Apr
02
2013
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Störsender.tv #1 – Finanzcasino-Kapitalismus

Jetzt ist es endlich soweit – nachdem die Finanzierung via Crowdfunding erfolgeich war, geht das von Dieter Hildebrandt, Stefan Hanitzsch u.a. initiierte Störsender.tv auf Sendung. In der ersten Folge dreht es sich um das „Finanzcasino“ und den Wahnwitz unseres Systems.

 

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Mrz
31
2013
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Werden Sie doch Lobbyist!

Wann immer man über Politik, insbesondere die in Brüssel, redet, fällt sehr schnell auch der Begriff Lobbyismus. So groß und offensichtlich ist der Einfluss von vor allem industrienahen Interessensverbänden, dass die europaweite Gesetzgebung massiv von ihr in Richtungen gedrängt wird, die in der Regel für die Bürger nicht gerade von Vorteil sind. Die lobenswerte neue Initiative namens Lobbyplag, die ich vor einigen Wochen schon mal kurz erwähnte, hat es sich zur Aufgabe gemacht, zu schauen, wo Positionspapiere der Wirtschaft fast 1:1 in die endgültigen Gesetze einfließen. Die 3sat-Sendung Bauerfeind berichtete darüber – „Werden Sie Lobbyist!“:

Es ist eine gute Zeit, um Lobbyist zu werden – gerade für IT-Konzerne. Ihr Job: gut aussehen, gut reden, gut essen und hier und da mal ein bisschen Fachwissen fallen lassen. Politiker wollen beeinflusst werden. Sie brauchen Ihr Wissen! Dringend!

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Mrz
20
2013
4

Lesetipps: Politiklabor Island | Umtausch-Irrsinn | Wirtschaft ohne Wachstum | Arme Schweine

Schon seit einiger Zeit ist es ja hochspannend, zu beobachten, was auf Island geschieht – nach dem Crash ihres Finanzsystems wurden nämlich nicht die EU-üblichen neoliberalen Programme aufgelegt, sondern radikal durchgegriffen. Banken enteignet etc. Nun ist man dort noch einen Schritt weiter gegangen und zeigt dem Rest der Welt mal, wie moderne Politik und Bürgerbeteiligung aussehen kann – hierzulande werden die Piraten für ähnliche Ideen verlacht, dort führt man sie einfach mal durch, wie die Süddeutsche Zeitung in „Politiklabor Island – Eine Verfassung wie Wikipedia“ zeigt:

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Mrz
17
2013
3

Flucht in die Karibik – Die Steuertricks der Konzerne

Zu der nachfolgenden Doku, die neulich in der Reihe ZDF Zoom lief, muss man eigentlich nichts mehr sagen, nur noch den Kopf schütteln – „Flucht in die Karibik – Die Steuertricks der Konzerne“ zeigt plastisch, wie asozial die „Global Players“ agieren, indem sie sich aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stehlen und Gewinne am Fiskus vorbei lavieren. Ganz legal:

Bis zu eine Billion Euro im Jahr gehe den EU-Mitgliedsstaaten durch Steuerflucht und – hinterziehung im Jahr verloren, schätzt der zuständige EU-Kommissar Algirdas Semeta: „Das ist nicht nur ein skandalöser Verlust dringend benötigter Einnahmen, sondern auch eine Gefahr für ein gerechtes Steuersystem.“ Dass internationale Konzerne ihre Gewinne mittels Briefkastenfirmen in Niedrigsteuer-Länder verschieben, dafür hat Bundesfinanzminister Schäuble sogar Verständnis: „Jedes Unternehmen muss versuchen, die steuerlich günstigsten Möglichkeiten herauszukriegen. Wer multinational tätig ist, wird seine Steuerbelastung durch Verlagerung reduzieren. Das ist nicht illegal, sondern legal.“

Auf der Spur der Steuervermeider

Legal? Warum hindert sie niemand daran? ZDFzoom-Reporter Jo Schück folgt der Spur der Steuervermeider. Die Spur führt ihn in die Niederlande. Kaum jemand ahnt, dass unser Nachbar im Westen eine der größten Steueroasen der Welt ist – weil Beteiligungserträge, Lizenzgebühren und Zinseinnahmen für Holdings meist steuerfrei sind. Eine Chance zum Geld sparen, die sich kaum ein Unternehmen entgehen lässt.Und das ist nur der Anfang: Briefkastenfirmen in Delaware/USA, Niederlassungen in der Karibik, Steuer-Anwälte in New York – mit diesem Geflecht werden Gewinne niedrig gerechnet und damit Steuern gespart.

Neue Spielregeln

Auf dem G20-Gipfel in Moskau erfährt ZDFzoom-Reporter Jo Schück von geplanten Gegenmaßnahmen der Politik: Die Finanzminister von Deutschland, Frankreich und England wollen gemeinsam mit der OECD neue Spielregeln für die internationalen Finanzströme entwickeln. Es gehe nur gemeinsam, erklärt OECD-Generalsekretär Ángel Gurría gegenüber ZDFzoom, und sei dennoch unerlässlich: „Heutzutage will jeder Staat sein Haushaltsdefizit reduzieren, jeder will Schulden abbauen, alle bemühen sich. Aber wenn die Basis der Steuereinkommen sehr klein ist, weil die großen Konzerne nicht zahlen, dann hast Du ein Problem, dann musst du den Rest der Bevölkerung besteuern.“

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Mrz
03
2013
1

Unsere Daten als „Goldmine“ für Verlage

Es ist immer wieder erschreckend, zu sehen, wie weit der Arm der Industrie in die Politik hinein reicht, und wie sehr sich viele Politiker zum Sprachrohr der Interessen von Firmen und Verbänden machen, wenn es um die Gesetzgebung geht. Das Medienmagazin ZAPP berichtete anhand der geplanten Europäischen Datenschutzverodnung über einen neuen Fall, der nun von engagierten Bürgern via lobbyplag.eu publik gemacht wird – „Verlage ringen um Direktmarketing“:

Nicht immer wissen wir, wer unsere persönlichen Daten hat. Der Adresshandel blüht, denn wer solche Daten hat, gewinnt die Märkte – beziehungsweise Kunden so wie zum Beispiel Zeitungsleser.

