politischen Führer überhaupt den Überblick darüber, welches Spiel der Finanzmarkt mit den Staatshaushalten treibt? Führen Wahlen denn dazu, dass jene geistige Elite eines Landes an die Macht kommt, die fähig ist das komplexe ökonomische System zu verstehen?

Mit dieser Frage schlittern wir in die kritische Betrachtung politischer Organisationsformen. Meiner Ansicht nach sind demokratische Wahlen nur dazu brauchbar, um dem Volk die Möglichkeit zu geben, seine Bedürfnisse zu definieren. Der Einzelne zeigt durch seine Stimme, welchen Themenfeldern seiner Meinung nach derzeit besondere Beachtung geschenkt werden sollte. Er definiert seinen Willen. Im Gehirn des Menschen sind es die momentanen Bedürfnisse, welche uns einen Willen verspüren lassen. Sie werden aber durch einen weitblickenden Verstand relativiert, der durch seine Fähigkeit zur Voraussicht auch zukünftige Bedürfnisse berücksichtigt. Diesem Vorbild folgend, müsste in einer idealen Regierung der Wählerwillen von wissenschaftlichen Forschergruppen aufgegriffen werden, die durch Computersimulationen den Einfluss bestimmter organisatorischer Veränderungen auf das ökonomische System errechnen. Nach wissenschaftlichem Vorbild würde Forschern, deren Simulationen sich in der Vergangenheit bewährt haben, mehr Einfluss zugesprochen.

Die Geschichte zeigt, dass Machtspiele nur Reichtum auf Kosten Anderer erzeugen. Auf lange Sicht waren es nicht neue Regierungsformen, sondern neue wissenschaftliche Erkenntnisse, welche zu Zeiten eines allgemeinen hohen Wohlstands geführt haben. Die übertriebene Ausnutzung der neuen Methoden hat freilich später neue Probleme hervorgebracht, vor allem weil sie nicht nachhaltig, also nicht als Kreisprozess konzipiert waren. Trotzdem ist es vor allem dem heutigen technologischen Kenntnisstand zu verdanken, dass derartig viele Menschen auf diesem Planeten leben können. Auch in der Entwicklungshilfe hat man inzwischen begriffen, dass den Menschen auf Dauer vor allem durch neue Erkenntnisse, wie zum Beispiel neue Anbaumethoden geholfen werden kann. So werden wir am Ende auf die Rolle der Bildung und die Rolle des kreativen Menschen in dem System zu sprechen kommen.

Ein gebildeter Mensch sollte eine Haltung zu der Frage einnehmen können, welche Ziele eine Gesellschaft sinnvollerweise anzustreben hat. Heutige Schulbildung bietet zunehmend nur noch das Knowhow zum Erreichen von Zielen, lässt dahinter stehende Werthaltungen aber unhinterfragt. Eine Auseinandersetzung mit den Themen unserer Zeit, wie sie dieses Buch bietet, wird nach Durchsetzung der Bildungsstandards nicht einmal mehr im Philosophieunterricht stattfinden können. Dort wird man sich dann darauf beschränken auf einer ideellen Ebene, jenseits irgend welcher praktischer Konsequenzen, zu argumentieren. Dies ist politisch wohl auch so gewollt, denn auf diese Weise wird das vorhandene Wertesystem stets reproduziert.

Generell spaltet unsere Kultur die Bildung in viele Wissenschaftsgebiete auf, und so erweisen wir uns als unfähig die großen Zusammenhänge zu erkennen. Dabei steht Kultur als Träger kollektiven Wissens am Ende einer Kette von Organisationsformen des Lebens, die ein einziges großes Ziel verfolgen, das alles zusammenhält. Dieses scheint darin zu liegen, Lebensformen hervorzubringen, welche zu immer mehr Einsicht in diese Welt befähigt sind, um vorausplanend handeln zu können. Große Vordenker beweisen, dass auch ein Einzelner einen wesentlichen Baustein in dieser Entwicklung bilden kann, selbst wenn er in seiner Zeit unverstanden bleibt. Die Kultur vergisst wesentliche Gedanken nicht, sondern sie überdauern die Lebensspanne ihrer Schöpfer und einige werden zu Grundpfeilern neuer Epochen. So gesehen sollte es für jeden von uns Sinn machen, unser eigenes Denken zu pflegen und weiterzugeben, um geistig in dieser Welt zu bleiben.

Dieses Buch mag dabei helfen.

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