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Überkonsum von rezeptfreien Medikamenten

Nun, dass das Funktionieren unseres Wirtschaftssystems auf stetig steigendem Konsum basiert, ist ja bekannt. Aus dem Grunde werden auch Konjunkturprogramme und Abwrackprämien ins Leben gerufen, und davon, den Menschen möglichst geschickt einzureden, dass ihr erst jüngst gekauftes Handy oder die Markenjeans aus dem letzten Sommer nun total out und überholt seien und so schnell wie möglich gegen etwas Neues, viel Schickeres und Cooleres ersetzt werden müssen, lebt schließlich eine ganze Branche (Stichwort „geplante Obsoleszenz“; siehe den ARTE-Beitrag „Kaufen für die Müllhalde [1]“). Ja, es leben sogar viele Branchen vom dem ewigen (inszenierten) Wechselspiel von Moden und Trends – nicht nur Marketing- und Werbeabteilungen, auch Fernsehsender, die mit „Model“-Shows u.ä. ihre Werbeplätze für die Werbekunden attraktiv machen und die schillernd bunten Märchen vom flüchtigen Konsumglück als Lebensinhalt erzählen.

Ist der „normale“ Konsum von Gütern des alltäglichen Bedarfs etc. schon mit genügend Nachteilen verbunden – für die Umwelt, die Ressourcenausstattung des Planeten, den Geldbeutel der Käufer, dem Shopping-Stress und der Angst, etwa „das Falsche“ gekauft zu haben etc. –, so scheint es besonders perfide, dass die Pharmaindustrie auch offensiv Reklame für rezeptfreie Medikamente betreibt. Nach dem Motto: zwickt es irgendwo im Hals, schnell eine Pille einwerfen oder Tropfen nehmen. Die bekommt man ja auch ohne Rezept in jeder Apotheke, also werden die Sachen auch unproblematisch sein. Aber ist das wirklich so? Die WDR-Sendung Markt ging in „Medikamente – Rezeptfreies Risiko [2]“ dieser Frage nach und zeigt auch, wie groß der Markt an diesen Mitteln zur Selbstmedikation inzwischen geworden ist. Klar, dass sich die Industrie diese lukrative Einnahmequelle nicht durch unnötige Warnhinweise etc. verderben möchte!

Schmerzmittel und Nasentropfen gehören zu den meistverkauften Arzneimitteln in Deutschland. Doch was passiert, wenn man diese rezeptfreien Präparate zu oft und zu leichtfertig anwendet? (…)

Doch nicht nur Kombipräparate sind problematisch. Auch Monopräparate zum Beispiel gegen Kopfschmerzen (Aspirin, Paracetamol, Ibuprofen etc.) können möglicherweise Organschäden verursachen. So steht es auch in den Beipackzetteln. Der Gesamtumsatz der rezeptfreien Schmerzmittel betrug im vergangenen Jahr 950 Millionen Euro.

Schmerztherapeut Küster mahnt: „Da gibt es grobe Schätzungen, dass in Deutschland circa 200 Menschen am Tag mit einer Magenblutung aufgrund der Einnahme solcher Medikamente ins Krankenhaus kommen. Und man muss bedenken: Gut zehn Prozent sterben an der Magenblutung.“ Und Professor Glaeske ergänzt: „Wir schätzen, dass wir etwa 60.000 Dialysepatienten in Deutschland haben, und dass wir eben etwa fünf bis zehn Prozent Dialysepatienten haben, die über Schmerzmittelmissbrauch zur Dialyse gekommen sind.“ (…)


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