In Deutschland generieren Verlage bis zu 20 Prozent ihrer Abonnenten über Direktmarketing im Internet. Die Daten bekommen sie ohne vorherige Einwilligung der Betroffenen. Eine geplante, europäische Datenschutzverordnung soll das jetzt ändern. Die Weitergabe von Daten soll nur mit Zustimmung der Kunden erlaubt sein. Aber die Verlage arbeiten daran, dass es nicht so kommt – mit Lobbyarbeit in Brüssel.

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Jan
04
2013
4

Lesetipps: Überwachungsstaat USA | Freiheit | Anarchismus | Arbeit | Faire Klamotten | Unnütze Geschenke

Das Jahr 2012 ist vorüber, und so mancher von mir gebookmarkte Artikel ist nicht in meinen Lesetipps aufgetaucht. Da es um einige Beiträge schon ganz schade wäre, will ich mal einige vor der „Jahresklippe“ retten. Den Anfang macht allerdings etwas ganz aktuelles – die Zeit berichtet über den Kongres des Chaos Computer Club, und dort über drei Whistelblower aus den USA, die aufzeigen, wie weit die Überwachung dort inzwischen gediehen ist. „Die USA haben ohne Not auf die dunkle Seite gewechselt“:

Der Überwachungsstaat ist keine Fiktion, sagen drei, die für US-Regierung und NSA arbeiteten. Beim Kongress des CCC erzählen sie, warum sie Whistleblower wurden.

(…) Sie reden über ihre Angst, dass in den USA und anderen Ländern Überwachungsstaaten errichtet werden, die jeden verdächtigen und die keine Rechte mehr achten. Sie reden darüber, dass sie verfolgt wurden wie Kriminelle, weil sie auf Rechtsbrüche und Gefahren aufmerksam machten und darüber, dass diese unselige Verwandlung von Staaten längst geschieht. (…)

Drake berichtet, dass die NSA nach dem 11. September 2001 begann, ihre Augen und Ohren auf die eigenen Bürger zu richten. Unterstützt vom Weißen Haus habe der Geheimdienst die Verfassung gebrochen und begonnen, alles und jeden zu überwachen. Drake gehörte zu jenen, die eines dieser geheimen Spionageprogramme publik machten, das sogenannte Projekt Trailblazer. Fortan war auch er ein Krimineller, der sich einer zehn Punkte langen Anklage gegenüber sah. (…)

Dazu passt auch der Beitrag „Freiheit auf dem Prüfstand“ aus Le Bohémien, in dem es um die Sicherheitsvorstellungen der Deutschen und dem alten Spannungsfeld von Freiheit zu Sicherheit geht:

Gibt es noch Zweifel? Wir erleben eine Renaissance des Ordnungs- und Überwachungswahns. Die Meldung, dass 80 Prozent der Bundesbürger eine Ausweitung der Videoüberwachung an Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen befürworten, die – wen wundert es – auch Innenminister Hans-Peter Friedrichs durchsetzen will, bestätigt da nur einen Trend. Das Ergebnis dieser Umfrage fügt sich nahtlos ein in die Tendenz zunehmender Reglementierung und schärferer Verbote. (…)

(…) Dieser Zeitgeist offenbart sich in Form von Vorratsdatenspreicherung, Fingerabdrücken auf biometrischen Ausweisen, der unkontrollierten Verwertung persönlicher Daten und einer immer kleiner werdenden Privatsphäre bei gleichzeitig wachsenden Gated Communities. Neben einer wieder steigenden Tendenz behördlicher Verdordnungen, Verboten oder Überwachungen also (auch im Internet), erleben wie die Rückkehr einer Form des Biedermeiertums, die genau dies wünscht – und zwar quer durch alle Milieus und Schichten. Zustände wie in Orwells “1984″ mögen uns noch nicht bevorstehen, doch in einer Epoche der Restauration befinden wir uns allemal – die Zeiten sozialliberaler Befindlichkeiten sind entgültig vorbei.

Erst auf den zweiten Blick fällt das wirklich verstörende an der gegenwärtigen Debatte um mehr Videoüberwachung auf: Es geht gar nicht mehr um das “Ob”, sondern nur noch um das “Wie” der Ausweitung. Aus Reihen der Regierungskoalition äußerte sich einzig und allein Justizministerin Leutheuser-Schnarrenberger, immer wieder eine der wenigen Zeitgenossen ihrer Partei, die den Liberalismus noch ernst nehmen, skeptisch. (…)

Und auch der Focus brachte mit „Die geheimen Mächte im Internet“ einen Artikel, in dem es um die das Internet bestimmenden Großkonzerne und ihre Verbindungen zu Regierungen und sogar Geheimdiensten geht (auch wenn die reißerische Überschrift ein bisschen nach Verschwörungstheorie riecht):

Fast eine Milliarde Menschen posten bei Facebook mittlerweile, wen sie kennen, was ihnen gefällt, was sie gerne tun, welche Pläne sie für die Zukunft haben und was sie über aktuelle Entwicklungen in Politik und Gesellschaft denken. Das ist ein Siebtel der Menschheit. Facebook besitzt also die größte Ansammlung privater Daten aller Zeiten – und jeder Nutzer gibt diese Daten freiwillig her. Vielen dürfte inzwischen bewusst sein, dass dies der eigentliche Preis ist, den sie für das soziale Netzwerk und andere Dienste im Netz bezahlen. Und solange Firmen wie Facebook und Google die exklusiven Informationen nur dazu nutzen, individuell zugeschnittene Werbung zu produzieren, scheint dies für viele Nutzer ein angemessener Preis zu sein.

