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Klimaforscher will globale Konsumziele für die Reichen

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© speedy2, stock.xchng

Diese Pressemitteilung des Rats für Nachhaltige Entwicklung flatterte gerade auf meinen virtuellen Schreibtisch – der Titel hat mich auf jeden Fall bewogen, mir die Meldung einmal anzuschauen: „Klimaforscher will globale Konsumziele für die Reichen [2]“. Interessant ist an dem Text vor allem, dass sich offenbar die Erkenntnis, dass unser Konsumniveau, das wir in der westlichen Welt zelebrieren, alles andere als langfristig haltbar ist. Und dass man eben neben der Wirtschaft auch den Konsumenten selbst dazu bewegen muss, von der Konsumfixierung wegzukommen. Ob dies durch ein diktatorisch erscheinendes, global verabschiedetes „Konsumziel“ geht, wage ich ja zu bezweifeln – zum einen, weil die meisten anderen solcher weltweiten Abkommen auch oft genug scheitern, und zum andern, weil mir der Ansatz der Verordnung von oben nicht behagt.

Zudem erscheint eine solche Forderung nach Konsumzielen auch etwas naiv, denn bei Lichte betrachtet bedeutet dies nicht einfach nur, dass jeder seinen Konsum verringert (was natürlich sehr sinnvoll ist), sondern es entspricht auch einer schleichenden Untergrabung des kapitalistischen Systems (was auch nicht verkehrt ist). Sprich: in unserem System ist Wirtschaftswachstum und Identitätsfindung durch Konsum quasi Staatsräson, ganze Wirtschaftszweige, von Reklame und Marketing bis hin zu den Medien als Multiplikatoren der frohen Kaufbotschaften, hängen davon ab und werden nicht müde, den Bürger damit zu behelligen und ihm einzureden, dass Kaufen glücklich macht und man nur cool ist, wenn man Jeans von X trägt oder Plörre von Y trinkt. Hier wäre also wirklich ein sehr breitangelegtes Umdenken vonnöten, das von einem gleichzeitigen Umbau des wirtschaftlichen Treibens begleitet werden muss, damit dies wirklich nachhaltig sein kann. Ob man dies binnen weniger Jahre, wie im Artikel angedacht, möglich ist, erscheint mir doch recht illusorisch. Von daher schließe ich mich den Zweifeln, die im letzten Absatz des Textes erwähnt werden, durchaus an.

Aber urteilt doch selbst:

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Klimaforscher will globale Konsumziele für die Reichen

Der Klimawissenschaftler Mohan Munasinghe aus Sri Lanka will auf der für das Frühjahr 2012 im brasilianischen Rio de Janeiro geplanten Weltnachhaltigkeitskonferenz („Rio+20”) auf die Verabschiedung von globalen Konsumzielen durch die Vereinten Nationen drängen. Die von ihm im Januar während eines offiziellen Rio+20-Vorbereitungstreffens vorgeschlagenen „Millennium Consumption Goals“ (MCG) sollen die Millenniumsentwicklungsziele der Vereinten Nationen zur Armutsbekämpfung ergänzen und das reichste Fünftel der Weltbevölkerung für nachhaltigeren Konsum gewinnen. „Die Millenniumskonsumziele“, sagt er, „sollen die Reichen in allen Ländern zum Teil der Lösung machen“. Das sei Voraussetzung für eine gerechtere Verteilung von Gütern und einen geringeren Druck auf die natürlichen Ressourcen. Der Berater der Regierung Sri Lankas und Professor für nachhaltigen Konsum an der Universität Manchester setzt bei der Durchsetzung seiner Idee auf die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft. Deutsche Konsum- und Entwicklungsexperten finden seinen Vorschlag grundsätzlich richtig, zweifeln aber zum Teil an dessen Umsetzbarkeit.

Munasinghe sagt, für eine nachhaltige globale Entwicklung „sollten wir uns auf die 1,4 Milliarden Menschen konzentrieren, die die reichsten 20 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen“. Sie konsumierten mehr als 80 Prozent aller Waren und damit 60 Mal mehr als die ärmsten 20 Prozent. Ihr Überkonsum sei mitverantwortlich dafür, dass sich die weltweite Armut verschärfe, der Klimawandel und der durch „kurzsichtiges Wirtschaften“ ohnehin hohe Druck auf die natürlichen Ressourcen. Nach Ansicht von Munasinghe hat die Weltgemeinschaft auf diese „multiplen Bedrohungen“ bislang nicht angemessen reagiert. Deswegen müssten jetzt die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft das Heft in die Hand nehmen und gemeinsam Konsumziele entwickeln.

