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Mauerhase – Der Todesstreifen als Kaninchenparadies

Wer immer in den letzten Tagen und Wochen dem Medienkonsum gefrönt hat – sei es nun online, offline oder im Fernsehen (ist Fernsehen eigentlich den Offline-Tätigkeiten zuzurechnen? Schließlich hängt man da ja auch irgendwie an einem Datenstrom…) – wird ihnen kaum entgangen sein: den Dokumentationen über die Berliner Mauer, die vor 50 Jahren die Trennung der beiden deutschen Teilstaaten manifestierte. Und was einem auch kaum entgehen konnte, war der unglaublich pathetische, zum Teil sehr platt ideologische Ton (Marke Kalter Krieg), der die Sendungen etc. durchzog, egal, wo sie denn liefen, also ob nun in privaten oder öffentlich-rechtlichen Anstalten.

Nun sind die Zustände in der DDR sicherlich nicht zu rechtfertigen und der Bau dieses „Schutzwalls“ nebst Schießbefehl eigentlich schon Beweis genug, dass hier ein absurdes und menschenfeindliches Regime am Werke war – wieviel Angst müssen die Machthaber vor dem eigenen Volk gehabt haben, und wie wenig vertrauten sie der Strahlkraft des eigenen Systems, wenn sie die Bürger hinter einer Mauer festsetzen mussten? Dennoch ist es erstaunlich zu sehen, dass die Berichterstattung über dieses Ereignis und diese Zeit so dermaßen (überwiegend) gleichgeschaltet in den heutigen Medien vonstatten geht.

Umso erfreulicher fand ich es da, dass es im Bayerischen Fernsehen auch eine Dokumentation über die Zustände an der Mauer zu sehen gab, die das Ganze aus einer sehr ungewöhnlichen und teils auch humorvollen Perspektive betrachtete, ohne den Ernst der Lage zu verharmlosen – „Mauerhase [1]“. Diese preisgekrönte deutsch/polnische Doku aus dem Jahre 2009 schildert die Entwicklung auf dem Berliner Grenzstreifen aus der Sicht einiger Wildkaninchen, die dort beim Bau der Grenze quasi festgesetzt wurden, und sich in dem kleinen, geschützten Reservat in der Folge prächtig vermehrten. Gleichzeitig sieht man den Schrecken der stacheldrahtbewehrten Mauern und Wachtürme aus einer ganz neuen Perspektive. Wirklich eine sehr schöne Sendung mit zudem ausgesprochen possierlichen Tierchen (auch wenn es thematisch nun nicht unbedingt 1:1 zu meinem Blog passt – ein Blick über den Teller- bzw Mauerrand kann ja nicht schaden). :-)

Ein etwas anderer Blick auf die deutsche Geschichte: Die deutsch-deutsche Teilung aus der Sicht der Mauerhasen. Ein ungewöhnlicher und preisgekrönter Dokumentarfilm über Hasen und Menschen.

Der Film nimmt die Perspektive der Mauerhasen ein, die ohne jeden Argwohn von einem paradiesischen Dasein inmitten üppigen Grüns erzählen. Mögliche Feinde halten ein großer Zaun und später die unüberwindbare Mauer auf Distanz. Bewaffnete Wächter übernehmen persönlich die Verantwortung für das Wohlergehen der possierlichen Tiere. Die enge Nachbarschaft von Grenzsoldaten und Hasen fördert ein geradezu inniges Verhältnis.

Mit der Zeit verlieren die Hasen jede Scheu und werden in ihrer kleinen, überschaubaren Welt träge und faul. Sie hören auf, um Rangordnungen zu kämpfen und reagieren auf die Vorgänge um sie herum mit Desinteresse. Doch auch die Zustände im Paradies währen nicht ewig. Pflanzenschutzmittel werden eingesetzt, die Hasen erkranken, werden schließlich gejagt – bis die Mauer fällt. Sie müssen nun lernen, mit der neu gewonnenen Freiheit zurechtzukommen, dürfen nicht unter die Räder geraten. Dieses Schicksal teilen die Hasen im Prinzip mit den Menschen in ganz Osteuropa.


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