Doch was, wenn es nicht bei Werbung bliebe? Was, wenn die Facebook-Daten in die falschen Hände gerieten? Zum Beispiel in die Hände staatlicher Einrichtungen und Sicherheitsbehörden. Würden die meisten Menschen einem Geheimdienst genauso freiwillig über ihr Privatleben berichten, wie sie es gegenüber Facebook und Google tun? Wohl kaum. Doch genau das geschieht bereits.
(…)

Nun aber mal zu etwas Schönem – Weihnachten. Geschenken. Konsum. Ich hoffe, Ihr habt die Feiertage diesbezüglich eher ruhig angehen lassen? Dass das Problem mit übersteigertem Kaufverhalten nicht erst eins der modernen Konsumgesellschaft ist, zeigte die Zeit in ihrem Text über die „SPUG – Die Gesellschaft zum Schutz vor unnützen Geschenken“:

Vor 100 Jahren kämpfte Eleanor Belmont in den USA dafür, Weihnachten vom übermäßigen Konsum zu befreien. Ihre Botschaft ist heute so aktuell wie damals. (…)

Im November 1912 hielt der ehemalige Broadway-Star Eleanor Belmont, geborene Robson, in New York eine Rede, die das Leben von Arbeitnehmern “nicht nur in den Großstädten, sondern auch in den Städten und Weilern” der USA verändern sollte. Ihre Rede führte zur Gründung der Society for the Prevention of Useless Gift Giving, der Gesellschaft zum Schutz vor unnützen Geschenken – kurz SPUG. Belmont hatte es sich in den Kopf gesetzt, die Welt vom Konsumterror zu befreien. (…)

Das Thema fairer Konsum ist mittlerweile auch in den großen Medien angekommen, wie man am Artikel der Süddeutschen Zeitung sehen kann – „Tipps zum Klamottenkauf – Fair einkaufen leicht gemacht“. Ich finde es durchaus erfreulich, wenn auf diese Weise auch größere Bevölkerungsschichten wenn schon nicht grundlegend sensibilisiert, so doch wenigstens ab und an mal damit konfrontiert werden, ihre Einkaufsgewohnheiten kritisch zu beleuchten.

Made in China, made in Indonesia, made in Bangladesh: So steht es auf den meisten Etiketten. Darüber, unter welchen Bedingungen die Kleidung hergestellt wird, sagt das nichts aus. Der Kunde kann trotzdem herausfinden, wie die Ware produziert wurde – sogar mit relativ wenig Aufwand. (…)

Beim Online-Shopping hilft zum Beispiel die Browser-Erweiterung “Avoid”, in dem sie Hosen und Hemden ausblendet, die durch Kinderarbeit entstanden sind. Ob bei Asos oder Amazon: Die App lässt alle Angebote von Firmen verschwinden, die nach der Liste des gemeinnützigen Vereins “Earthlink” in Verbindung mit Kinderarbeit gebracht werden. Statt des neuen Kleids erscheint im Shop dann ein weißes Feld – in manchen Online-Shops führt das zu erschreckender Leere.

Auf Websites wie dem Future Fashion Guide helfen spezielle Suchmasken beim Einkauf. Kunden können hier zwischen verschiedenen Kriterien wie “lokal produziert”, “sozial engagiert” oder “Bio-Materialien” wählen und gleichzeitig angeben, nach welchem Kleidungsstil sie suchen. Auf der Seite erscheinen dann mehrere Shops, die den ausgewählten Eigenschaften entsprechen. (…)

Der Kauf Dir Deine Welt-Blog zeigte, was passiert, wenn in der Kleidungsproduktion nur auf Preise und niedrige Kosten geschaut wird und die Qualität auf der Strecke bleibt – „Krebs in der Manteltasche – Probleme unseres Kleidungskonsums“:

(…) Doch mit unserem Klamottenkonsum ist noch ein weiteres Problem verbunden – eins, das auch diejenigen kümmern sollte, denen fairer Konsum eigentlich egal ist: Die Kleidungsstücke zahlreicher bekannter Marken enthalten krebserrengende Stoffe. Das hat Greenpeace in einem umfangreichen Test herausgefunden: “141 Kleidungsstücke aus 29 Ländern hat Greenpeace auf Nonylphenolethoxylate (NPE), Weichmacher und krebserregende Amine untersuchen lassen. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse heute mit einer Pressekonferenz und Modenschau in Peking. […] Die getesteten Kleidungsstücke – Jeans, Hosen, Kleider, T-Shirts und Unterwäsche – stammen von Armani, Benetton, C&A, Calvin Klein, Diesel, Esprit, Gap, H&M, Jack&Jones, Levi’s, Mango, Metersbonwe, Only, Tommy Hilfiger, Vero Moda, Victoria’s Secret und Zara. Sie wurden in mindestens 18 Ländern hergestellt.”

Auch wenn darauf hingewiesen wird, dass daraus nicht unmittelbar Gefahren für die Geundheit entstehen, ist das Ergebnis doch erschreckend: “Alle Markenprodukte enthielten NPE, die zu giftigem Nonylphenol abgebaut werden. Die Kleidungsstücke mit den höchsten NPE-Konzentrationen stammen von den Marken C&A und Mango, Levi’s, Calvin Klein, Zara, Metersbonwe, Jack & Jones und Marks&Spencer. Fortpflanzungsschädigende Weichmacher (Phthalate) wurden in hohen Konzentrationen in bedruckten T-Shirts von Tommy Hilfiger und Armani festgestellt. Produkte von Zara enthielten sowohl hormonell wirksame, als auch krebserregende Chemikalien: Hohe NPE-Rückstände fanden sich in einer Kinderjacke aus China, karzinogene Amine aus Azofarbstoffen in Zara-Jeans, hergestellt in Pakistan.” Doch nicht nur in den Klamotten sind die Chemikalien ein Problem, durch Abwasserkanäle gelangen die Stoffe auch in Flüsse und belasten so die Umwelt. (…)

Zum Abschluss noch zwei Grundsatz-Artikel über unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Da wäre zum einen „Die Wirtschaft ist ein grausames Spiel“ von Konrad Hausner in The Intelligence:

Auf den ersten Blick wirkt alles so selbstverständlich: Jeder Mensch geht einer Arbeit nach, wird dafür bezahlt und bestreitet mit dem erhaltenen Geld seine Lebenshaltungskosten. Dabei geben wir uns der Illusion hin, dass der Wert der erbrachten Leistungen zumindest annähernd mit denen korrespondiert, die wir im Gegenzug in Anspruch nehmen. Obwohl der technische Fortschritt den Produktionsprozess deutlich vereinfacht und gleichzeitig Unmengen an Energie verbraucht werden, nimmt der allgemeine Komfort regelmäßig ab. Wir stecken in einer Schulden- und Wirtschaftskrise. In der westlichen Welt sind die Märkte mit praktisch allem übersättigt. Doch gleichzeitig fehlt es an Kaufkraft. Gleicht dies nicht dem sprichwörtlichen „Verhungern vor der vollen Schüssel“?

