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Germany’s Next Top Apfel

Das Fernsehen bzw. die Medien generell schwören unsereins ja nun schon seit Jahrzehnten darauf ein: Mann/Frau muss makellos schön sein, alles muss perfekt aussehen, kein Gramm Körperfett zu viel, am besten keine Fältchen oder grauen Haare. Mit Sendeformaten wie „Germany’s Next Top Model“ werden solche Vorstellungen weiter pervertiert und vorangetrieben und ohne digitale Retouche mittels heftigem Photoshop-Einsatz sind Hochglanzmagazine gar nicht vorstellbar. Es geht um die schöne, besser gesagt, die geschönte Oberfläche – je glatter, windkanalmäßiger, desto besser. Ja kein störendes Profil zeigen!

Dass diese unselige, durch die Reklameindustrie leichtfertig vorangetriebene Entwicklung natürlich auch unsere Lebensmittel betrifft, sollte eigentlich klar sein – warum sonst gäbe es Berufszweige wie den Foodstylisten, der dafür sorgt, dass selbst pampige Burger oder matschige Tiefkühlkost auf den Fotos wie gemalt (und eigentlich völlig widernatürlich) aussehen? (Ich erinnere da an die schöne Kunstaktion „Werbung gegen Realität [1]“ der Pundo 3000-Gruppe, über die ich hier im Blog vor ein paar Jahren auch schon mal berichtete.) Nun kann man es sich natürlich leicht machen und sagen, ach was, halb so wild, die Leute wissen doch, dass das, was ihnen da optisch angeboten wird, alles nicht echt wird. So versuchen sich sicherlich auch die Marketingleute aus ihrer (Mit-)Verantwortung für den Geschmackszerfall zu stehlen. Aber niemand kann mir glaubhaft erzählen wollen, dass die permanente Bombardierung mit künstlich aufgepeppten Produkt- und Star-Bildern ohne (negative) Folgen für die kollektiven Ansichten bleibt.

Und auch nicht für den Geschmack von Nahrungsmitteln – wie die NDR-Sendung Markt neulich in „Norm-Äpfel: Makellos, aber auch schmackhaft? [2]“ zu berichten wusste. Denn dass die Äpfel, die im Supermarkt so perfekt aussehen, letztlich gar nicht besonders schmecken, dafür aber um den halben Erdball gekarrt und mit ordentlich Chemie behandelt wurden, hat der kritische Verbraucher schon immer geahnt, der normale Kunde aber doch eher verdrängt:

Die meisten Verbraucher greifen nach einem möglichst roten, makellosen Apfel, der schön glänzt. Ein Schönheitsideal, dem gerade alte Apfelsorten oder Äpfel aus deutschem Anbau nicht unbedingt entsprechen. Deutsche Apfelbauern sind daher unter Druck, so einen “Norm-Apfel” zu liefern. Denn der Einzelhandel macht genaue Angaben, wie ein Apfel auszusehen hat. Ein Elstar-Apfel beispielsweise muss zwischen 70 und 75 Millimeter groß sein. Selbst die Färbung ist genau festgelegt: Ab einem Rotanteil von mehr als 30 Prozent wird er als Handelsklasse 1 verkauft.

Auch bei Äpfeln gilt: Chemische Hilfsmittel fördern die Schönheit

Eckard Brandt züchtet alte Sorten. Bei ihm sieht kein Apfel aus wie der andere und kaum einer entspricht dem gängigen “Schönheitsideal”. Der Obstbauer erklärt, wie das bei den Norm-Äpfeln erreicht wird: “15- bis 20-mal muss ein solcher Apfel gespritzt werden, damit er so makellos aussieht und den Schönheitswettkampf gewinnen kann.”

Tatsächlich gibt es einige Zusatzstoffe, die nur angewendet werden, damit der Apfel den Vorstellungen des Handels entspricht. So werden Äpfel beispielsweise in Südamerika nach der Ernte mit einem speziellen Wachs überzogen. Das Wachs lässt die Äpfel schön glänzen und sorgt dafür, dass sie auch nach ihrer langen Reise nach Deutschland noch frisch und knackig aussehen.

In Deutschland ist es grundsätzlich verboten, Äpfel nach der Ernte auf diese Art zu behandeln. Die entsprechenden Substanzen sind in der sogenannten Zusatzstoffzulassungsverordnung nicht zu finden. Für importierte Äpfel wiederum gilt die sogenannte Rückstandshöchstmengenverordnung. Sie erlaubt den Einsatz einer bestimmten Substanz, solange die entsprechende Höchstmenge nicht überschritten ist.

Auch Hauke Meyer ist Apfelbauer. Er sieht in den importieren Äpfeln unfaire Konkurrenz: “Das ist der größte Wettbewerbsnachteil, den wir haben. Denn neben dem tollen, glänzenden und makellosen Apfel, der kein Wasser verdunstet, weil er eben mit Wachs umschlossen ist, liegt unser Apfel. Der ist nach zehn Tagen im Laden bei 20 Grad einfach vertrocknet oder wird welk und weich. Der kann einfach nicht mehr so schön aussehen.”

Geschmack bleibt auf der Strecke

Auch der Geschmack bleibt oft auf der Strecke. Ein grundsätzliches Problem, wenn nur die Optik zählt, sagt Obstbauer Eckard Brandt: “Kein Mensch will sich die Mühe machen, den Verbraucher auf die wirklichen Werte eines Apfels hinzuweisen. Stattdessen wirbt man mit lackschuhartigem Aussehen und Knackigkeit, was für mich überhaupt kein Kriterium ist.” Im Gegenteil, seiner Meinung nach gibt es “regelrechte Understatement-Äpfel”, die sähen nach nichts aus, schmeckten dafür aber fantastisch. Im Supermarkt werden Verbraucher diese Äpfel allerdings kaum finden. Denn dort gibt es oft ein Standardsortiment, aus Sorten, deren vorrangiges Züchtungsziel nicht der Geschmack ist.


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