„Die MCGs“, so Munasinghe, „müssen keine verpflichtenden Ziele sein“. Ihm schwebe „eher ein Set von Maßstäben“ vor, die sich durch „Kombination verschiedener freiwilliger Aktionen von nachhaltigen Konsumenten und Produzenten umsetzen lassen“. Richtlinien der Politik könnten sie ergänzen. In einem im Januar von ihm veröffentlichten Papier [3] plädiert der Wissenschaftler unter anderem für einen maßvollen Fleischkonsum, für effizientere Autos, eine „progressive Besteuerung von Luxusgütern“ und für Energiesparlampen. Ziel sei, das reichste Fünftel der Weltbevölkerung vom Nutzen nachhaltigerer Konsumweisen zu überzeugen. Grenzen für ein zukunftsverträglicheres Konsumniveau nennt er in seinem Papier nicht.

Die Politikwissenschaftlerin Marianne Beisheim [4] von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) aus Berlin hält das für einen Schwachpunkt. Globale Konsumziele findet sie zwar unterstützenswert. „Ohne Grenzen und Ziele lassen die sich aber nicht umsetzen“, so die Wissenschaftlerin der SWP-Forschungsgruppe „Globale Fragen“. Gut sei dagegen, dass sich Munasinghes mit seiner Idee an die Reichen richtet. Er schließe damit eine Lücke in den Millenniumsentwicklungszielen, die Nachhaltigkeitsanforderungen nur an die armen Länder des Südens stellen. Dass Munasinghe diesen Zielen „Ziele gegen den Überkonsum“ an die Seite stellt, begrüßt auch Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Bonner Nord-Südorganisation Germanwatch [5]. Er nennt Munasinghes Ansatz „innovativ“. Die „wirkungsvollsten Wege für andere Lebensstile“, so Bals, lägen aber in „Infrastrukturen, die diese ermöglichen“ und höheren Preisen für Energie und Rohstoffe.

Auf volle Zustimmung trifft Munasinghes Idee bei Michael Kuhndt, Leiter des UNEP/Wuppertal Institute Collaborating Centres on Sustainable Consumption and Production [6]. Kuhndt, der Regierungen und Unternehmen zur Nachhaltigkeit berät, findet den Vorschlag „sehr gut“. Nachhaltigkeitsziele, sagt er, gäbe es bislang nur für Produzenten. Für Konsumenten seien sie aber ebenso nötig. Nach seiner Ansicht handelt Munasinghe auch „sehr klug“, wenn er keine detailliert ausformulierten Konsumziele nennt. Die könnten nämlich „nur Ergebnis einer breiten Diskussion sein“. Dabei auf die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft zu setzen, sei „richtig“. Der Konsumexperte hält es auch für „realistisch“, dass diese breite Diskussion über mögliche Konsumziele für die Reichen in Rio 2012 angestoßen werden kann, da negative Folgen des Konsums wie die Überstrapazierung natürlicher Ressourcen immer deutlicher würden. „Zehn Jahre nach Rio könnten diese Ziele stehen“, meint Kuhndt.

Germanwatch-Experte Bals und SWP-Forscherin Beisheim sind skeptischer. Vor der Verabschiedung von Konsumzielen, meint Bals, bedürfe es „insbesondere in den USA einer Revolution“. Die Debatte um Konsumziele könne aber „ein wichtiger gesellschaftlicher Anstoß sein“. Das sagt auch Beisheim. Politisch hält sie mit Einschränkungen verbundene Konsumvorgaben jedoch für „nicht durchsetzbar“. Solche Vorgaben seien beim Wähler „äußerst unpopulär“ – was auch ein Grund dafür sei, dass die Politik Nachhaltigkeit vorrangig über mehr Effizienz der Produzenten zu erreichen suche, und nicht über Suffizienzstrategien, die Einschränkungen für den Einzelnen mit sich brächten. Dass sich die Weltgemeinschaft auf konkrete, global gültige Konsumziele einigt und die auch durchsetzt, hält sie in den nächsten vierzig Jahren für „so gut wie ausgeschlossen“.

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