Immer wieder werden wir mit denselben Schlagworten konfrontiert: Das Schaffen von Arbeitsplätzen! Das Beleben der Märkte! Das Befriedigen der internationalen Investoren! Was steckt hinter diesen Konzepten?

Der Arbeitsplatz wird grundsätzlich mit Gelderwerb gleichgesetzt, was wiederum zur Befriedigung der Bedürfnisse vonnöten ist. Stellt jemand die Frage, warum jedes Mitglied einer hochtechnisierten Gesellschaft den größten Teil seiner Lebenszeit arbeitend verbringen muss, setzt er sich erst einmal der Gefahr aus, als „faul“ eingestuft zu werden. Ungeachtet der tatsächlichen Arbeitslosenraten, die offiziellen Zahlen werden sogar noch als „notwendiges Minimum“ bezeichnet. Es bedarf einiger Millionen Arbeitssuchender, um der Wirtschaft jederzeit die gewünschten Arbeitskräfte zuführen zu können. Gegen eine entsprechend niedrige Entlohnung, versteht sich, dass es auch ja niemandem erspart bleibt, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen. Wir kommen noch darauf zu sprechen, dass schon lange viel zu viel gearbeitet wird. (…)

Und Ad Sinistram sinniert über „Anarchismus oder der beste aller möglichen Staaten“:

(…) Und die Neoliberalen sind genau solche Nihilisten. Sie glauben an nichts, nur an Profite; der Weg zum Profit ist gepflastert mit dem Nichts, denn nichts ist ihnen heilig, nur das Ziel ist der Weg. Braucht man Mord dazu, toleriert man den Mord und nennt ihn Sachzwang; geht es mit Geschenken, schenkt man; ist Aushungern nötig, hungern sie eben aus – winkt bei reichlicher Verpflegung mehr Gewinn, verpflegen sie einen mit einer Fürsorge, dass man vor Ergriffenheit weinen möchte. Dass die Mittel immer mit dem Zweck vereinbar sein müssen, schrieb Stowasser übrigens auch, sei ebenfalls anarchistisches Ideal. Mit Bomben Befriedung zu schaffen sei unsinnig und nicht vertretbar, ganz zu schweigen davon, dass man so keinen Frieden macht, sondern nur Verstümmelungen. Neoliberale sind da nicht wählerisch, sie sind sicherlich pragmatischer als solche, die sich Ideale eingemeißelt haben. Mehr aber auch schon nicht.

Anarchisten haben immer, und tun dies heute noch, die geistige Veränderung der Menschheit postuliert. Die einen meinten, der Anarchismus sei praktikabel, wenn die Menschheit endlich eine neue geistige Entwicklungsstufe erklommen habe, die anderen glaubten: Erst der Anarchismus, dann der menschliche Fortschritt. Zweifelsohne bedarf es einer materiellen Basis. Da ist er sich mit Marx einig. Vor dem Sozialismus kommt der Kapitalismus und die industrielle Massenfertigung. Erst das Fressen, dann die Moral. Die Frage wird jedoch sein, ob wir nicht zu evolutionsgläubig sind. Ist der geistige Fortschritt im Sinne eines Weltethos überhaupt programmiert? Woher nimmt man die Zuversicht, dass der Mensch als Menschheit denken lernt? Scheitert daran der Anarchismus? So wie jedes System wird er das. Der Anarchismus scheitert am ihm immanenten Guten, daran dass er gutgläubig ist – der Neoliberalismus wird daran scheitern, nur an das Schlechte zu appellieren. Am Menschen scheitert es immer, weil er ist, was er ist. (…)

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Dez
16
2012
2

Unruhe stiften mit stoersender.tv

Depperte Sendungen und Fernsehsender gibt es in ausreichender Zahl. Aber kritische, gegen den Strich gebürstete Meinungen und Reportagen findet man nur inselgleich im weiten Meer der Beliebigkeit auftauchen, in der Regel im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Umso begrüßenswerter ist es deshalb, dass der politische Kabarettist Dieter Hildebrandt zusammen mit einigen Mitstreitern eine neue, internetbasierte Sendung plant – Störsender.tv. Derzeit befindet sich das Projekt noch in der Finanzierungsphase – mittels Crowdfunding suchen sie Unterstützer, um dann nächstes Jahr auf Sendung und den Großkopferten auf die Nerven gehen zu können. HIER könnt Ihr Euch daran beteiligen (via Startnext).

Der Störsender ist ein unabhängiges Crossover-Projekt. Kabarett, Journalismus, Satire, Kampagne und Stör-Aktionen online wie offline. Jede Menge Störkraft am Werk also.

In der ca. 30minütigen Magazin-Sendung stoersender.tv tritt Dieter Hildebrandt regelmäßig auf. Dazu gibt es Animationen, Interviews, Berichte über Störaktionen und Auftritte von Hildebrandts liebsten und besten Kollegen.
Die Webseite ist dafür die Plattform, und gleichzeitig ein Kampagnen-Werkzeug. Hier verabreden wir Strategien, Störaktionen und überlegen auch gemeinsam, wie sich das Programm entwickeln soll.

Der Störsender ist aktuell, läuft aber nicht jeder Sau nach, sondern scheucht selbst welche auf. Wenn Du eine Sau kennst – her damit! Wir berichten, bis die Schwarte scheppert! Je mehr Störenfriede aus aller Damen und Herren Länder mitmachen – sei es im Interview, sei es im Forum, sei es bei Störaktionen auf eigene Faust – desto besser.

Jeder kann das Programm sehen und im Forum mitreden, allerdings erhalten die Shareholder des Störsender-“Crowd-Fonds” üppige Boni. Pressefreiheitskampf-Dividende, sozusagen…

…zusätzlich zu der süßen Gewissheit, für Pressefreiheit gekämpft zu haben, liefert das Reize, das VIP-Angebot von stoersender.tv gegen Bares zu beziehen. (Paypal ist auch ok). Crowdfunding ist die Heiligsprechung von künstlerischer und redaktioneller Freiheit.

VIP, Very Intelligent Pressefreiheitskämpfer sein heißt:

– Du empfängst stoersender.tv drei Tage vorm (freien) Publikums-Start.
– Du siehst stoersender.tv in HD-Qualität.
– Du hast Wahlrecht im Störsender-Forum und kannst so unter anderem das Programm mit beeinflussen – one woman, one man, one vote.
– Du kannst Deine Videos auf der Webseite einbinden und der Community erzählen, was Dich stört oder wen Du bei seinen (oder ihren) Untaten gestört hast.
– Dein Name steht für ein Jahr samt Logo Deiner Organisation bei den VIP. Natürlich nur, wenn Du das möchtest!

Was sind die Ziele und wer die Zielgruppe?

Ziel des Störsenders ist, Menschen und Organisationen zu stören, die ihrerseits die Demokratie stören.

Wer sich mit dem Status Quo nicht abfinden und wenigstens kämpfen will, wer Fan von Dieter Hildebrandt ist, gerne die Heute-Show, Neues aus der Anstalt und artes Tracks sieht oder sich auf Webseiten wie Project Censored tummelt, ist beim Störsender richtig. Natürlich dient das nur der groben Orientierung – Schubladen sind für Socken da!

Warum sollte man dieses Projekt unterstützen?

– Weil unabhängige Medien aus einem Demokratie-auf-dem-Papier-Tiger einen Rechtsstaat mit Zähnen machen.

– Weil der Einfluss von Politik und vor allem Wirtschaft auf die „etablierten“ Medien wächst und wächst. (Zu den Mechanismen siehe Parenti, 1993, Chomsky, 1992, et al.).

– Weil der Störsender da hingehen will, wo es weh tut. Natürlich muss man dafür auch raus aus dem Studio. Gemeinsam mit Euch!

– Weil es viel zu lachen geben wird.

– Weil das Politische Kabarett eine Kunstform ist, die im Internet bislang nur auf Youtube oder in Mediatheken vorkommt.

– Weil stoersender.tv frei zu empfangen sein soll, aber nicht vom Himmel fällt.

– Weil man dadurch den Status eines Very Intelligent Pressefreiheitskämpfer samt Wahlrecht und anderer Vorteile im Störsender-Forum erwirbt.

– Weil Dieter Hildebrandt immer ausverkauft ist und so mehr Menschen in den Genuss kommen, ihn in Aktion zu sehen.

Was passiert mit dem Geld bei erfolgreicher Finanzierung?

Fernsehen, sorry, Störsehen produzieren ist nicht billig – egal über welchen Kanal es hinterher ausgestrahlt wird, ob via Satellit, Kabel oder Glasfaser.

Durch allerlei Kniffe, Kreativität, ehrenamtliches Engagement und noch mehr Liebe wird mit diesem Geld ein ganzes Jahr stoersender.tv produziert. 20 Sendungen zu jeweils etwa 30 Minuten…

…das sind 10 Stunden Programm!

Bei einer Überfinanzierung werden mehr Sendungen und Kampagnen und die eine oder andere Sondersendung möglich.

Natürlich muss auch die Plattform bezahlt werden, sprich die Webseite selbst, der Shop und das Abosystem, die Sicherheit…, dann Wartung, Moderation des Forums, Support, undundund…

Von dem Geld wollen wir auch Störaktionen finanzieren, die unter Freiem Himmel oder in der Lobby stattfinden.

Last not least: Recherche kostet… stoersender.tv arbeitet sachlich fundiert mit Hand und Fuß.
Hand- und Fußpilz durch unsaubere Recherche wollen wir uns keinen einfangen!

Wer steht hinter dem Projekt?

Projektpartner, Investor und Stargast von stoersender.tv ist Dieter Hildebrandt. Der Übervater des politischen Kabaretts übt seinen Beruf seit mittlerweile gut 6 Jahrzehnten aus – mit einigem Erfolg… Es gibt keinen Preis, den er nicht mindestens einmal bekommen hätte.

Besondere Ritterschläge erhielt er von einem regierungsnahen Medium, das seine ARD-Live-Sendung Scheibenwischer einmal sogar komplett ausblendete, sodass die Zuschauer in Bayern buchstäblich schwarz sahen, vom ZDF, das seine bereits produzierten Sendungen manchmal einfach aus dem Programm strich und natürlich vom seligen Franz Josef Strauß, der ihm das Prädikat “Politischer Giftmischer” verlieh. Ist da überhaupt eine Steigerung möglich? Finde es heraus!

Dieter Hildebrandt wird immer wütender. Der Kelch mit der „Altersmilde“ scheint einen Bogen um ihn gemacht zu haben – wohl wissend, dass der Schlesier ihn mit Schmackes in die Ecke gepfeffert hätte. Nun greift er also als Projektpartner mit einem neuen Medium an. Greif mit an!
Noch grantiger kann nur der Karikaturist Dieter Hanitzsch werden. Vor allem dann, wenn man ihn reizt. Sonst ist er ganz reizend. Der Störsender hat damit einen eigenen Wutzeichner, der die Anliegen der Wutbürger seit vielen Jahren für die Süddeutsche Zeitung in Tusche gießt und den Politikern beweist, dass es manchmal schlimm ist, karikiert zu werden, aber noch viel schlimmer, wenn man nicht karikiert wird.

Als Duo Infernale werden Hanitzsch und Hildebrandt ab und an auch gemeinsam vor die Kamera und der Regierung in den Hintern treten. Zum Beispiel Herrn Draghi oder dessen Komplizen Lloyd Blankfein.

Erfinder, Redakteur, Autor und Projektleiter von stoersender.tv ist Stefan Hanitzsch. Er ist freiberuflich an diversen Medien-Projekten beteiligt und investiert seit einer Weile Zeit und Geld in die Verwirklichung des Störsenders.

Als Politik-Student schrieb er unter anderem für den „Münchner Merkur“, die „Süddeutsche Zeitung“ und die Hörfunkabteilung des „Bayerischen Rundfunks“ .

Nach dem Studium hat er quasi „die Seiten gewechselt“ und mehrere Jahre für eine Volkspartei geworben. Zunächst im Deutschen Bundestag in Berlin, wo er als Pressesprecher und wissenschaftlicher Mitarbeiter das Parlament en detail kennenlernen durfte. Dann furiose Wahlkämpfe – Landtag, Europa, Bundestag – und im Anschluss mehrere Jahre Pressesprecher.

Die Erfahrungen in der Politik waren heilsam für Stefans Vorstellungen vom Politischen System. Sie werden in der Redaktion von stoersender.tv nützlich sein.

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Dez
05
2012
6

Subventionswahnsinn Regionalflughäfen

Es ist doch immer wieder rührend, wenn Politik und Wirtschaft vond en Segnungen des freien Marktes dozieren, diese Mechanismen aber mühelos vom Tisch gewischt werden können, sobald es darum geht, gewissen Branchen Vorteile zu verschaffen. Subventionen sind generell ein heikles Thema – aber vor allem dann, wenn es darum geht, umweltschädliche Branchen zu pampern. So geschehen seit vielen Jahren bei den Regionalflughäfen in Deutschland, wo Steuermilliarden fließen, damit Billigfluglinien Reisende dazu animieren können, möglichst oft irgendwohin zu fliegen; auf Kosten der Allgemeinheit. Am Beispiel von Ryan Air hatte ich über das Abgreifen von Subventionen (= dem Geld der Bürger) schon einmal geschildert (HIER), und nun berichtete Plusminus in „Subventionen für Regionalflughäfen: Billigflieger profitieren“ erneut über die generelle Schieflage in diesem Bereich. Man kann nur den Kopf schütteln…:

Sie heißen Easyjet oder Wizz Air, sogenannte Billigflieger. Seit einigen Jahren heben sie vom Flughafen Dortmund ab, zu Zielen in ganz Europa. Die Passagiere können sich freuen: Für sie ist Fliegen ein wahres Schnäppchen. In Dortmund jedenfalls sind die Fluggäste ganz begeistert: “Ich hab 27,99 bezahlt und find es wahnsinnig günstig. Das ist Hin- und Rückflugticket”, so eine Passagierin. Ein anderer Fluggast: “30 Euro habe ich bezahlt, da bin ich zufrieden.”

Flughafen macht dramatische Verluste

Dumm nur, dass der Flughafen Dortmund dabei massiv draufzahlt. Er machte im vergangenen Jahr 19,5 Millionen Euro Verlust. Geradestehen müssen dafür die Stadtwerke Dortmund, also die Stadt Dortmund und damit letztlich der Bürger. Rein rechnerisch zahlte jeder Dortmunder somit im vergangenen Jahr für die Verluste des Airports fast 34 Euro – das ist mehr, als ein günstiger Billigflug kostet.

Irgendwie irre: Denn trotz supergünstiger Tickets fliegen die Billigairlines auch noch hohe Gewinne ein. Könnte das mit den Verlusten des Flughafens zusammenhängen? Ja, meint zumindest die EU-Kommission. Sie wirft dem Flughafen Dortmund unzulässige Beihilfe zugunsten der Fluggesellschaften vor. Dortmund würde von den Airlines Gebühren verlangen, die unterhalb der tatsächlichen Kosten liegen. Das könnte sich der Flughafen nur leisten, weil die Stadtwerke die Verluste übernehmen. (…)

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Dez
02
2012
5

Lesetipps, Internet-Edition: 4 Sheriffs zensieren das Internet | Die Debatte ums Leistungsschutzrecht

© ilco, stock.xchng

© ilco, stock.xchng

In der sog. Netzgemeinde geht seit einer Weile ein neues Unwort um: das Leistungsschutzrecht oder #lsr (für die Twitteruser unter uns). In diese unselige Debatte, die von den großen Medienhäusern auf der einen und Google sowie Leuten mit Ahnung vom Netz auf der anderen Seite geführt wird, will ich mich gar nicht großartig einmischen, zu absurd, zu durchsichtig ist hier der Versuch von Verlagen & Co., das Rad der Geschichte zurückzudrehen und sich mit einer von Lügen gespickten Kampagne bei der schwarz-gelben Regierung ein ihnen genehmes Gesetz schreiben zu lassen. Wie schon beim antiquierten Urheberrecht, wo versucht wird, mit Gesetzen aus der Postkutschenzeit den Flugverkehr zu regeln, haben auch diesmal die Medienschaffenden in Deutschland den Schuss nicht gehört. Spannend ist auf jeden Fall, dass wir wieder einmal live & in Farbe auf breiter Front miterleben können, wie die mediale Propaganda des sog. „Qualitätsjournalismus“ funktioniert. Stefan Niggemeier seziert in seinem Blog die ganzen ans Peinliche grenzenden Versuche einiger Verlagsanstalten, Leser durch schiere Desinformation zu blenden. Besonders schön fand ich seinen Post von vorgestern „Zwischenstand im Presse-Limbo zum Leistungsschutzrecht“:

Das Wettrennen um die verlogenste, einseitigste, falscheste und irrste Berichterstattung in der deutschen Presse über das Leistungsschutzrecht ist noch im vollen Gang. Insofern wäre es voreilig, heute schon einen Gewinner küren zu wollen, selbst wenn man sich kaum vorstellen kann, dass die bisherigen Teilnehmer noch zu übertreffen sind.

Bis vorhin zum Beispiel dachte ich, dass der »Mannheimer Morgen« unmöglich einzuholen sein würde. Der hat einen Kommentar von Rudi Wais veröffentlicht, der auch in »Augsburger Allgemeiner«, »Main Post«, »Straubinger Tagblatt« und »Landshuter Zeitung« erschienen ist und mit den Worten beginnt:

Diesen Kommentar gibt es nicht umsonst.

Das ist ein Satz, der auf den ersten Blick nicht sehr spektakulär wirkt, es sei denn, man liest den Kommentar auf den Internetseiten von »Mannheimer Morgen«, »Augsburger Allgemeine« oder »Main Post«. Dort gibt es ihn umsonst.

Diesen Kommentar gibt es nicht umsonst. Unsere Leser bezahlen am Kiosk oder im Abonnement für ihre Zeitung — und unser Verlag bezahlt den Autor, der diesen Kommentar schreibt, das Papier, auf dem der nachts gedruckt wird, die Druckmaschinen und natürlich auch Fahrer und Zusteller, die die Zeitungen dann in aller Frühe ausliefern. Im Idealfall haben am Ende alle fünf etwas von diesem Kommentar: Leser, Verlag, Journalist, Fahrer und Zusteller. Sie leben mit der Zeitung oder von ihr. Nur Google will nicht bezahlen.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber für mich verlieren diese Sätze ein bisschen ihre Überzeugungskraft dadurch, dass sie alle auf dem ersten Satz aufbauen, der so eindeutig falsch ist.

Wie übrigens auch der nächste:

Der amerikanische Internetriese sammelt Texte ohne Rücksicht auf Urheber– und Verlagsrechte in speziellen Nachrichtenportalen.

Nein. Was Google macht — Texte indizieren und mir kurzen Ausrissen verlinken — verstößt nicht gegen das Urheberrecht. Und wenn die Verlage es trotzdem nicht zulassen wollen, könnten sie es einfach verhindern, sogar ohne darauf verzichten zu müssen, über Google trotzdem gefunden zu werden. Die falsche Behauptung ist Teil der gezielten Desinformation der Leser durch die Verlage, was insofern ironisch ist, weil der Kommentator ein paar Sätze weiter schreibt, dass »unkundige Besucher« von Google »gezielt desinformiert« würden.

Der Kommentar endet mit den Worten:

Guter Journalismus kostet Geld — und deshalb darf ihn auch Google nicht umsonst bekommen.

Bevor Sie jetzt ein schlechtes Gewissen bekommen, falls Sie auf den Link geklickt und den Text umsonst gelesen haben: Keine Sorge. Es handelt sich ja nachweislich bei ihm nicht um »Guten Journalismus«. (…)

Dass der Bundestag die erste Lesung des Gesetzes, das natürlich von CDU und FDP mitgetragen wird (und auch in Teilen wohl von der gedanklich ebenfalls im Mittelalter feststeckenden SPD) spätnachts abhielt, wundert wohl keinen. Immerhin haben sich die Jugendorganisationen aller Parteien gegen dieses Schwachsinnsgesetz ausgesprochen – „Keine Einführung des Leistungsschutzrechts – gemeinsame Erklärung“ (Die Linke wurde hier, v.a. auf Betreiben der JU, außen vor gelassen, was einiges über das Demokratieverständnis im Lande sagt…)

(…) Derzeit stellen viele Verlage ihre Inhalte freiwillig kostenfrei und für jedermann zugänglich ins Netz. Sie tun dies, um öffentlich wahrgenommen zu werden und um Werbeeinnahmen zu generieren. Es gibt bereits jetzt die technischen Möglichkeiten, Inhalte im Netz dem Zugriff durch Suchmaschinen und News-Aggregatoren zu entziehen. Damit bleibt es den Verlagen unbenommen, den Zugriff und die Zugriffsbedingungen für ihre Inhalte zu steuern und auszugestalten. Eine Schutzlücke gibt es nicht. Es ist uns unbegreiflich, dass der Gesetzgeber der Argumentation der Verlegerverbände folgt, es müsse eine Lücke geschlossen werden.

Der Entwurf des Leistungsschutzrechts sieht die Pflicht zum Kauf von Lizenzen dann vor, wenn die Verlagsinhalte kommerziell genutzt werden. Unklar ist, wie mit den im Netz massenhaft vorhandenen Angeboten umgegangen werden soll, die nicht eindeutig als kommerziell oder privat zu werten sind – so etwa Blogs, die durch Werbung oder Micropayment-Dienste ebenfalls zu Erlösen führen können. Diese rechtliche Grauzone im Leistungsschutzrecht birgt für Bloggerinnen und Blogger sowie Nutzerinnen und Nutzer die Gefahr, von den Verlagen systematisch mit Klagen überzogen zu werden. Ein staatliches Eingreifen ist hier völlig unnötig und sogar schädlich.

Junge Union, Jusos, Grüne Jugend, Junge Liberale und Junge Piraten sind sich darin einig, dass dieser Eingriff in die freiheitliche Architektur des Internets nicht hinnehmbar ist. Es gibt keine Notwendigkeit für diese Innovationsbremse. Die Verlage müssen sich — wie andere Branchen auch — dem Strukturwandel stellen: Statt an analogen und nicht umsetzbaren Regelungen festzuhalten, sollten sie neue, an das Internet angepasste Geschäftsmodelle entwickeln. (…)

Traurig, dass die „gestandenen“ Politiker besagter Parteien oft so wenig Ahnung haben bzw. eben bewusst Wirtschaftsinteressen folgen. Was natürlich auch niemanden mehr wundert. Selbstredend hat es einen komischen Beigeschmack, dass man bei diesem Kampf gegen die Besitzstandswahrer in den Medienhäusern ausgerechnet mit Google in einem Boot sitzt, also einem Großkonzern, dessen Macht im Netz erklecklich ist und weidlich ausgenutzt wird. Die Zeit brachte vor  einiger Zeit einen höchst lesenswerten und erschreckenden Artikel über den Einfluss der vier großen Internetfirmen Apple, Google, Facebook und Amazon, die jede auf ihre Art für eine gefilterte Wahrnehmung der Welt sorgen – „Vier Sheriffs zensieren das Internet“. Lest Euch den Beitrag bitte in Gänze durch (geht über vier Seiten), es lohnt sich!

(…) Facebooks Schnüffelei ist nur ein Fall von vielen, in denen führende Konzerne den Internetnutzern mit fragwürdigen Methoden ihre Regeln aufzwingen. Etwa zeitgleich verweigerte Apple die Freigabe für ein satirisches Spiel, das Frederic Jacobs aus San Francisco für das iPhone programmiert hat. Es heißt Angry Syrians und kritisiert in bunter Comic-Optik das brutale Regime von Präsident Baschar al-Assad. Warum es bei Apple nicht erscheinen durfte? Weil es angeblich »diffamierend oder beleidigend« gewesen sei, berichtet der Programmierer.

Apple unterdrückt eine politische Meinungsäußerung. Wie oft wohl noch?

Oder Amazon: nahm Anfang Juni das Schwarzbuch WWF vorübergehend aus dem Programm. Der Autor Wilfried Huismann warf darin der Umweltorganisation große Nähe zur Industrie vor, ein juristischer Streit zeichnete sich ab. Amazon verbannte das Buch, noch bevor die Richter die Vorwürfe beurteilten. Aber bedeutet das angesichts der Marktmacht von Amazon nicht, dass faktisch ein einzelner Konzern im Wesentlichen entscheidet, was gelesen wird?

Oder Google: filtert die Ergebnisse seiner Suchmaschine weltweit mal nach politischen Vorgaben, mal nach unterstellten persönlichen Interessen der Nutzer. Jedenfalls nicht immer so neutral, wie es das schlichte Weiß der Internetseite suggeriert. (…)

Auch Jens Berger hatte sich auf den NachDenkSeiten gerade mit dem Thema befasst – „Facebook und die Zensur“:

Als die NachDenkSeiten-Unterstützerin Margareth Gorges vor wenigen Tagen Wolfgang Liebs Kommentar zur Wahl Katrin Göring-Eckardts auf die Facebook-Wall der Grünen postete, staunte sie nicht schlecht – kurze Zeit später war nicht nur ihr Post verschwunden, Frau Gorges wurde vielmehr von Facebook mitgeteilt, dass sie die nächsten 60 Tage nicht mehr auf die Walls anderer Nutzer schreiben darf und sie im Wiederholungsfall ganz vom Facebook-Angebot ausgesperrt wird. Man könnte dies als Lappalie abtun, schließlich besagt ein Facebook-Verbot „nur“, dass man die Seiten dieses Konzerns nicht mehr wie gewohnt nutzen kann. Wäre da nicht der Medienwandel – einige wenige große und gänzlich intransparente Konzerne beherrschen das Internet und bestimmen, welche Inhalte Nutzer zu sehen bekommen und welche Nutzer für andere sichtbar sind. Zensur gehört dabei nicht nur zur Tagesordnung, sondern auch zum Geschäftsmodell. (…)

Den Grünen kann man im konkreten Fall noch nicht einmal einen Vorwurf machen. Natürlich entscheidet jeder Facebook-Nutzer selbst, was auf „seiner“ Wall steht. Auch die NachDenkSeiten löschen (in seltenen Fällen) Nutzerkommentare auf ihrer Facebook-Seite, die beispielsweise einen fremdenfeindlichen Inhalt haben. Für die „Hygiene“ seiner Seite ist jeder Nutzer selbst verantwortlich. Facebook erlaubt seinen Nutzern sogar, anderen Nutzern das Posten auf der eigenen Seite generell zu verbieten. Wer dies wünscht, kann diese Option wählen. Nicht hinzunehmen ist jedoch, dass andere Nutzer vom Netzwerkbetreiber global gesperrt werden, wenn ein Nutzer der Ansicht ist, dass die betreffenden Kommentare inhaltlich „belanglos“ seien. Einem Redakteur einer Zeitung steht es beispielsweise frei, einen Leserbrief nicht zu veröffentlichen, wenn er den Inhalt für belanglos hält. Dies führt im analogen Leben jedoch nicht dazu, dass die Post 60 Tage lang keine Briefe des betreffenden Leserbriefschreibers mehr befördert. Im Netz gelten hier offenbar andere Regeln. (…)

Noch ein Nachtrag – Thomas Stadler schreibt auf Carta etwas über die erstaunliche Subjektivität der Medienberichterstattung über das Leistungsschutzrecht: „Beim Urheberrecht endet offenbar die redaktionelle Unabhängigkeit“:

(…) Aktuell lässt sich in den klassischen Zeitungsmedien erneut eine fast durchgehend einseitige Berichterstattung über das geplante Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse feststellen. Zu einer ausgewogenen Berichterstattung würde es beispielsweise gehören, zumindest zu erwähnen, dass die Rechtswissenschaft das Leistungsschutzrecht – in seltener Einigkeit – ablehnt. Zu einer ausgewogenen Berichterstattung würde es zudem gehören, nicht nur den Lobbyismus von Google anzuprangern, sondern in gleichem Maße den Verlagslobbyismus zu hinterfragen, der dieses Gesetzgebungsvorhaben überhaupt erst auf den Weg gebracht hat. All das passiert aber nicht, oder bestenfalls unzureichend.

Man kann also ohne Weiteres konstatieren, dass bei diesem Thema eine objektive Berichterstattung schlicht nicht stattfindet. Stattdessen erleben wir Kampagnenjournalimus, der von Verlegerinteressen geleitet wird. Ob die Verlage unmittelbar Einfluss auf die Redaktionen nehmen, oder es sich um eine Form von vorauseilendem Gehorsam handelt, ist letztlich von untergeordneter Bedeutung, denn das Ergebnis bleibt dasselbe. (…)

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Labernde Köpfe statt echter Meinungsbildung

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Okay, ich gestehe jetzt etwas ganz Furchtbares, mit dem ich meine Reputation (so ich denn eine hätte) auf Jahre hinaus beschädigen dürfte – es gab eine Zeit, da habe ich gerne politische Talkshows gesehen, sogar „Hart aber fair“! Gerade in der Zeit des Beginns der sog. „Finanzkrise“ (die sich dann, wenig überraschend – außer für die meisten Teilnehmer besagter Gesprächsrunden – zur „Wirtschafts-“, sogar zur „Systemkrise“ entwickelte) war es durchaus für eine Weile ganz interessant zu sehen, wie die neoliberalen Dampfplauderer in die Defensive gerieten und ihre über Jahre hinausposaunten Rezepte „Wachstum“, „Deregulierung“, „Der Markt hat immer Recht“ plötzlich (vorsichtig) in Frage gestellt wurden. Aber kaum war der erste Schock überwunden (so 2008, 2009), kehrte wieder die übliche Gesprächs„kultur“, das Schema F in diese Shows ein.

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